Die Auswirkungen des Meisterschaftsabbruchs

EVZ schickt seine Ausländer sofort nach Hause

Ab in die schwedische Heimat: Oscar Lindberg. (Bild: Urs Lindt/freshfocus)

Das auf Pandemie-Stufe erhobene Coronavirus hält die Welt in Atem und den Schweizer Sport auf Trab: Das vorgezogene Saisonende für den EV Zug bewirkt, dass die Ausländer packen und sofort heimreisen dürfen. Und der Trainingsbetrieb wird zumindest bis Sonntag eingestellt.

Es ist ein denkwürdiger Tag fürs Schweizer Eishockey und einer, von dem alle Beteiligten noch in Jahrzehnten reden werden: Zum ersten Mal seit 1940 und der Kriegsmobilmachung in der Schweiz wird es wohl keinen Meister im Eishockey geben. Das Coronavirus und der daraus resultierende Notstand im Kanton Tessin machen eine Wiederaufnahme der Meisterschaft unmöglich (zentralplus berichtete).

Niemand weiss, was noch alles auf uns zukommen wird in den nächsten Tagen und Wochen. Und welche Einschränkungen von kantonalen und nationalen Behörden unser berufliches und privates Leben prägen werden.

Reicht es für Kristensen und Zgraggen?

An diesem Donnerstagmittag findet deshalb der letzte mediale Aufzug für den EV Zug im Bauch der heimischen Bossard Arena statt. Kameras surren, einzelne Spieler wandern durch den langen Garderobengang von Mikrofon zu Mikrofon und beantworten geduldig alle Fragen.

Ihre Botschaften ähneln sich. Weil die Zuger auch nicht viel sagen können. Der durch die Liga beschlossene Abbruch ist nicht mal zwei Stunden alt und ein Entscheid von grosser Dimension noch ausstehend: Kann die am 8. Mai in der Schweiz geplante Eishockey-WM unter den aktuellen Realitäten stattfinden? Kein Protagonist mag an eine Durchführung glauben.

«Niemand weiss, wie lange die Landesgrenzen noch offen sind.»

EVZ-Sportchef Reto Kläy

Dennoch haben die EVZ-Verantwortlichen ein paar Sofortmassnahmen getroffen: Der Tscheche Jan Kovar, die Schweden Oscar Lindberg, Carl Klingberg und Eric Thorell sowie der Norweger Andreas Martinsen werden am Freitag mit ihren Liebsten in ihre Heimat reisen. Zu diesem Kreis gesellt sich noch der Kanada-Schweizer Jesse Zgraggen.

«Niemand weiss, wie lange die Landesgrenzen noch offen sind», begründet EVZ-Sportchef Reto Kläy die Massnahme des Klubs. Der Däne Emil Kristensen verteidigte für das Farmteam der Zuger in der Swiss League und besitzt einen auslaufenden Vertrag. Er befürchtet, dass es für ihn mit einer Rückreise bereits zu spät geworden ist.

Kein Zuger hat den Kopf frei

Dazu wird der Trainingsbetrieb bei den Zugern vorerst bis zum Wochenende eingestellt. «Niemand hat jetzt den Kopf frei, um wirkungsvoll trainieren zu können. Wir brauchen etwas Zeit, um mit der aktuellen Situation umgehen zu können», sagt EVZ-Trainer Dan Tangnes.

«Als Spieler und Trainer bekommst du in deiner Karriere nicht so viele Chancen, eine Landesmeisterschaft gewinnen zu können.»

EVZ-Trainer Dan Tangnes

Die Enttäuschung über den Saisonabbruch ist beim 41-jährigen Norweger gross: «Als Spieler und Trainer bekommst du in deiner Karriere nicht so viele Chancen, eine Landesmeisterschaft gewinnen zu können. Das tut weh.»

Aber er verstehe die Massnahmen der Schweizer Behörden zu 100 Prozent. «Diese demonstrieren einen sorgsamen Umgang mit den Menschen, die in diesem Land leben. Kommt dazu, dass es keinen Spass gemacht hätte, Playoffs ohne Publikum austragen zu müssen. Die Emotionen, die Ambiance, die so wichtig sind in unserem Sport, hätten gefehlt.»

Tangnes wird vorerst nicht in seine Heimat zurückkehren. Seine Tochter geht in Zug zur Schule, seine Frau in den Deutschunterricht. Und er will das Eistraining mit den Schweizer Spielern, die für das WM-Kader in Frage kommen, wieder aufnehmen, falls es in den nächsten Wochen im Kanton Zug weiterhin erlaubt sein sollte.

Genonis Vertrauen

EVZ-Goalie Leonardo Genoni, der die Schweiz 2018 zum Gewinn der WM-Silbermedaille hexte, zeigt sich gefasst. Der Abbruch der Meisterschaft hat den 32-Jährigen nicht wie ein Naturereignis getroffen, der Entscheid sei nach der Entwicklung im Tessin und dem verordneten Notstand absehbar gewesen (zentralplus berichtete).

«Eishockey ist bloss Sport, ergo können wir auch nicht wichtig sein. Der Schutz der Menschen hat Priorität.»

EVZ-Goalie Leonardo Genoni

Deshalb mag der gebürtige Tessiner kein Drama draus machen. Genoni sagt: «Eishockey ist bloss Sport, ergo können wir auch nicht wichtig sein. Der Schutz der Menschen hat Priorität. Und ich habe vollstes Vertrauen in die Schweizer Behörden und deren Experten.»

Der fünffache Meistergoalie will sich in den nächsten Tagen neben dem Eis fit halten, um parat zu sein, falls die WM wider Erwarten stattfinden sollte.

Der Captain geniesst sein Baby

Raphael Diaz trifft den Abbruch der Schweizer Meisterschaft empfindlicher. Der im Januar 34 Jahre alt gewordene EVZ-Captain hat bereits einen NHL-Final um den Stanley Cup, zwei WM-Finals (2013 und 2018) sowie zwei Schweizer Playoff-Finals mit dem EV Zug (2017 und 2019) verloren (zentralplus berichtete).

«Die Zeit, in der Olivia noch ein Baby ist, geht so schnell vorbei.»

EVZ-Captain und Familienvater Raphael Diaz

Deshalb sagt der begnadete Offensiv-Verteidiger: «Sportlich ist es eine riesige Tragödie und hat unserem Team einen heftigen Schlag auf die Stimmung versetzt. Wir haben viel investiert und gekrampft, um so weit zu kommen. Aber letztlich können wir nichts gegen die Realität machen.»

Aber auch der Captain des Schweizer WM-Silberteams von 2018 gewinnt der Corona-Pandemie eine positive Seite ab. Jetzt könne er seine junge Familie in vollen Zügen geniessen. Seit letztem Dezember ist Diaz Familienvater eines Mädchens namens Olivia. «Die Zeit, in der sie noch ein Baby ist, geht so schnell vorbei. Die kann ich jetzt vermehrt auskosten.»

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