Diesen fussballverrückten FCL-Funktionär musst du kennen
Lorenzo Bucchi ist gemäss der Boulevardpresse der «emotionalste Goalietrainer der Schweiz». (Bild: jdi)
Einst wurde FCL-Goalietrainer Lorenzo Bucchi auf die Tribüne verbannt, weil er seine Emotionen auf der Bank zu wenig unter Kontrolle hatte. Das seien keine schönen Zeiten gewesen, sagt der 41-Jährige heute gegenüber zentralplus.
Als ich ihn frage, ob er irgendwann den Schritt vom Goalitrainer zum Cheftrainer machen möchte, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. «Nie im Leben», sagt Lorenzo Bucchi. Ihm tue es schon leid, wenn er einem Goalie mitteilen müsse, dass er am Wochenende nicht spielen werde. Als Cheftrainer müsse man noch viel mehr unangenehme Entscheide fällen.
Wahrscheinlich würde ihm seine Ehrlichkeit zum Verhängnis, sagt Bucchi. Und sein Temperament, das er noch immer nicht komplett unter Kontrolle hat, wie er selbst sagt.
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Lorenzo Bucchi gibts auch in ruhig und geerdet
Lorenzo Bucchi sitzt auf dem Sofa in einer Loge der Swissporarena und trinkt Mate. Dabei wirkt er so ruhig und geerdet, wie es wohl nur wenige FCL-Fans vermuten würden. Bei ihnen ist Bucchi für seine Emotionalität bekannt, als einer, der für Blau-weiss brennt und auch mal etwas lauter werden kann. Dafür lieben sie ihn.
Doch davon bekommt man im Gespräch mit dem Goalietrainer kaum was mit. Auch nicht, als er mit fast schon unverschämter Kritik konfrontiert wird.
Wer austeilt, muss auch einstecken können
Ich spreche den Italiener auf seine bisweilen unkonventionelle Wortwahl und die nicht immer ganz korrekten Satzstellungen an. Damit zieht man ihn im FCL offenbar gerne auf. Bucchis Deutsch sei manchmal etwas «wild», sagt etwa Sportchef Remo Meyer.
Eine Tatsache, die Bucchi gar nicht erst abstreitet. Seine Karriere lancierte er als Goalie in Italien und bei der AC Bellinzona. Aber auch bei GC Zürich habe er so gut wie nie Deutsch sprechen müssen, sagt Bucchi.
Erst als er vor zwölf Jahren – als Nummer zwei hinter David Zibung – zum FCL stiess und nach Luzern zog, besuchte er Deutschkurse. Doch als Bucchi feststellte, dass er von allen verstanden wurde und auch selbst alle verstand, wurde er etwas nachlässig. Inzwischen nimmt er wieder Deutschkurse online.
Ich solle in fünf Jahren wieder vorbeikommen, sagt Bucchi schmunzelnd. Bis dann werde er sein Deutsch perfektionieren.
Bereits vor zehn Jahren hat er einen Bachelor in Politikwissenschaften und internationalen Beziehungen erfolgreich abgeschlossen.
Lorenzo Bucchi ist ein Perfektionist, aber auch ein Chaot
Als Italiener provoziere er gerne, sagt Bucchi. Gleichzeitig komme er problemlos mit Provokationen klar. Das gelte auch für Kritik – wenn sie konstruktiv sei. Sich selbst bezeichnet er als äusserst selbstkritisch.
Das muss er sein, denn beim Rumfragen verliert kaum jemand ein schlechtes Wort über ihn. So beschreibt Vaso Vasic, die Nummer zwei im FCL-Tor, Bucchi liebevoll als «Workaholic», der sich für nichts zu schade sei. Ex-FCL-Präsident Stefan Wolf nennt ihn einen «extrem akribischen» Goalietrainer.
«Ich bin ein Perfektionist – aber auch ein Chaot», sagt Bucchi über sich selbst.
Viel Liebe für Rot-gelb, keine Liebe für Hellblau
Noch wichtiger sind Bucchi aber seine Ehrlichkeit und Loyalität. Nach drei Jahren beim FC Luzern wechselte er für eine Saison zum FC Aarau, bevor er seine Profikarriere beendete. Dann sammelte er beim FCA während eines Jahres erste Erfahrungen als Goalietrainer.
Seiner innigen Beziehung zu Blau-weiss habe diese kurze Pause aber nicht geschadet. Inzwischen sei er nicht nur privat glücklich verheiratet, sondern auch beruflich – mit dem FCL.
Dabei musste er sich anfänglich an die Farben Luzerns gewöhnen. Als Kind wurde er leidenschaftlicher Fan der rot-gelben AS Roma – und entwickelte gleichzeitig eine Abneigung gegen den Stadtrivalen Lazio, dessen Fussballer traditionell in hellblauen Trikots auflaufen.
Immerhin tragen Bucchis Söhne, wenn sie für den FC Horw kicken, Rot-gelb.
«Als Fan meiner Söhne sterbe ich innerlich»
Wer Lorenzo Bucchi mal beim FCL an der Seitenlinie beobachtet hat, dürfte im Wissen darum, dass seine beiden Söhne ebenfalls Fussball spielen, alarmiert sein. Ein fussballverrückter Vater mit viel Temperament – für jeden Juniorentrainer wohl der personifizierte Albtraum.
Doch Bucchi hält nichts von Eltern, die meinen, sie müssten ihre Kinder am Match lautstark coachen. «Als Fan meiner Söhne sterbe ich innerlich», sagt Bucchi, «aber ich halte meine Klappe und würde ihren Trainern nie reinreden.»
Mit fünf und neun Jahren seien sie ohnehin in einem Alter, in dem der Spass am Fussballspielen im Vordergrund stehen sollte. «Die Resultate sind hingegen völlig egal.»
Der Traum vom Wechsel zur AS Roma
Seine Söhne und seine Frau Raquel, eine Luzernerin mit spanischen Wurzeln, sprechen nicht nur fliessend Deutsch, sondern auch Italienisch. Darum wäre eine Rückkehr in Bucchis einstige Heimat zumindest sprachlich kein Problem. Und ein Wechsel zur AS Roma – das sei sein grosser Traum, sagt der Goalietrainer seit Jahren.
Doch es scheint, als sei er sich nicht mehr ganz so sicher, ob er ein allfälliges Angebot aus der italienischen Hauptstadt annehmen würde. Seiner Familie gefalle es in Luzern. Darum wolle er momentan nirgendwo hin. Mindestens zehn Jahre wolle er noch Goalietrainer bleiben und dann schauen, was das Leben für ihn bereithalte.
«Würde der Sportchef der AS Roma anrufen, würde ich mir sicherlich anhören, was er zu sagen hat», stellt Bucchi klar.
Der Traum hat vielleicht an Glanz verloren. Aber er scheint auch nicht gänzlich verblasst zu sein.
«Würde gerne mehr machen, aber ich darf nicht»
Momentan muss Lorenzo Bucchi ohnehin mit der Gegenwart klarkommen. Und die ist trist. Vor einem Monat riss er sich die Achillessehne. Trotz geglückter OP wird es noch ein paar Monate dauern, bis Bucchi das Training «seiner» FCL-Goalies wieder selbst leiten kann. Bis dann übernimmt Jeffrey Keiser von der U21.
Mit dem geduldigen Warten tut sich Bucchi schwer. «Ich würde gerne schon viel mehr machen, aber ich darf nicht», sagt er. Beim Training sei er zwar immer dabei – aber leider nur als Zuschauer. Dabei geniesse er nichts mehr als die Zeit auf dem Rasen. Weniger Spass habe er hingegen an den stundenlangen Videoanalysen und der Büroarbeit am Laptop.
Nebst den Trainings gehören auch die Spiele der ersten Mannschaft zu den Dingen, die er an seinem Job so liebt und als «Privileg» bezeichnet. An der Seitenlinie blüht der sonst so ruhige und besonnene Goalietrainer auf. Sein Temperament habe er bis heute nicht verloren, sagt er.
Warum Lorenzo Bucchi wirklich auf die Tribüne musste
Zeitweise wurde er darum von der Bank verbannt. Die Massnahme traf Ex-FCL-Trainer Thomas Häberli. Die offizielle Begründung: Bucchi solle das Spiel von der Tribüne aus analysieren.
«Es stimmt, dass man dort mehr vom Spiel mitbekommt», sagt Bucchi heute. «Auf der Bank siehst du fast nichts.» Aber auf die Tribüne verbannt worden sei er vor allem, weil er für Häberlis Geschmack zu hitzig und impulsiv gewesen sei.
Bucchis Temperament ist messbar. Seit nicht mehr nur Spieler und Trainer, sondern auch Mitglieder des Staff Karten kassieren können, gabs für Bucchi in sechs Jahren viermal Gelb und zweimal Rot – ein Spitzenwert.
«Alle paar Monate übertreibe ich es etwas mit den Emotionen», sagt der Goalietrainer. «Das ist wohl meine grösste Schwäche.»
«Gott sei dank hat mich Mario Frick zurückgeholt»
Auch als Thomas Häberli durch Fabio Cellestini ersetzt wurde, blieb Lorenzo Bucchi die Rückkehr auf die Bank verwehrt. FCL-Trainer Mario Frick hat ihn schliesslich erlöst. Bucchi sagt: «Gott sei dank hat er mich zurückgeholt.»
Frick tat dies explizit wegen der Emotionen des Goalitrainers. Ein Risiko sei Bucchi höchstens für sich selbst, witzelt der Cheftrainer heute – wegen möglicher Geldstrafen und disziplinarischer Massnahmen seitens der Liga.
Das findet auch Sportchef Remo Meyer. Er sagt: «Wenn der FCL spielt, ist Lorenzo Bucchi voll im Film.» Klar überborde er ab und zu. Ein paar Schiedsrichter der Super League hätten ihn darum auf dem Kieker. Doch meist habe sich Bucchi gut genug im Griff – und stecke Mannschaft und Staff mit seiner positiven Energie an.
Während die meisten FCL-Fans den Goalietrainer vor allem von seiner temperamentvollen Seite kennen, ist Vaso Vasic immer wieder von dieser überrascht. «Er ist der allerliebste Mensch, extrem empathisch», sagt Vasic. «Darum staunen wir manchmal über seine Heissblütigkeit an der Seitenlinie.»
Ein Herz für die Fussballjugend
Vaso Vasic ist derzeit die Nummer zwei in der Hierarchie der FCL-Goalies. Die Nummer eins ist der 21-jährige Pascal Loretz. Seit über fünf Jahren arbeitet er mit Lorenzo Bucchi zusammen. Dieser hat nicht nur die Goalies der ersten Mannschaft unter seiner Fittiche, sondern leitet auch im Nachwuchs Trainings.
Wie weit es Loretz bringen wird, wagt Bucchi nicht zu prognostizieren. Doch sagt er: «Das Schwierigste hat er bereits gelernt: Fokus, Ruhe, spielerische Intelligenz.» Das seien Dinge, die man nur schwer trainieren könne.
Entsprechend läufts rund beim jungen Goalie. Auch Nati-Trainer Murat Yakin hat ihn bereits aufgeboten (zentralplus berichtete). Es scheint eine Frage der Zeit zu sein, bis Loretz ins Ausland wechselt. Ein nächster Karriereschritt, der Bucchi mit Stolz erfüllen würde. Obschon er Loretz gerne noch zehn Jahre in Luzern behielte, weil er ihn so sehr möge.
Nur um irgendwo als Nummer zwei auf der Bank zu sitzen, müsse Loretz nicht wechseln, sagt Bucchi. Denn in diesem Alter sei für einen Goalie vor allem eines wichtig: Spielzeit.
Gegen Servette als Fan auf der Tribüne
Spielzeit wird Pascal Loretz auch am Ostermontag erhalten, wenn der FCL in Genf gegen Servette antritt. Nachdem man YB mit 5:0 weggeputzt habe, folge nun die Reifeprüfung, sagt Bucchi. «Wenn wir erneut so viel Überzeugung und Energie auf den Platz bringen, können wir auch gegen Servette gewinnen.»
Den Match muss der Goalietrainer wegen seiner Verletzung von der Tribüne aus verfolgen. Ruhig und besonnen wird er dennoch nicht dasitzen. Bucchi sagt: «Bei einer geilen Grätsche, einer Parade von Pasci oder wenn wir ein Tor schiessen, feier ich wie ein Fan – und nicht wie ein Trainer.» Und damit so wie damals als Jugendlicher, als er inmitten der Kurve der AS Roma stand.
Dort würde er wahrscheinlich auch heute noch stehen, wenn er nicht Fussballprofi geworden und in Luzern gelandet wäre. «Das ist die echteste Art, Fan zu sein», findet Bucchi. Auch wegen der Emotionen, die in der Kurve besonders intensiv ausgelebt werden.
Einst Moderator und Redaktor beim Radio 3FACH und bei Jam On Radio, schreibt Joel Dittli seit 2023 bei zentralplus. Um auch den künftigen Herausforderungen im Medienalltag gewachsen zu sein, absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern. Als Reggae-Musiker und FCL-Fan ist er am Wochenende oft in Kulturlokalen oder Fussballstadien anzutreffen.