Saleh Chihadeh: Von Palästina zum SC Kriens

Die spezielle Mission des Krienser Topskorers

Mit seinen zehn Toren hat Saleh Chihadeh erheblichen Anteil am Erfolg des SC Kriens in der Vorrunde.

(Bild: Roger Keller)

Als kleiner Junge zog Saleh Chihadeh aus Palästina in die Schweiz. Mittlerweile schiesst er für den SC Kriens Tor um Tor und erregt damit selbst in seiner Heimat Aufmerksamkeit. Unlängst kehrte Chihadeh erstmals dorthin zurück – im Trikot der palästinensischen Fussballnati.

Plötzlich ging alles schnell: Per WhatsApp und völlig überraschend erhielt Saleh Chihadeh eine Einladung des palästinensischen Fussball-Nationalteams für ein Länderspiel gegen die Malediven in Jenin, ganz im Norden der West Bank. Die Mutter reagierte skeptisch, bevor sie in den väterlichen Stolz einstimmte.

Dann, ein paar Wochen später, reiste der Topskorer des SC Kriens zum allerersten Mal in seine Heimat, die er als Kind verlassen hatte, trainierte einmal mit der palästinensischen Nati und fuhr in einem eskortierten Car ins brandneue Fussballstadion von Jenin. 6’000 euphorische Fans trieben die palästinensische Auswahl zum Kantersieg. 8:1 gewann sie das Qualifikationsspiel für die Endrunde der Asienmeisterschaft, die 2019 in den Vereinigten Emiraten ausgetragen wird.

Chihadeh durfte dabei nur zuschauen, tat dies aber nicht ungern. Auch wenn der Walliser mit palästinensischen Wurzeln mit einem Einsatz gerechnet hatte: Enttäuscht war er nicht. Trainer Abdel-Nasser Barakat habe ihn nach dem Spiel aufgemuntert, erzählt der 23-jährige Stürmer. Dass er nicht eingesetzt wurde, war mehreren Gründen geschuldet.

Zum einen konkurrenziert er im Sturm mit den besten Torschützen der jordanischen und der palästinensischen Liga. Zum anderen stiess Chihadeh erst einen Tag vor dem Spiel zum Team, das schon zehn Tage lang zusammen trainiert hatte. «Meine Zeit kommt noch», sagt Saleh Chihadeh optimistisch. Es sei wichtig gewesen, mal einen ersten Schritt getan zu haben.

Palästinas aufstrebende Nati

«Chihadeh muss in der Promotion League weiterhin Tore schiessen, wenn er einen Platz in den Asian Cup Finals ergattern will», sagt Bassil Mikdadi, der regelmässig über die palästinensische Nati bloggt. Der Konkurrenzkampf sei besonders im Sturm hart, so der palästinensisch-amerikanische Fussballexperte. Dessen ist sich Chihadeh bewusst. Er zeigt sich überrascht vom hohen Niveau seiner Teamkollegen. Die palästinensische Nati verfüge über gute Stürmer und Techniker, berichtet er.

«Als wir durch die Dörfer kurvten, dachte ich ständig: Wann kommt endlich die Autobahn?»

Tatsächlich müssen sich die Palästinenser nicht verstecken: In der Qualifikation für die Asian Cup Finals haben sie alle ihrer bisher fünf Spiele gewonnen. Im aktuellen Fifa-Ranking überholten sie Israel und liegen nun auf dem 82. Rang. So gut waren sie seit ihrer Aufnahme in die Fifa im Jahr 1998 noch nie klassiert. Dennoch: Dass sich Palästinenser und Israelis einst auf dem Rasen duellieren würden, bleibt undenkbar – auch für Chihadeh.

An Trainings inmitten seiner Nationalmannschaftskollegen muss sich Saleh Chihadeh (dritter von links) noch gewöhnen.

An Trainings inmitten seiner Nationalmannschaftskollegen muss sich Saleh Chihadeh (dritter von links) noch gewöhnen.

(Bild: zvg)

Die Nummer 17 des SC Kriens weiss, dass es noch ein weiter Weg in die Vereinigten Emirate ist. Er spricht von einem langfristigen Ziel und davon, dass er sich eigentlich nicht gewohnt sei, so weit nach vorne zu blicken. Bis 2019 stehen noch ein Qualifikationsspiel gegen Oman und mehrere Freundschaftsspiele an – und damit einige Gelegenheiten, sich dem Trainer zu empfehlen, sofern er erneut aufgeboten wird.

Mühsal am Flughafen

Nach dem Spiel in Jenin fuhr Chihadeh mit dem Team nach Nablus. Dort verköstigten sich die Fussballer mit Knafe, einer käsig-süssen Lokalspezialität, bevor sie ihre Fahrt nach Ramallah fortsetzten. «Als wir durch die Dörfer kurvten, dachte ich ständig, wann kommt endlich die Autobahn?», lacht Chihadeh. Da es in der West Bank keine gibt, kam auch keine. Und da Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten keinen Flughafen zulässt, musste Chihadeh wieder über jenen von Tel Aviv ausreisen.

Von Palästina ins Wallis und nach Kriens

Saleh Chihadeh kam als 7-Jähriger mit seinen Eltern und vier Geschwistern aus dem Nahen Osten in die Schweiz. Erinnern kann er sich aber bloss an seine Kindheit in Naters. Überhaupt habe er sich hier immer wohlgefühlt und nie Integrationsprobleme bekundet, sagt Chihadeh. Vom Pausenplatz fand er den Weg ins Training des FC Oberwallis Naters. Nach einem Abstecher zur U21 des FC Thun kehrte er zurück zu seinem Stammverein, ehe der SC Kriens letzte Saison auf seine 18 Tore in 25 Spielen aufmerksam wurde und ihn im Sommer verpflichtete. Lange zögerte Chihadeh mit seiner Zusage nicht. «Ich wollte mal weg vom Wallis, etwas anderes sehen und selbstständiger werden», erklärt der 23-Jährige, der mittlerweile in Olten wohnt. Im Wallis habe er es nicht nur dank Mutters Kochkünsten herrlich gehabt, doch sei er dadurch etwas träge geworden, statt sich weiterzuentwickeln.

Saleh Chihadeh ist gelernter Logistiker, betreibt aber nun im Teilzeitpensum zusammen mit seinem Schwager einen Coiffeur-Salon in Brig und bald auch in Visp. In der laufenden Saison hat Chihadeh bereits zehn Tore erzielt und ist damit fünftbester Torschütze der Promotion League.

Am Flughafen wurde er erneut gründlich durchsucht. «Schon bei der Einreise haben sie mich wegen meinem arabischen Namen herausgepickt und in einen Raum mit weiteren arabischstämmigen Leuten und Europäern gebracht», erzählt der Schweizer Staatsbürger. Dort sei er befragt und durchsucht worden. Nachdem er sein Reiseziel, ein Spiel mit der palästinensischen Nati, erwähnt habe, sei es etwas schneller vorwärtsgegangen, sodass er nach eineinhalb Stunden doch noch einreisen konnte. «So etwas habe ich noch nie erlebt», sagt Chihadeh. «Es war wirklich sehr mühsam.»

Mit Chihadehs Toren zum Aufstieg?

In der Promotion League ist nun Winterpause. Der SC Kriens steigt am 4. März als Tabellenführer in die Rückrunde. Saleh Chihadeh, der einen Vertrag bis zum Saisonende hat, möchte seine Torausbeute weiter verbessern und dem SCK zum Aufstieg verhelfen. «Ich traue das dem Verein absolut zu», sagt der Walliser Stürmer. «Für diesen speziellen, familiären Verein wäre ein Aufstieg sehr schön.»

Auch an seiner eigenen Leistung will Chihadeh weiter feilen, denn obschon er «von den Zahlen her» mit sich zufrieden ist, sieht er seinen Saisonverlauf und seine Spielweise kritisch: Sowohl bei der Chancenauswertung wie auch beim Kopfball-Timing ortet er noch Verbesserungsbedarf. Auch mental sei er gefordert, jeden Match mit derselben Konzentration anzugehen.

Ausserdem, sagt Chihadeh selbstkritisch, sei er nach wie vor zu emotional. Wenn etwas nicht aufgehe, rege er sich innerlich zu sehr auf, nage selbst nach den Spielen noch daran herum und ärgere sich über ausgelassene Chancen. «Das bringt aber überhaupt nichts. Ich muss lernen, solcherlei abzuhaken und vorwärtszuschauen.» Wie weit und wohin, wissen nur die Fussballgötter.

Saleh Chihadeh ist ständig auf der Achse: Zwischen dem Wallis, Olten und Kriens – und neuerdings auch Palästina.

Saleh Chihadeh ist ständig auf Achse: zwischen dem Wallis, Olten und Kriens – und neuerdings auch Palästina.

(Bild: Fabian Duss)

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