Dieser Liberale attackiert die Mitte für Fangewalt-Ideen
Andreas Bärtschi lässt an den Initianten kein gutes Haar. (Bild: kok/zvg)
Die Fangewalt-Initiative der Mitte-Partei verstösst gegen Grundrechte, findet der Regierungsrat. Ihr Vorschlag sei unterkomplex, schiesst nun FDP-Vizepräsident Andreas Bärtschi.
Vor einem Jahr feierte die Luzerner Mitte noch die Lancierung der Fangewalt-Initiative. Doch der Regierungsrat versetzte der Euphorie der Initiantinnen am Dienstagmorgen einen Dämpfer. Ein Teil der Initiative verstosse gegen Grundrechte, der andere Teil sei schlicht nicht «zielführend», um das Problem der Fangewalt zu lösen. Dies erklärte Sicherheitsdirektorin Ylfete Fanaj gegenüber zentralplus.
Doch damit nicht genug. Die Mitte erhält von keiner anderen Partei Unterstützung für die Initiative. Stattdessen wird sie von der FDP nun mit schweren Vorwürfen eingedeckt. Der 33-jährige Vizepräsident der Liberalen, Andreas Bärtschi, attackiert.
Andreas Bärtschi: Das Thema Fangewalt beschäftigt nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die FDP. Gleichzeitig sagten wir im Kantonsrat schon, dass wir mit der Fangewalt-Initiative nichts anfangen können. Obschon dies nicht der populären Meinung am Stammtisch entspricht.
zentralplus: Warum können Sie mit der Initiative nichts anfangen?
Bärtschi: Die Initiative verspricht fälschlicherweise, mit einer Schwarz-Weiss-Lösung die Fangewalt zu stoppen. Das ist peinlich, populistisch und nichts anderes als Symbolpolitik.
wieso der FDP-Vizepräsident das Kaskadenmodell abschaffen will
was die anderen Parteien und der FCL von der Initiative der Mitte halten
zentralplus: Erklären Sie.
Bärtschi:Das Problem ist zu komplex, um es mit einer einfachen Lösung aus der Welt zu schaffen. Sonst hätten wir das längst getan – denn auch wir sind dezidiert gegen Fangewalt rund um die FCL-Heimspiele.
zentralplus: Was kritisieren Sie am Vorgehen der Mitte?
Bärtschi: Die Mitte macht auf mich den Eindruck, als hätte sie gar nicht erst versucht, die Komplexität des Themas zu erfassen. Ihr fehlt es schlicht am Willen, sich mit dem Thema vertieft auseinanderzusetzen. Stattdessen lanciert sie eine Initiative mit lauter Scheinlösungen, um ein Zeichen zu setzen.
zentralplus: Tun Sie der Mitte damit nicht etwas unrecht?
Bärtschi: Ich glaube nicht. Wir organisierten im Herbst 2023 ein Podium zur Fangewalt-Initiative. Dort sagte Initiant Adrian Nussbaum Dinge wie «Wir haben die Lösung auch nicht». Die Mitte hat sich meiner Meinung nach zu wenig mit der Komplexität des Themas auseinandergesetzt.
zentralplus: An den FCL-Heimspielen sind Sie regelmässig anzutreffen. Haben Sie dadurch einen besseren Einblick ins Thema als die Luzerner Mitte?
Bärtschi: Zur Kurve hab ich zwar keine Kontakte, aber ich kenne Luzerner Polizisten, welche die FCL-Fans bereits heute auf deren Auswärtsfahrten begleiten. Auch das ist eine Massnahme aus der Initiative, die längst umgesetzt wird.
zentralplus: Was stört Sie sonst noch an der Initiative?
Bärtschi: Der Weg, den die Mitte einschlagen will, führt nicht nur zu mehr Rechtsunsicherheit, weil kantonale und nationale Massnahmen in Konflikt kommen und Grundrechte verletzt werden.
zentralplus: Zu was denn noch?
Bärtschi: Wie man seit zwei Jahren beobachten kann, funktioniert das Kaskadenmodell, das ebenfalls ins Luzerner Gesetz rein soll, nicht. Kollektivstrafen wie die Sperrung von Sektoren scheiterten kläglich.
zentralplus: Können Sie ein Beispiel nennen?
Bärtschi: Das FCL-Heimspiel gegen Yverdon-Sport, wo die gesperrte Kurve sich einfach in einem anderen Sektor einfand – viel näher bei den Gästefans. Das Kaskadenmodell schafft mehr Unsicherheit als Sicherheit.
zentralplus: Auch personalisierte Tickets wollte die Mitte einführen.
Bärtschi: Auch die bringen nichts. Was nützts, wenn die Polizei weiss, wer im Stadion war, wenns danach am Bundesplatz knallt?
zentralplus: Wie müsste man das Thema denn angehen?
Bärtschi: Ich stehe hinter dem vor Jahren eingeschlagenen Luzerner Weg, den Ylfete Fanaj und der Regierungsrat fortsetzen. Damit fahren wir in Luzern grundsätzlich gut. Es braucht einen Mix aus Prävention, Dialog und Einzeltäterverfolgung. Dass für Letztere seitens der Polizei oft die Ressourcen fehlen, ist ein Problem, das es anzugehen gilt. Immerhin wurden im Stadion jüngst bessere Kameras zur Überwachung installiert.
zentralplus: Kann man Gewalt am FCL-Match überhaupt nicht verhindern?
Bärtschi: Die Gesellschaft trägt ihre Probleme mit den hunderttausend Fans, die jede Woche Fussball schauen gehen, ins Stadion rein. Schuld an der Gewalt ist darum nicht der Fussball – er ist vor allem das Ventil der Gesellschaft. Dennoch ist klar, dass wir von der FDP Fangewalt in keinster Weise tolerieren. Dass der Weg der Mitte aber der falsche ist, davon ist ein Grossteil der Partei überzeugt.
zentralplus: Was wird der Kantonsrat im Herbst beschliessen?
Bärtschi: Ich gehe davon aus, dass man um die teilweise Ungültigerklärung der Initiative aus rechtlichen Gründen nicht herumkommt. Und dass der Regierungsrat ein Jahr Zeit bekommt, um einen Gegenvorschlag auszuarbeiten. Ich hoffe, dass er dort drin auch ein paar Punkte unterbringt, die uns auf dem Luzerner Weg weiter voranbringen.
zentralplus: Widerstand gegen die Fangewalt-Initiative ist vorprogrammiert. Werden Sie sich auch gegen die nationalen Massnahmen, also das Kaskadenmodell oder die Einführung personalisierter Tickets einsetzen?
Bärtschi: Grundsätzlich müssen Massnahmen gegen Fangewalt lösungsorientiert sein. Das Kaskadenmodell und die personalisierten Tickets sind das nicht. Deren Nutzen konnte mir bis heute niemand aufzeigen. Darum gilt es nun, diese beiden gescheiterten Übungen abzubrechen.
Einst Moderator und Redaktor beim Radio 3FACH und bei Jam On Radio, schreibt Joel Dittli seit 2023 bei zentralplus. Um auch den künftigen Herausforderungen im Medienalltag gewachsen zu sein, absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern. Als Reggae-Musiker und FCL-Fan ist er am Wochenende oft in Kulturlokalen oder Fussballstadien anzutreffen.