Wieso der EVZ personalisierte Tickets hat, der FCL aber nicht
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Für die Mitte ist klar: Die Heimspiele des FC Luzern würden mit personalisierten Tickets sicherer. Doch für deren Einführung wäre eine Gesetzesänderung nötig – anders als beim EV Zug.
Immer und immer wieder machen sich Bürgerliche – allen voran die Luzerner Mitte – für einen härteren Umgang mit Fussballfans stark. In ihrer Fangewalt-Initiative fordert sie darum eine Verschärfung des Polizeigesetzes (zentralplus berichtete).
Unter anderem soll das heute bereits von der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) angewandte Kaskadenmodell ins Gesetz rein. Es ist bei den Akteuren des Fussballs vor allem wegen der Kollektivstrafen umstritten. In mehreren Fällen befassen sich die Gerichte mit der Frage, ob diese Strafen rechtmässig sind.
So funktioniert das Kaskadenmodell
Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), der auch die Luzerner Regierungsrätin Ylfete Fanaj angehört, hat vor zwei Jahren beschlossen, mithilfe des sogenannten Kaskadenmodells gegen gewalttätige Fussballfans vorgehen zu wollen.
Das Kaskadenmodell ist kein Gesetz. Vielmehr haben sich die Mitglieder der KKJPD gemeinsam auf das Vorgehen entsprechend diesem Modell geeinigt und berufen sich auf bereits bestehende Gesetze.
Wenn es rund um ein Fussballspiel zu Ausschreitungen kommt, sitzen Mitglieder der KKJPD und andere Vertreter der Sicherheitsbehörden – so auch der Luzerner Polizeikommandant Adi Achermann – im Rahmen der sogenannten AG Bewilligungsbehörden zusammen und entscheiden, basierend auf der Schwere der Straftaten, wie auf diese reagiert werden soll.
Die konkrete Umsetzung der Massnahmen obliegt den Bewilligungsbehörden der einzelnen Kantone. Im Kanton Luzern ist dies die Luzerner Polizei (zentralplus berichtete). Die Details der Kollektivstrafen sind zwischen den Behörden und den Adressaten der Strafen zu besprechen.
Nicht nur die Luzerner Mitte will personalisierte Tickets
Auf Platz eins der Wunschliste steht bei der Mitte aber ohnehin die Einführung personalisierter Tickets. Sie sollen den «Chaoten» deren Anonymität nehmen. Die Wirksamkeit personalisierter Tickets haben wir bereits in früheren Berichten kritisch beleuchtet (zentralplus berichtete).
Ebenfalls bereits abgehandelt haben wir, dass nicht nur die Luzerner Mitte, sondern auch Mitglieder der KKJPD personalisierte Tickets einführen wollen. Juristinnen prüfen darum eine Anpassung der gesetzlichen Grundlage, des sogenannten Hooligan-Konkordats (zentralplus berichtete).
Die personalisierten Tickets könnten also sowohl über die Luzerner Fangewalt-Initiative als auch über die Verschärfung des interkantonalen Hooligan-Konkordats eingeführt werden. Dafür müssten die Politik und letztlich wohl auch das Volk die Gesetzesänderungen durchwinken.
Das ist der Zeitplan der KKJPD
Florian Düblin, Generalsekretär der KKJPD, verrät, wie lange sich Verfechter personalisierter Tickets bis zu einer allfälligen Einführung auf interkantonaler Ebene gedulden müssten. Auf die nächste Saison hin sei eine Einführung unrealistisch, auf die übernächste Saison hin ambitioniert, sagt er auf Anfrage von zentralplus. Gut möglich also, dass die personalisierten Tickets wenn dann erst im Sommer 2027 oder später kommen.
Und das hat seine Gründe: zu prüfen sind nicht nur juristische Fragen auf interkantonaler, sondern auch auf nationaler Ebene. Einen konkreten Zeitplan gibt es darum noch nicht.
Abgesehen davon sei die Einführung personalisierter Tickets weder definitiv beschlossen noch konkret geplant, ist Düblin bemüht zu betonen. Würden andere Massnahmen wie das Kaskadenmodell zu einem Rückgang der Gewalt rund um Fussballspiele führen, würde die KKJPD auf die Einführung verzichten. Bleibe hingegen alles beim Status quo, werde die KKJPD «alles daransetzen», die Gesetzesanpassung durchzubringen.
Das ist der Zeitplan des Kanton Luzern
Auch in Luzern dürfte es noch ein Weilchen dauern, bis personalisierte Tickets eingeführt werden könnten. Mit ein paar Tagen Verspätung wird der Regierungsrat am nächsten Dienstag zur Fangewalt-Initiative Stellung nehmen. Danach liegt der Ball beim Kantonsrat.
Letztlich dürfte aber das Volk entscheiden. Denn es ist mit dem Widerstand der linken Parteien und der GLP zu rechnen. Zudem ist unklar, ob die FDP und die SVP die Mitte unterstützen oder auch sie sich gegen die Initiative stellen werden (zentralplus berichtete). Die Mitte fühlte sich denn auch «nicht ernst genommen», wenn sie im Kantonsrat für ein repressiveres Vorgehen gegen Fussballfans votierte, wie die Partei auf ihrer Website schreibt.
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Bis es zu einer allfälligen Volksabstimmung kommt, dürfte es aber noch mindestens eineinhalb Jahre dauern. Vor 2027 ist wohl nicht mit dem Inkrafttreten des angepassten Gesetzes zu rechnen.
Rechtsanwalt erklärt, was im Gesetz alles geregelt sein müsste
Doch ist die Einführung personalisierter Tickets auf kantonaler Ebene überhaupt möglich? Gemäss Patrice Zumsteg, Dozent an der ZHAW und Rechtsanwalt, lässt das Hooligan-Konkordat grundsätzlich zu, dass die Kantone die Regeln verschärfen.
Ein Luzerner Gesetz müsste diverse datenschutzrechtliche Fragen beantworten. Etwa, welche Daten von wem gespeichert werden. Oder wie lange sie aufbewahrt und für welche Zwecke sie genutzt werden dürfen. Zumsteg sagt: «Der Umgang mit Daten ist heikel, und Behörden müssen sorgfältig vorgehen.»
Wieso der EVZ personalisierte Tickets hat, der FCL aber nicht
Beim EVZ gehören personalisierte Tickets längst zum Matchtag in der Bossard-Arena dazu. Obschon es dort keine Gesetzesänderung gab. Das liege daran, dass der EVZ die sogenannten ID-Scans als privater Veranstalter in den AGB regle, wie Zumsteg erklärte (zentralplus berichtete).
So funktionieren die ID-Scans in der Bossard-Arena
Alle Gästefans – und gemäss EVZ-Pressesprecherin Jannine Kamm stichprobenartig auch Zuger Fans – werden beim Einlass in die Bossard-Arena fotografiert. Auch von ihren IDs werden Fotos gemacht und so ihre Personendaten erfasst und gespeichert. Dieses Prozedere verantwortet der EVZ. Bei Verdachtsfällen kann die Zuger Polizei die Personaldaten mit der Datenbank Hoogan abgleichen. Dort sind Schweizer Sportfans erfasst, die Stadionverbot haben (zentralplus berichtete).
Der EVZ versichert, dass die Daten «in der Regel» gelöscht würden, wenn klar werde, dass es rund um das betreffende EVZ-Heimspiel zu «keinen nennenswerten Ereignissen» gekommen sei. Begehen Eishockeyfans hingegen Straftaten, hat die Zuger Polizei die Möglichkeit, die Daten und Aufnahmen zur Strafverfolgung zu nutzen. Der EVZ betont, sich an die einschlägigen Gesetzesbestimmungen zu halten.
Unklar bleibe, ob die Zuger Polizei dem EVZ die ID-Scans vorschreibe, wie dies Insider gegenüber zentralplus behaupteten. Ein solches Vorgehen wäre gemäss Zumsteg unzulässig. Die Zuger Polizei stritt die Vorwürfe ab, der EVZ schwieg.
In Luzern ist ein solches Szenario derzeit nicht denkbar. Denn der FCL hat sich mehrfach gegen personalisierte Tickets ausgesprochen und wird diese darum nicht freiwillig einführen (zentralplus berichtete).
Luzerner Regierung dürfte gegen Fangewalt-Initiative sein
Käme die Fangewalt-Initiative durch, könnte die Luzerner Polizei dem FCL personalisierte Tickets aber vorschreiben. Gleiches gilt, wenn die KKJPD eine Verschärfung des Hooligan-Konkordats durchbringt.
Die zweite Variante wäre der Luzerner Regierung wohl lieber. Ein kantonaler Alleingang würde bei Sicherheitsdirektorin Ylfete Fanajs Kolleginnen in der KKJPD wohl nicht gut ankommen. Sie stehen demonstrativ geschlossen hinter dem Kaskadenmodell, seit sie dieses vor zwei Jahren mitten in der Saison eingeführt haben. Obschon die Kritik daran zunimmt.
- Telefonat mit Patrice Zumsteg, Dozent an der ZHAW und Rechtsanwalt
- Schriftlicher Austausch mit Florian Düblin, Generalsekretär der KKJPD
- Schriftlicher Austausch mit Aurel Jörg, Kommunikationsverantwortlicher beim Luzerner Justiz- und Sicherheitsdepartement
- Website der Mitte Luzern