Stehen ID-Scans in der Zuger Bossard-Arena vor dem Aus?
Die Herti Nordkurve Zug (HNK) wehrt sich zusammen mit dem Fanbündnis «Pro Fans» gegen die in Form von ID-Scans personalisierten Tickets bei EVZ-Heimspielen. (Bild: HNK)
Jahrelang haben Eishockey-Fans gegen ID-Scans bei Heimspielen des EVZ protestiert. Jüngst setzten sie die Proteste wegen vermeintlicher Verhandlungen über die Abschaffung der ID-Scans aus. Doch dann kamen bei den Fans Zweifel auf.
Bürgerliche Politikerinnen fordern seit Jahren für Fussballspiele der Super League die Einführung personalisierter Eintrittskarten (zentralplus berichtete). In Zug gehören diese bereits seit Inbetriebnahme der Bossard-Arena dazu. Gästefans müssen für den Einlass ihre IDs scannen lassen, bei den Heimfans kann es zu Stichproben kommen. Mithilfe der Massnahme soll unter anderem verhindert werden, dass Fans mit Stadionverbot ins Stadion gelangen (zentralplus berichtete).
Den Gästefans ist die Massnahme seit jeher ein Dorn im Auge. Darum reisten sie in der Vergangenheit zwar oft an, boykottierten aber den Stadionbesuch meist und verfolgten die Spiele stattdessen ausserhalb der Bossard-Arena oder in den Sektoren der Heimfans. Dasselbe gilt für die Heimspiele des Lausanne HC, wo der Einlass der Gästefans ebenfalls an ID-Scans gekoppelt ist.
Gegen die in Form von ID-Scans personalisierten Tickets wehrt sich auch die Zuger Fanszene. Der Dachverband Herti Nordkurve Zug (HNK) schloss sich im Sommer dem nationalen Fanbündnis «Pro Fans» an, das die Proteste koordiniert. Gegenüber zentralplus nimmt «Pro Fans» ausführlich Stellung.
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Darum ist Fanbündnis «Pro Fans» gegen personalisierte Tickets
«Das Ziel von Pro Fans und den der Bewegung angehörigen Fankurven, der National League und auch der Clubs ist die Abschaffung der ID-Scans», sagt Tom Maurer, Medienverantwortlicher von «Pro Fans». Denkbar sei auch die Lancierung eines Pilotversuchs, um aufzuzeigen, dass die Sicherheit im Stadion und ausserhalb auch ohne die ID-Scans gewährleistet sei.
Für das Fanbündnis «Pro Fans» sei der Status quo nicht nur betreffend Datenschutz inakzeptabel. Dass nur die Fans der Stehplätze ihre ID scannen lassen müssen, käme einem Generalverdacht gleich und stelle eine Vorverurteilung, eine Kollektivstrafe dar, wogegen die Fans sich ebenfalls wehren.
Fans unterbrechen Proteste wegen möglicher Abschaffung der ID-Scans
Nach jahrelangem Kampf wähnten sie sich kürzlich kurz vor einem Durchbruch. Per Jahreswechsel verzichteten die Gästefans in Zug und Lausanne auf Proteste – weil sie davon ausgingen, dass zwischen den Sicherheitsbehörden der Städte Zug und Lausanne sowie der National League Verhandlungen über die Abschaffung der ID-Scans liefen.
«In den letzten Wochen wurden Gespräche geführt, von denen wir uns viel versprochen hatten», sagt Tom Maurer. Ihre Proteste hätten die Fans darum «als Zeichen der Kooperationsbereitschaft» unterbrochen.
«Doch die Gespräche führten offenbar zu nichts», fährt Maurer fort. Entsprechend wurden die Proteste wieder aufgenommen.
Wer in Zug für die Sicherheitskosten aufkommt
Dass die auswärtigen Fankurven trotz der ID-Scans nach Zug und Lausanne reisen, dort das Spiel aber oft ausserhalb des Stadions verfolgen, führe zu Mehraufwand, sagt Maurer. Die Überwachung ausserhalb des Stadions müsse intensiviert werden. Zudem sei mehr Polizeipräsenz erforderlich. «Es ist ein Preis, den die Sicherheitsbehörden der beiden Städte Zug und Lausanne offenbar weiterhin in Kauf nehmen wollen», sagt er.
Doch gemäss der Zuger Polizei fallen allfällige Sicherheitskosten, die wegen der Proteste durch die Gästefans entstehen, nicht auf die Steuerzahlerinnen zurück. «Kosten für polizeiliche Leistungen werden dem Veranstalter auferlegt», stellt Mediensprecher Frank Kleiner klar. In Zug ist dies der EVZ.
Haben die Verhandlungen überhaupt stattgefunden?
Davon, dass die Zuger Exekutive mit der National League über die Abschaffung der personalisierten Tickets in Form von ID-Scans verhandelt haben soll, habe die Zuger Polizei keine Kenntnis, so Kleiner.
Eine Abkehr vom Status quo scheint keine Option zu sein.
Die Zutrittskontrolle, wie sie seit Jahren in der Bossard Arena gehandhabt wird, sei ein integrierter Bestandteil der jährlichen Bewilligung seitens der Zuger Polizei. Und am bestehenden System halte die Zuger Polizei fest, sagt Kleiner – ID-Scans inklusive.
Das grosse Schweigen
Um herauszufinden, ob die von «Pro Fans» erwähnten Verhandlungen allenfalls ohne das Wissen der Zuger Polizei stattfanden, hat sich zentralplus andernorts umgehört. Das Bundesamt für Polizei Fedpol spielt den Puck nach Zug und zur National League zurück. «Die Entscheidungskompetenzen liegen bei der Eishockeyliga sowie den kantonalen Behörden», erklärt Mediensprecher Patrick Jean.
Der EVZ verzichtet auf eine Stellungnahme, erklärt lediglich das Prozedere beim Einlass. Und auch die National League möchte sich zu den angeblichen Verhandlungen nicht äussern. Doch gemäss «Pro Fans» sei der EVZ genauso wie die National League für die Abschaffung der ID-Scans.
EVZ-Sicherheitschef sieht ID-Scans nicht als Kollektivstrafe
Daran lassen Aussagen im neusten «Hertitalk», dem Podcast des EVZ zweifeln. Dort erklärt Sicherheitschef Mevludin Saiti, ab Minute 40, dass der EVZ die Fotos, die bei den ID-Scans von jedem Gästefan gemacht werden, nutze, um Gewalttäter zu identifizieren. Er erklärt dies am Beispiel der Ausschreitungen zwischen Zuger und Genfer Fans, zu denen es im Frühling letzten Jahres kam (zentralplus berichtete).
ID-Scans seien keine Kollektivstrafen, fährt Saiti fort. Vielmehr verhindere die Einzeltäterverfolger mithilfe der ID-Scans die Verhängung von Kollektivstrafen.
Unbestritten ist, bei allen Meinungsverschiedenheiten, dass beim nächsten EVZ-Heimspiel vom Freitagabend gegen den HC Lugano beim Einlass in den Gästesektor ID-Scans durchgeführt werden.
Einst Moderator und Redaktor beim Radio 3FACH und bei Jam On Radio, schreibt Joel Dittli seit 2023 bei zentralplus. Um auch den künftigen Herausforderungen im Medienalltag gewachsen zu sein, absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern. Als Reggae-Musiker und FCL-Fan ist er am Wochenende oft in Kulturlokalen oder Fussballstadien anzutreffen.