SC Kriens: Letztes Spiel im Stadion Kleinfeld

«Die Leute verändern sich nicht, nur das Stadion»

Inmitten ihrer jüngsten Fans gingen die SCK-Spieler im Gruppenfoto unter.

(Bild: Fabian Duss)

Der SC Kriens hat sein letztes Vorrundenspiel 3:1 gewonnen und überwintert in der Promotion League auf dem Spitzenplatz. Doch das blieb am Samstag auf dem Krienser Kleinfeld eine Nebensache. Im Mittelpunkt stand vielmehr der Abschied von einem Stadion, das vielen Kriensern ans Herz gewachsen war – und der Austausch von Erinnerungen und Anekdoten.

Grüne Zipfelkappen und weiss-grüne Schals überall. Ein letztes Mal wird im Kleinfeld den Farben des SC Kriens gehuldigt, bevor das Stadion abgebrochen und ersetzt wird. Lange vor Anpfiff strömen die Zuschauer ins Kleinfeld. Es ist ein besonderer Tag – einer des Abschieds (zentralplus berichtete). SCK-Blogger Oliver Kraaz ist dafür extra aus Zürich angereist. Seit 40 Jahren hält er dem Verein die Treue. Er spricht von einem «komischen Gefühl» und «einer Art Klassenzusammenkunft». In der Tat scheint auf dem Kleinfeld jeder jeden zu kennen. Das Wort «familiär» hört man an diesem Fussballnachmittag allenthalben, wenn das Gespräch auf die Atmosphäre im Kleinfeld fällt.

Unter jenen, die kaum zehn Schritte weit kommen, ohne für einen Schwatz anzuhalten, ist auch Clubpräsident Werner Baumgartner. Er hofft, dass die Mannschaft dem Kleinfeld einen Sieg zum Abschied schenkt. «Aber heute ist das Resultat sekundär», relativiert er umgehend. Wichtiger sei, dass man sich nochmals im Stadion treffe und eine gute Stimmung herrsche. Und seine Stimmung? «Melancholisch. Heute steht die Vergangenheit im Zentrum, ab morgen die Zukunft.»

Das letzte Mal im alten Dreck landen

Auf dem Feld laufen und schiessen sich die Spieler warm. Die Torhüter hechten ein ums andere Mal in den Dreck. Materialwart Ueli Mattmann umsorgt das Team. Er geht seit rund 50 Jahren im Kleinfeld ein und aus und erfüllte schon so manch wichtiges Ämtli im Club. Er spricht von einem lachenden und einem weinenden Auge. Mit dem Kleinfeld gehe schon eine gewisse Heimat verloren, sagt er. Andererseits freue er sich, bald etwas Neues aufzubauen.

Die SCK-Fans nehmen Abschied von ihrem 47-jährigen Stadion.

Die SCK-Fans nehmen Abschied von ihrem 47-jährigen Stadion.

(Bild: Fabian Duss)

Hinter Mattmanns Rücken rollen die Krienser Fans einen Banner aus. «Weisch no …», ist in ihren Reihen der häufigste Satzanfang an diesem Nachmittag. Jeder hat seine persönlichen Bilder im Kopf, sei es als Spieler oder Zaungast. Zaungast? Wohl das falsche Wort. «Hier ist man als Zuschauer so nahe dran, dass man fast Teil des Spiels ist», sagt Blogger Oliver Kraaz. Er erinnert sich gar an Dialoge mit Spielern während des Matches. An diese Nähe hat auch Roger Erni lebhafte Erinnerungen. Er war Teil jener Mannschaft, die 1997 den Aufstieg in die Nationalliga A schaffte. Erni spricht von «Fluch und Segen» und erzählt, wie er zuweilen am Spielfeldrand von gegnerischen Fans mit Bier beworfen und mit dummen Sprüchen eingedeckt wurde. «Aber man rannte einfach weiter», lacht er. «So war das.»

Die Zwillinge von der Matchuhr

Anpfiff. «Dario sucht seinen Papi», verkündet der Stadionsprecher nach wenigen Minuten. Gelächter in den Rängen. «Stand uf du …!», schmettert ein SCK-Fan einem Köniz-Spieler entgegen, als dieser im Krienser Strafraum zu Boden fällt. Der SCK spielt gut, dominiert den Gegner. Das 1:0 durch Nico Siegrist in der 24. Minute ist die logische Folge – und das Pausenresultat. Neben dem Verpflegungshäuschen unter der Anzeigetafel steht Ruedi Pfyffer. Mit seinem Zwillingsbruder bediente er 25 Jahre lang die Matchuhr – manuell, wohlverstanden. Er spielte für den SCK, wirkte als Juniorentrainer und Schiedsrichter. Heute ist er Senioren-Obmann und hat angesichts des Stadionneubaus zwei Seelen in seiner Brust. Klar verspüre er Wehmut, sagt Pfyffer, doch freue er sich auf das neue Projekt. Die Lebenszeit der Infrastruktur sei abgelaufen.

«Das Fussballerherz würde lieber auf Rasen spielen.»

Thomas Tobler, Kommunikationsleiter des SC Kriens

So pragmatisch sehen das viele im Kleinfeld. Die Kabinen, die Tribüne, der Rasen: Ein leichtes Facelifting reicht nicht. Ein halbes Jahrhundert hat im Kleinfeld seine Spuren hinterlassen. Der Rasen ist tief – seine Farbe wechselt während des Spiels von grün zu braun. Im neuen Stadion soll es ein Kunstrasen richten. Viele haben damit Mühe. «Das Fussballerherz würde lieber auf Rasen spielen», unterstreicht Thomas Tobler, Kommunikationsleiter des SC Kriens. Letztlich habe der Vorstand einen Vernunftsentscheid getroffen.

Der SCK setzt auf Breitensport, ist weitherum der grösste Fussballverein. «Mit dem Kunstrasen haben wir künftig einen Platz mehr, auf dem die Teams trainieren und spielen können», erklärt Tobler. Seine Gefühle? «Gemischt: Wehmut, Vorfreude und Respekt vor den Aufgaben, die in den nächsten eineinhalb Jahren auf uns warten.» Noch ist unklar, wer dem SCK temporär Asyl schenkt. Klar ist hingegen: Bis das neue Stadion steht und auch der Kleinfeld-Geist dort einkehrt, ist noch viel Vereinsarbeit nötig.

Vom Versuch, «alte Wärme» ins neue Stadion zu bringen

Als er das Neubauprojekt zum ersten Mal gesehen habe, sei er erschrocken, sagt Blogger Oliver Kraaz. Er ist kein Freund neuer Stadien und kritisiert, in der Schweiz seien in den letzten Jahren viel zu viele «unbeseelte», «austauschbare» Fussballarenen entstanden. Kraaz kann sich noch nicht vorstellen, im neuen SCK-Stadion zu stehen, ohne den Geruch des feuchten Rasens in der Nase. Allerdings steht er hinter dem Projekt und lobt, der Verein versuche, möglichst viele Leute ins Boot zu holen, um die «alte Wärme» ins neue Stadion zu tragen. Dass dies gelingt, bezweifelt im Kleinfeld niemand. «Die Leute verändern sich nicht, nur das Stadion», betont Materialwart Mattmann stellvertretend für viele.

Längst läuft die zweite Halbzeit und der SC Kriens hat zwei weitere Tore erzielt. «100% Anti Luzern», steht auf einem Plakat. Blogger Kraaz sagt, der SCK müsse auch künftig «ein Gegenentwurf zum klinisch sauberen, blutleeren Fussball» bleiben. Auf dem Kleinfeld lebe der Vereinsgedanke: Alle müssten etwas beitragen, damit es funktioniere. Fussballspiele wie einen Kinofilm zu konsumieren, das gehe hier nicht. Dafür könne man nach Spielende auch noch bleiben, weil einem nicht gleich die Putzequippe aus dem Stadion scheuche.

Der SCK beschenkte sein Stadion zum Abschied mit einem überzeugenden 3:1-Sieg gegen den FC Köniz.

Der SCK beschenkte sein Stadion zum Abschied mit einem überzeugenden 3:1-Sieg gegen den FC Köniz.

(Bild: Fabian Duss)

Die Erinnerung an einen pitschnassen Christian Gross

Ein Bild wird Kraaz noch lange in Erinnerung bleiben: Im August 1997 spielte der SCK gegen GC. Kurz vor Spielende stand es 1:1. Dann setzte starker Regen ein und in der 82. Minute erhielt Kriens einen Penalty zugesprochen. Lucio Esposito verwandelte zum Sieg. «Nach Abpfiff stürmten die Krienser das sumpfige Feld. Daneben stand GC-Trainer Christian Gross im Anzug und das Wasser lief von ihm runter, als würde er mit einem Gartenschlauch geduscht. Was für ein Kontrast!»

An diesem Nachmittag kursieren ebenso viele Anekdoten wie Bierbecher. Materialwart Mattmann etwa erinnert sich daran, wie der frühere SCK-Trainer Jochen Dries an einem Sonntagmorgen den Rasen eigenhändig mähte, weil er damit nicht zufrieden war. «Er hätte sich für dessen Zustand vor dem Gegner geschämt», schmunzelt Mattmann.

«Die Kabine ist so klein und mühsam, dass sie eigentlich nervt – aber irgendwie ist sie halt trotzdem schön.»

Stadionsprecher Lukas Z’berg

Schlusspfiff. Ein Krienser staunt, als er auf der Anzeigetafel einen Gegentreffer registriert. Tatsächlich schoss Köniz in der 89. Minute ein Gegentor. Ein letzter Joint auf der Tribüne, eine letzte Bratwurst auf den grünen Schalensitzen, letzte Erinnerungsfotos, während aus den Lautsprechern Andrea Bocellis «It’s time to say goodbye» schallt. Stadionsprecher Lukas Z’berg pflichtet ihm bei und macht sein Mikrofon aus. «Ich bin schon etwas wehmütig», sagt er. Das Stadion und auch die Sprecherkabine seien ihm ans Herz gewachsen. «Die Kabine ist so klein und mühsam, dass sie eigentlich nervt – aber irgendwie ist sie halt trotzdem schön.»

 

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