So protestieren St. Galler Fans in Luzern gegen Gummischrot
FCSG-Fans präsentieren im Gästesektor der Swissporarena Spruchbänder. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)
Fans des FC St. Gallen fordern beim Auswärtsspiel in Luzern ein Verbot des umstrittenen polizeilichen Zwangsmittels Gummischrot. Dabei erheben sie neue Vorwürfe gegen die Luzerner Polizei.
Am Sonntagnachmittag sind im Gästesektor der Swissporarena auf Spruchbändern Daten aufgelistet, an denen Fussballspiele stattfanden. Vier davon in Luzern, eines in Basel. Rund um diese Fussballspiele kam es zu Ausschreitungen – und gemäss der St. Galler Kurve, dem Espenblock, zu schweren Augenverletzungen durch Gummischrot bei teilweise unbeteiligten Fans.
Auf einem schwarzen Spruchband fordert der Espenblock darum die Abschaffung des polizeilichen Zwangsmittels. Doch damit nicht genug.
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Die St. Galler tragen Schutzbrillen und werfen vor dem Anpfiff Süssigkeiten in Form von Augen aufs Spielfeld. Gemäss FCL-Pressesprecher Dennis Linsi ohne Einfluss auf den Spielbetrieb. Die Augen werden offenbar vom Schiedsrichter übersehen und erst zur Pause weggeräumt.
Von vielen Stadtluzernerinnen bemerkt wird hingegen der zweiseitige Flyer, den die St. Galler auf dem Fanmarsch Richtung Luzerner Allmend in etlichen Briefkästen deponieren. Darauf zu finden sind auch die auf den Spruchbändern gezeigten fünf Daten, die exemplarisch für den mit Risiken behafteten Einsatz von Gummischrot stehen – und ein Argumentarium gegen das Zwangsmittel.
FCSG-Fans erheben neue Vorwürfe
zentralplus hat die Daten der Fussballspiele mit dem eigenen Archiv abgeglichen. Drei der Daten finden sich in einer Chronologie wieder, die durch Gummischrot der Luzerner Polizei verursachte Augenverletzungen dokumentiert (zentralplus berichtete). Negativer Höhepunkt: Nach dem FCL-Match gegen den Stockholmer Fussballclub Djurgårdens IF, im Spätsommer 2023, verletzte sich der unbeteiligte Luzerner David Z.* so schwer, dass er auf dem linken Auge erblindete (zentralplus berichtete).
Auch beim Basler Vorfall vom April 2016 erblindete ein unbeteiligter FCB-Fan, wie «SRF News» ein Jahr später den Akten der Staatsanwaltschaft entnahm. Was am 8. Mai 2013 in Luzern rund um den FCL-Match gegen den FCSG passierte, ist hingegen unklar.
Polizei hat keine Kenntnis von weiteren Augenverletzungen
Die Luzerner Polizei berichtete in ihrer Medienmitteilung tags darauf, dass es zu Ausschreitungen und infolgedessen zum Einsatz von Gummischrot und eines Wasserwerfers gegen die St. Galler Fans gekommen sei. Verletzte gab es keine, hielt die Polizei damals fest.
Dem widersprechen die St. Galler Fans nun. Wie dem am Sonntag verteilten Flugblatt zu entnehmen ist, habe der Einsatz von Gummischrot vom 8. Mai 2013 zu Augenverletzungen geführt.
Von allfälligen Augenverletzungen hat die Luzerner Polizei aber nach wie vor keine Kenntnis, wie sie auf Anfrage mitteilt. Pressesprecher Yanik Probst erklärt zudem: «Mit den vorliegenden Informationen können wir nach zwölf Jahren nicht herausfinden, ob sich nachträglich jemand bei der Polizei gemeldet hat.»
Darum ist Gummischrot auch für Unbeteiligte gefährlich
Warum der Einsatz von Gummischrot auch für Unbeteiligte Risiken birgt, erklärte der Luzerner Jurist Tim Willmann zentralplus im Spätsommer 2023 in einem ausführlichen Interview, als bekannt wurde, dass David Z.* einseitig erblindet war. Willmann geht nicht davon aus, dass die Luzerner Polizei bald auf Gummischrot verzichten wird (zentralplus berichtete).
Weniger ausführlich äusserte sich die Luzerner Polizei zum Zwangsmittel Gummischrot. Stattdessen sprang die Politik in die Bresche. Die SP und die Grünen sprachen sich für eine Aufarbeitung der Vorfälle und die Prüfung eines Verbots aus. Die Bürgerlichen stärkten der Polizei hingegen den Rücken (zentralplus berichtete).
Hinweis: In einer ersten Version des Artikels stand, dass der Vorfall vom Mai 2013 «bislang unbekannt» gewesen sei. Unbekannt war aber einzig, dass es gemäss den St. Galler Fans beim Einsatz von Gummischrot durch die Luzerner Polizei zu Verletzungen gekommen sein soll.
Einst Moderator und Redaktor beim Radio 3FACH und bei Jam On Radio, schreibt Joel Dittli seit 2023 bei zentralplus. Um auch den künftigen Herausforderungen im Medienalltag gewachsen zu sein, absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern. Als Reggae-Musiker und FCL-Fan ist er am Wochenende oft in Kulturlokalen oder Fussballstadien anzutreffen.
Glückwunsch dem Espenblock! OK, Plastikmüll, und grundsätzlich schmeisst man nicht mit Augen um sich… aber besser als Pyros. Kreativ, friedlich und ein echter Diskussionsbeitrag. Wie man diese Verletzungen erfasst, ist eine offene Frage, die mich als Augenärztin und Mutter seit Jahren umtreibt. Mindestens die von 2020 ist mir neu. Nur ist das bisher Hörensagen. Die wissenschaftliche Aufarbeitung ist ein Ziel, das mir hoffentlich bald mehrheitsfähig scheint. Hauptsächlich geht es um die Augen. Andere vergleichbar schwere Verletzungen wären mir neu; Nasenbeinbrüche verheilen. Wir Augenärzte können nur Umfragen unter Augenkliniken und Kollegen machen. Fänden wir diese Verletzten so? Wenn nein, wie dann?
Mame, 04.02.2025, 05:18 Uhr
Weg mit den gewalttätigen Fans – egal auf welcher Seite. Wer bezahlt diese Polizeieinsätze? Der Steuerzahler?
Mame, 04.02.2025, 05:14 Uhr
Besser wäre doch, wenn die Polizei schon gar nicht ausrücken müsste. Verbietet endlich diese Spiele, wir haben alle genug von diesen gewalttäigen Fans, welche unbeteiligte Personen in Gefahr bringen, grosse Sachschäden verursachen und den Steuerzahler jedes mal hunderttausende Franken kosten.