Josef Bieri, so persönlich wie noch nie

Vom einfachen Bauernsohn zum schwerreichen FCL-Investor

Josef Bieri im Stadion seines Herzensvereins, des FC Luzern. (Bild: jdi)

Josef Bieri hat vor drei Monaten im FCL das Präsidium ad interim übernommen. Seine Liebe zum Fussballclub reicht aber bis in die Kindheit zurück. Dazwischen erwirtschaftete der bald 68-Jährige ein Vermögen.

Bernhard Alpstaeg bezeichnete sich gern als Patron des FC Luzern. Der Titel gefiel ihm, das Rampenlicht auch. Doch spätestens seit er den Aktionärsstreit zum Eskalieren brachte und kurz vor der Absetzung des ihm unliebsam gewordenen Verwaltungsrats in extremis faktisch entmachtet wurde, steht ihm der Titel nicht mehr zu.

Der neue starke Mann im FCL heisst Josef Bieri. Anders als Alpstaeg will Bieri nichts wissen von der Rolle des FCL-Patrons. «Ich bin nur eines von vielen Rädchen im System», betont er im Verlauf des über zweistündigen Gesprächs mit zentralplus immer wieder.

Weiterlesen, sonst verpasst du:

  • wie FCL-Patron Josef Bieri zu Geld kam – und zu wie viel
  • was der bald 68-Jährige den Fans seiner wohl flammendsten Rede zuschrie
  • wann es im Aktionärsstreit zum nächsten grossen «Chlapf» kommen dürfte

Eigentlich käme jetzt eine Paywall. Denn lange Recherchen wie diese kosten Geld. Heute aber lassen wir die Schranke ausnahmsweise weg. Wenn dir der Artikel gefällt, versuche es doch mit einem Probeabo.

«Ich weiss, wie es im Saustall riecht»

Als Josef Bieri in Schenkon aufwuchs, konnte niemand ahnen, dass er dereinst – schwerreich und in der Innerschweiz weit vernetzt – zum mächtigsten Mann im FCL werden würde. Es sei ein einfaches Leben gewesen, das er als Bauernsohn geführt habe, sagt er.

Nach der Schule musste er auf dem Hof mit anpacken. «Ich weiss, wie es im Saustall riecht, und habe Kühe gemolken», erinnert er sich. «Vieles war ein Müssen, aber Traktor fuhr ich gern.»

Den Hof wollte er nie übernehmen. «Doch ich weiss, wo ich herkomme.» Daher rühre auch der Respekt, den er seinem Gegenüber aus Prinzip stets entgegenbringe – unabhängig davon, wer vor ihm stehe. Es gebe keinen Grund, sich für etwas Besseres zu halten, nur weil man etwas Geld oder Einfluss habe, ist Bieri überzeugt.

Mit dem Töffli von Schenkon auf die Allmend

Nachdem er als 14-Jähriger mit Sackgeld sein erstes Zweitakt-Töffli erworben hatte, bretterte er mit seinen Freunden aus der Nachbarschaft ins Stadion auf der Luzerner Allmend. Dort zog ihn der FC Luzern immer stärker in den Bann.

Bieri erzählt von einem Heimspiel, das er Ende der 70er mit seiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau Luzia besuchte. Nicht nur an den FCL-Torschützen Hans-Peter Kaufmann erinnert er sich, sondern auch daran, dass der Matchball damals vom Samichlaus mit dem Helikopter ins Stadion geflogen wurde. Fast 20’000 Fans wohnten dem Spektakel bei.

Die 2011 eröffnete Swissporarena fasst nur noch rund 15’500 Zuschauerinnen. Beim letzten Heimspiel gegen den FC Basel war sie zum zweiten Mal in dieser Saison ausverkauft. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Noch immer verstehe er wenig vom Fussball, sagt Bieri. Obwohl er selbst als Junior beim FC Sursee kickte.

Vom Bauernhof ins World Trade Center

Die Aussage ist bezeichnend. Aus dem Umfeld des FCL heisst es, Josef Bieri sei bescheiden, bodenständig, demütig. Einer, der das Rampenlicht nicht suche, wie andere in seiner Position es vielleicht tun würden. Darum weiss auch kaum jemand, wie Bieri zu Geld kam. Und zu wie viel.

Der Schenkoner machte bei der Luzerner Kantonalbank in Sursee eine KV-Lehre, bevor er zum Schweizerischen Bankverein, einem Vorgänger der heutigen UBS, wechselte. Dort stieg er immer höher auf – und kam dabei ordentlich herum. Von Sursee nach Luzern, zur Aufbesserung seines Französischs nach Lausanne, später nach England, und schliesslich ins New Yorker World Trade Center führte ihn sein Job bei der Bank.

«Ich wurde gefordert, gefördert und befördert», sagt Bieri. Wegen Zerwürfnissen mit dem inzwischen verstorbenen Marcel Ospel kündigte Bieri «im besten Alter», mit 40. Ospel wurde kurz darauf Chef der UBS.

So wurde Josef Bieri reich

Bieri hingegen stieg 1997 als einer der ersten Partner überhaupt mit gut einer Million bei der Partners Group ein. Damals war die Zuger Private-Equity-Firma noch ein Start-up.

«Acht Jahre lang musste ich Kreide fressen», sagt Bieri rückblickend auf die Zeit, während der er den Kredit für das Investment abzahlen musste. Seine Frau habe ihn dennoch bedingungslos unterstützt – obschon sie beide auch mal auf Ferien verzichten, den Gürtel enger schnallen mussten.

«No pain, no gain», sagt Bieri lächelnd. Das Risiko hat sich ausgezahlt. Die Partners Group ist längst über 100 Milliarden schwer. Bieris Vermögen wird von Insidern im dreistelligen Millionenbereich verortet.

«Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hatte viel Glück», so Bieris Analyse seines Lebens.

«Eigentlich wollte ich gar nicht Aktionär werden»

Vor seinem Einstieg als Aktionär analysierte Josef Bieri auch den FCL – und zwar gründlich. Grossaktionär Marco Sieber habe ihn ins Aktionariat holen wollen. Ihm gehörten zeitweise zehn Prozent des FCL (zentralplus berichtete). «Er hat mich bearbeitet wie ein Wadenbeisser», sagt Bieri, «denn eigentlich wollte ich gar nicht Aktionär werden.»

Irgendwann habe es ihm dennoch den «Ärmel reingezogen». Er habe mit dem damaligen Sportchef Alex Frei, Nachwuchschef Andy Egli und allen Aktionären gesprochen. Überzeugt habe ihn letztlich das «riesige Potenzial» der Juniorenabteilung.

Die im FCL ausgebildeten Fussballer sorgen seit ein paar Jahren regelmässig für Millionentransfers. Derzeit spielt sich mit Bung Meng Freimann das nächste Talent ins Rampenlicht. (Bild: zvg)

2014 stieg Bieri mit zehn Prozent ein. Zwischenzeitlich gehörte ihm – je nach juristischer Auslegung – gar die Aktienmehrheit. Doch vor zwei Jahren hat Bieri rund 30 Prozent seiner Anteile an alte und neue Investoren verkauft. Er hält darum derzeit nur noch rund 17 Prozent der FCL-Aktien (zentralplus berichtete).

Bald sollen neue Aktionäre einsteigen

Dass Josef Bieri neue Aktionäre für seine Vision begeistern konnte, ist alles andere als selbstverständlich. Denn als sie einstiegen, war der Aktionärsstreit mit Bernhard Alpstaeg bereits eskaliert. Dennoch schaffte es Bieri, das Vertrauen der Innerschweizer Investoren zu gewinnen und sie davon zu überzeugen, ihr Geld zur solidarischen Deckung des millionenschweren strukturellen Defizits zur Verfügung zu stellen.

Noch dieses Jahr sollten neue Aktionärinnen dazustossen und dazu beitragen, dass der FCL noch breiter verankert sei und unabhängig bleibe, sagt Bieri.

Dass ihm die Unabhängigkeit des Clubs wichtig ist, stellte er bei seiner wohl flammendsten Rede überhaupt klar. Er hielt sie auf der Luzerner Allmend nach dem Cupsieg 2021 vor 10’000 FCL-Fans – und unfreiwillig.

Kriminalgericht steht kurz vor einem wegweisenden Entscheid

Der damalige Captain Christian Schwegler und die umstehenden Spieler und Funktionäre hätten ihn dazu gedrängt, ein paar Worte an die versammelte Anhängerschaft zu richten. Ohne Vorbereitung (und mutmasslich mit dem einen oder anderen Gläschen Alkohol intus) schrie Bieri ins Mikrofon: «Wir wollen keine Russen, keine Chinesen und keine Amerikaner – der FCL bleibt in Innerschweizer Händen!» Die ohnehin schon ekstatische Menge tobte.

2021 schrieb der FCL Geschichte und gewann zum zweiten Mal den Schweizer Cup. Vor den Messehallen stieg die grosse Party nach dem Sieg.

Ähnlich würden die Fans wohl reagieren, wenn Bieri den immer noch schwelenden Aktionärsstreit dereinst für gewonnen erklären könnte. In den nächsten Monaten erwartet er ein erstes Urteil des Kriminalgerichts Luzern. Die Richter müssen entscheiden, ob bei der Übertragung der Aktien des Ex-FCL-Präsidenten Walter Stierli auf Bernhard Alpstaeg alles mit rechten Dingen zuging (zentralplus berichtete).

So gut kommt Josef Bieri mit dem Aktionärsstreit klar

Die Streitereien zwischen Bernhard Alpstaeg und dem FCL-Verwaltungsrat haben alle Beteiligten nicht nur viel Geld, sondern auch viel Energie gekostet. Der ehemalige FCL-Präsident Stefan Wolf ist während seiner Amtszeit sichtlich gealtert. Und auch an Josef Bieri, der sich als ehemaliger Banker ein raues Betriebsklima gewohnt ist, hinterliess der Aktionärsstreit Spuren. «Ich bin auch nur ein Mensch», sagt Bieri, «und sicher kein harter Hund.»

Bernhard Alpstaeg wollte sich auf Anfrage nicht zu Bieris Arbeit beim FCL äussern. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Geholfen habe ihm der Rückhalt seiner Famile, insbesondere seiner Frau, der drei Söhne und der drei Enkel, mit denen er jüngst an der Fasnacht war. Geholfen habe ihm aber auch der Rückhalt der Fanbewegung «Zäme meh als 52 Prozänt», die sich mit fast 20’000 Unterschriften aus der ganzen Innerschweiz demonstrativ hinter Bieri, Wolf und Co. stellte. «Die Fans haben verstanden, dass der Club nicht von einer einzigen Person abhängig sein darf», sagt Bieri, «und eilten dem FCL – wie ein Phönix aus der Asche – zur Hilfe.»

Die Metapher mag vielleicht etwas gar pathetisch rüberkommen. Doch gilt es zu bedenken, dass Bernhard Alpstaeg im Herbst 2022 kurz davor stand, Sportchef Remo Meyer, Präsident Stefan Wolf und schliesslich den gesamten FCL-Verwaltungsrat rauszuwerfen. Für den beherzten Widerstand sei Bieri und dem Verwaltungsrat ein Denkmal zu setzen, sagt einer der FCL-Aktionäre gegenüber zentralplus.

«Niemand steht über dem FCL»

Inzwischen sei er zu tief drin, um seinen Herzensverein im Aktionärsstreit hängen zu lassen, sagt Bieri. Aus seinem anfänglich stillen Engagement wuchs er in seine heute tragende Rolle hinein. Dabei sträubte er sich anfänglich gegen den Einstieg ins Aktionariat, weil er sich nicht öffentlich exponieren wollte. Doch der Unwille, den FCL in diesen turbulenten Zeiten dem Schicksal zu überlassen, habe ihn quasi dazu gezwungen, Verantwortung zu übernehmen.

Nach dem Rücktritt Stefan Wolfs übernahm Josef Bieri vor drei Monaten als Präsident ad interim (zentralplus berichtete).

Ex-FCL-Präsident Stefan Wolf war bei seinem Abschied von den Fans sichtlich bewegt. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

Hört man sich im Umfeld des FCL um, wird schnell klar, wie beliebt Bieri ist. Die Aktionäre, mit denen zentralplus spricht, loben ihn in den höchsten Tönen. Seine Bescheidenheit sei keineswegs vorgegaukelt, sondern echt, sagt der eine. Für einen anderen ist unbestritten, dass Bieri sein mantraartig wiederholtes Credo, «niemand steht über dem FCL», tatsächlich lebe. Bei jeder Zusammenkunft der Aktionäre rezitiere er diese Worte.

Entsprechend zurückhaltend kommuniziert denn auch das Aktionariat. Für «Polteris» und Selbstdarsteller scheint kein Platz mehr zu sein.

Warum Josef Bieri als Präsident funktioniert

Auch bei den Fans kommt Bieri mit seiner bodenständigen Art gut an. Andreas Grüter, Präsident der FCL-Basis, bezeichnet ihn und Wolf seitens FCL als treibende Kräfte hinter der Gründung des Vereins, der den Fans mehr Mitsprache garantiert (zentralplus berichtete). Grüter spricht Bieri zudem präsidiale Qualitäten zu. «Er ist, wie Wolf, ein super Aussenminister», sagt er und begründet dies mit Bieris gewinnender Art. Er hole alle ab – von den Sponsoren in der Loge über die Kinder im Familiensektor bis zu den Fans aus der Kurve.

Auch FCL-Grosi Ursula Hug kommt ins Schwärmen, wenn sie über Bieri spricht. Sein Engagement sei enorm, sagt sie. «Gott sei Dank haben wir ihn!»

Alle zwei Wochen winkt FCL-Grosi Ursula Hug den vorbeimarschierenden Fans vom Balkon her zu – und fühlt sich dabei wie die Queen. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

Ein langjähriger Anhänger beschreibt Bieri als blau-weiss-verrückt – im positiven Sinne. Der FCL habe ein unfassbares Glück, diesen «Premium-Fan» in den eigenen Reihen zu wissen. Auch, weil er den Verein und die Menschen lebe.

Was er damit meint, wird klar, als Bieri von seinen Auswärtsfahrten mit dem Extrazug erzählt. Er steige im hintersten Wagen ein und marschiere während der Fahrt einmal durch den ganzen Zug hindurch. Unterwegs plaudere er mit den Fans. «Das ist hochinteressant, denn im Extrazug sitzt ein Spiegelbild der Gesellschaft», erklärt Bieri.

So will sich der FCL gesund sparen

Ein weiterer FCL-Fan nennt Bieri einen «liebä Cheib». Manchmal sei er vielleicht fast etwas zu lieb. Obschon Bieri dies gar nicht erst abstreitet, griff er vergangenen Herbst zusammen mit dem Verwaltungsrat rigoros durch. Nach umfassenden Sparmassnahmen seien die Ausgaben der laufenden Saison um rund 2,7 Millionen Franken reduziert worden.

Weitere Einsparungen werden gemäss Bieri folgen, weil der Club seit Jahren Verluste im Millionenbereich schreibt. Dieses strukturelle Defizit soll weg, der FCL ab übernächster Saison schwarze Zahlen schreiben.

Der Sparkurs hatte unschöne Personalentscheide zur Folge. Langjährige und verdienstvolle Mitarbeiter mussten den FCL verlassen. Von der sechsköpfigen Geschäftsleitung blieb einzig Sportchef Remo Meyer übrig. Simon Laager ersetzte Stefan Wolf als CEO (zentralpuls berichtete).

«Fast zu lieb» – aber eben auch ein Unternehmer

Bieri wird nachdenklich, als zentralplus ihn auf die freiwilligen und unfreiwilligen Abgänge im vergangenen Herbst anspricht. «Ich hatte enormen Respekt vor den Mitarbeitergesprächen und schlief während dieser Zeit definitiv nicht gut», sagt er. Die Entscheide seien ihm schwergefallen – aber letztlich nötig gewesen.

«Wir wurden uns in den entscheidenden Punkten nicht einig», erklärt Bieri mit Blick auf die Mitarbeitergespräche. Die harten Entscheide habe der Verwaltungsrat zum Wohle des Fussballclubs fällen müssen.

Josef Bieri kündet seinen Abschied an

Zurück in der Gegenwart sagt Bieri: «Auch ich habe ein Ablaufdatum.» Er werde bald 68, wolle im FCL in «absehbarer Zeit» kürzertreten. Präsident bleiben wollte er ohnehin nie. Darum arbeitet er derzeit mit dem Verwaltungsrat eine inzwischen auf etwa zehn Personen geschrumpfte «Shortlist» mit möglichen Nachfolgern – aber auch Nachfolgerinnen – ab.

Wer am Schluss übrig bleiben und Bieris Amt übernehmen wird, soll noch in diesem Jahr bekannt werden.

Einen Teil seiner Verantwortung wird Josef Bieri dann abgeben können. Doch seinen endgültigen Abschied knüpft er – wie könnte es anders sein – nicht etwa an seine persönlichen Befindlichkeiten. Stattdessen sagt Bieri ein letztes Mal: «Das Wohl des Clubs steht über allem und allen.» Darum werde er gehen, sobald der FCL die bestmögliche Nachfolgelösung fürs Präsidium gefunden habe.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Treffen mit Josef Bieri, FCL-Präsident ad interim
  • Telefonat mit Andreas Grüter, Präsident der FCL-Basis
  • Telefonate mit FCL-Aktionären
  • Schriftlicher Austausch mit FCL-Fans
  • Schriftlicher Austausch mit Ursula Hug, FCL-Grosi
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