Nach 17 Profi-Jahren hört Fabian Schnyder auf

Der EVZ-Saurier tritt aus dem Rampenlicht

Keiner absolvierte bislang so viele Spiele für den EV Zug wie er: Jetzt freut sich Fabian Schnyder darauf, künftig als Physio in der Schmerztherapie zu arbeiten. (Bild: ain)

Er will dereinst nicht vom Eis getragen werden müssen. Darum folgt Fabian Schnyder (34) der Vernunft und beendet nach der zweiten Hüftoperation seine Karriere. Kein anderer hat so viele Spiele für den EVZ gemacht wie der kleingewachsene Stürmer mit dem grossen Kämpferherz.

Es war noch eine andere Zeit damals im Eishockey, als Fabian Schnyder in der Saison 2003/2004 zum ersten Mal die Garderobe der ersten Mannschaft in der alten Herti betrat. Quasi das Abendrot für jene Generation, die sich in ihrem Wesen und Wirken noch als Rock'n'Roller verstand.

In dieser Saison hatte Sean Simpson, der frühere Meistertrainer der Zuger und spätere Silberheld der Schweizer Nati, zum zweiten Mal den Job als EVZ-Headcoach übernommen. Und damals hiessen die Zuger Titanen Patrick Fischer, mittlerweile Schweizer Nationaltrainer, Paul Di Pietro, Chris Tancill, Duri Camichel oder Paolo Duca, um nur ein paar zu nennen.

«Diese Spieler hatte ich als junger Kerl bewundert und sie haben mir mit ihrem Charakter viel auf meinen eigenen Weg mitgegeben», erinnert sich Schnyder.

Der Cupsieg und andere Erfolge

17 Jahre später tritt er selber aus dem Rampenlicht. Der Gewinn des Meistertitels war ihm im Gegensatz zu seiner Zeit bei den Elite-Junioren verwehrt geblieben, 2017 und 2019 blieben Schnyder und Co. jeweils im Final gegen den SC Bern stecken. Darum steht der Cupsieg 2019 als grösster Erfolg in seinem Palmarès.

«Ich drängte mich nie ins Rampenlicht, das liegt mir nicht.»

Fabian Schnyder

Deshalb gibt es andere Aspekte in seiner Karriere, die ihn mit Stolz erfüllen. Mit 873 Spielen hat er so viele Spiele für den EVZ gemacht wie niemand vor ihm. Dabei liess er sich 125 Tore und 151 Assists notieren und verbüsste 279 Minuten auf der Strafbank.

«873 Spiele sind eine hohe Zahl, sie macht mich stolz. Ich habe immer auf meinen Körper geschaut und alles dafür gegeben, um zum Aufgebot zu gehören», erzählt er. Gerne wäre «Schnitz», wie er gerufen wird, wohl in den exklusiven 1000er-Klub eingetreten, aber «mit 34 ist eine solche Anzahl Spiele einfach nicht möglich».

Diaz und Martschini sind ihm auf der Spur

Schnyder weiss, dass Bestmarken dazu da sind, um gebrochen zu werden. Ihm auf der Spur ist der gleichaltrige Raphael Diaz, der wegen seiner Zeit in der NHL bei momentan 676 Spielen für Zug steht. Der nächste noch aktive Spieler ist Lino Martschini. Im Alter von 27 Jahren hält der Spektakelmacher, der sich derzeit von einer Adduktoren-Operation erholt, bei 449 Einsätzen. «Ich hoffe, dass mich einer der beiden in den nächsten Jahren überholen kann», sagt Fabian Schnyder.

Der gebürtige Luzerner hat sich aber auch als Captain des EV Zug in den Klub-Annalen verewigt. Von 2012 bis 2016 führte Fabian Schnyder die Mannschaft an. «Ich drängte mich nie ins Rampenlicht, das liegt mir nicht. Aber dass ich es mit meiner Einstellung, immer alles für die eigenen Farben und die Fans im Stadion zu geben, in diese Führungsrolle schaffte, erfüllt mich mit Stolz.»

Grössere Dichte an der Spitze

Das Eishockey hat sich während der Dauer seiner Karriere auf und neben dem Eisfeld stark verändert, es ist «big business» geworden. «Zu Beginn meiner Karriere durfte man bald einmal nicht mehr ungestraft auf gegnerische Spieler reinhauen, die sich vor dem eigenen Tor bewegten», sagt Schnyder lachend.

«Zu meiner Anfangszeit waren die Topspieler in der Liga an einer Hand abzuzählen, mittlerweile ist die Dichte an der Spitze dreistellig.»

Der Strafenkatalog diente zusehends dem Schutz der schnellen und technisch begabten Einzelspieler, die Rasanz und Intensität des Spiels erhöhte sich, «und das Training wurde immer professioneller».

Schnyder, in seiner Blütezeit der vielleicht schnellste Spieler der Schweiz, eroberte mit seiner fliegenden und leidenschaftlichen Spielweise die Herzen der Fans und einen festen Platz in der EVZ-Garderobe.

«Zu meiner Anfangszeit waren die Topspieler in der Liga an einer Hand abzuzählen, mittlerweile ist die Dichte an der Spitze dreistellig», weiss Schnyder. «Entweder du bringst es in diesem Business oder nicht. Früher war Eishockey noch ein Spiel, heute sind Klubs grosse Organisationen und der Match zu einem Event geworden.»

Es sei schön gewesen, den Weg seiner Sportart in die Moderne hautnah miterleben zu dürfen.

Eine selten gewordene Klubtreue

Fabian Schnyder hat seine ganze Profi-Karriere bei einem einzigen Arbeitgeber verbracht. Das mache ihn wohl zu einem Typ «Saurier, der vom Aussterben bedroht» sei, bemert er selber. Denn eine solch ausgeprägte Klubtreue wird im professionellen Hochleistungssport immer rarer.

«Wenn mir einer zu Beginn meiner Sportlerlehre im EVZ gesagt hätte, dass ich 20 Jahre ununterbrochen für den gleichen Verein spielen werde, hätte ich wohl gelacht, weil das für mich schlicht nicht vorstellbar gewesen war», sagt Schnyder.

Immer volle Pulle, immer leidenschaftlich und unerschrocken: Fabian Schnyder wird den EVZ-Fans als mannschaftsdienlicher Spieler in Erinnerung bleiben. (Bild: Daniela Frutiger/freshfocus)

Doch genau so ist es gekommen, und er erklärt: «Möglichkeiten zu einem Klubwechsel hat es immer gegeben. Aber der EVZ bemühte sich stets sehr um mich und eine weitere Zusammenarbeit. Letztlich sprach immer am meisten für Zug. Zudem musste ich mich im Umfeld wohl fühlen, um die beste Leistung abrufen zu können.»

Darf man daraus schliessen, dass er nicht unbedingt ein abenteuerlustiger Typ ist? Fabian Schnyder winkt ab und sagt: «Ich mag Abenteuer und Spontanität. Aber es muss Struktur haben und ich muss in etwa wissen, was mich erwartet.»

Eine Dernière, von der niemand wusste

Nun stösst er eine neue Türe auf in seinem Leben, denn eine Fortsetzung seiner Karriere als Profi-Sportler lässt er mit 34 lieber bleiben – aus Rücksicht auf seine Gesundheit.

Am 21. September 2019, beim 3:2-Heimsieg nach Penaltyschiessen über Lugano, hatte er seine Abschiedsvorstellung gegeben. Nur konnte das zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen. «Ich weiss noch, wie mich Santeri Alatalo dazu aufforderte, einen Penalty zu schiessen», erinnert sich Schnyder.

«Ich kann nicht mehr 100 Prozent Leistung erbringen, ohne dafür ein grosses gesundheitliches Risiko einzugehen.»

Die Schmerzen in der linken Hüfte, die er sieben Jahre zuvor schon mal operiert hatte, waren zurückgekehrt. Der Teamplayer, der in seiner Karriere nur eine verschwindend kleine Anzahl Spiele verpasst hatte, versuchte vorerst mit Übungen, das Unvermeidliche hinauszuzögern und stattdessen sein Comeback auf dem Eis zu geben.

Hüftkopf lässt sich nicht beliebig abschleifen

Doch am 11. Dezember musste er zum zweiten Mal an der Hüfte operiert werden, der Hüftkopf, der in der eng anliegenden Hüftpfanne für Reibung und Entzündungen sorgte, abermals abgeschliffen werden.

Nach ein paar Monaten Reha ist in Fabian Schnyder die Überzeugung gereift: «Ich kann nicht mehr 100 Prozent Leistung erbringen, ohne dafür ein grosses gesundheitliches Risiko einzugehen. Und dabei könnte viel kaputtgehen.»

Der Hüftkopf lässt sich nicht beliebig abschleifen, ohne dass ein Auskugeln aus der Hüftpfanne droht. «Ich will nicht eines Tages vom Eis getragen werden müssen. Deshalb war mir im ganzen Prozess wichtig, dass ich alles in Absprache mit den Ärzten und meiner Familie entscheiden konnte.»

Schnyder wird Schmerztherapeut

Und was kommt jetzt? Sehr viel Neues, lässt sich ohne Übertragung sagen. Sowohl beruflich als auch privat.

Fabian Schnyder hat sich zum ersten Mal überhaupt dazu entschlossen, eine mögliche Weiterbeschäftigung in der Organisation des EVZ auszuschlagen. Er brauche Abstand und einen Tapetenwechsel, begründet er.

«Es ist ein schönes Gefühl, wenn man einem Patienten dabei helfen kann, seine Lebensqualität zu verbessern.»

Seine berufliche Zukunft sieht er in der Firma seines zwei Jahren älteren Bruders Adrian, die in der Physiotherapie beheimatet ist. Fabian hat als ausgebildeter Finanzfachmann schon seit geraumer Zeit die finanziellen Belange der Firma mit Sitz in Baar gemanagt, nun will er im Herbst ein Praktikum als Schmerztherapeut machen und sich vollumfänglich dem Unternehmen widmen.

«Es ist ein schönes Gefühl, wenn man einem Patienten dabei helfen kann, seine Lebensqualität zu verbessern», freut sich Schnyder auf seinen beruflichen Neubeginn.

Fabian und seine Nicole werden bald Eltern

Erst recht privat wird zum Ende dieses Sommers nichts mehr so sein, wie es bisher war. Seine Ehefrau Nicole und er werden zum ersten Mal Eltern. «Wir freuen uns auf einen Buben», sagt Fabian Schnyder strahlend.

In der aktuellen EVZ-Mannschaft gibt es mit Captain Raphael Diaz und Lino Martschini gute Kumpels von Schnyder, die im Verlauf der letzten Saison Vater geworden sind. «Ich habe ihnen schon angedroht, dass ich sie mitten in der Nacht anrufen werde, falls ich mal nicht schlafen kann», sagt er mit einem Augenzwinkern.

«Weil wir nachher an die Fasnacht gingen, trudelte praktisch jeder von uns mit dem Fasnachtsgwändli in der Garderobe ein.»

Das könnte durchaus ein unterhaltsames Gespräch werden. Denn Schnyder kann ein paar Anekdoten zum Besten geben. Gerne erinnert er sich daran, wie sie sich im ersten Jahr unter dem legendären Feuerkopf Doug Shedden die Teilnahme an den Playoffs erst mit dem letzten Qualifikationsspiel gesichert hätten.

«In Langnau schafften wir im 49. Spiel erstmals den Sprung über den Strich und zum Abschluss spielten wir gegen Kloten. Weil wir nachher an die Fasnacht gingen, trudelte praktisch jeder von uns mit dem Fasnachtsgwändli in der Garderobe ein, Päuli (Di Pietro, Anm. d. Red.) sogar mit der Maske auf dem Stock. Uns allen war klar: Jetzt liegt es an uns, das dürfen wir nicht vergeigen.»

Die Zuger liessen nichts anbrennen, gewannen 5:1, gingen an die Fasnacht und warfen kurze Zeit später Qualifikationssieger Bern im Playoff-Viertelfinal raus.

Vielleicht wird Fabian Schnyder bei seiner offiziellen Verabschiedung von den EVZ-Fans, die zu Beginn der nächsten Saison in der Bossard Arena stattfinden wird, noch die eine oder andere Anekdote erzählen.

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