Zuger «Dirty Hands»: Kopfüber lebt sich’s besser

Breakdance im Bundeshaus

Erst kürzlich zeigte «Dirty Hands» im Nationalratssaal eine Showeinlage. Auch für die erfahrenen Breakdancer eine ungewöhnliche Erfahrung.

(Bild: zVg)

Von wegen, Breakdance ist nur was für Delinquenten und Kiffer. Drei Baarer beweisen seit 15 Jahren, dass der Tanzstil auch ganz professionell daherkommen kann. Und haben sich sogar eine Existenz damit aufgebaut – auch wenn sie nicht immer ganz ernst genommen werden.

Die Oberneuhofstrasse in Baar ist ein trister Ort. Hier eine Gipserbude, da ein Pizzabäcker, dort ein ominöser Club. Dazwischen, getarnt im klotzigen Industriegebäude, liegt ein Tummelplatz für Bewegungsfreudige. Drei Baarer führen hier ihre Breakdance-Schule.

An den Wänden der grossen Halle prangen mannshohe Graffiti, verschiedene Turngeräte zeichnen sich im Hintergrund ab, entlang der Fensterzeile wurde ein Kunstturnboden installiert. Darauf eine dicke Matte. «Eigentlich wie eine Gumpiburg, nur härter», erklärt Jan Dossenbach. An einer der Wände hängt ein Zertifikat vom Guinness-Buch der Rekorde. 2005 hat Mark den Weltrekord im «Drehen auf dem Ellenbogen» errungen. 16 Mal hat er das geschafft. Der Rest des Körpers blieb dabei notabene in der Luft.

Mark Dossenbach schaffte es mit seinen 16 Ellbogen-Spins ins Guinness-Buch der Rekorde.
Mark Dossenbach schaffte es mit seinen 16 Ellbogen-Spins ins Guinness-Buch der Rekorde.

(Bild: wia)

Alle Karten aufs Tanzen gesetzt

Entspannt sehen die Männer aus, tragen Sneakers und Turnhosen. Wenn man doch auch so zur Arbeit könnte, geht’s einem durch den Kopf. Dass sich die drei gut kennen, ist unschwer erkennbar. Jan und Mark sind Brüder. Den Dritten im Bunde, Michael Hofmann, lernten die beiden um die Jahrtausendwende kennen.

«Unser Ziel war es, so viel wie möglich zu trainieren und letztlich auch davon leben zu können.»

Mark Dossenbach, «Dirty Hands»-Mitglied

Damals seien sie noch eine Gruppe von etwa zehn Leuten gewesen, die Breakdance als Hobby betrieben. «Irgendwann kristallisierte sich heraus, dass wir drei mehr wollten. Unser Ziel war es, so viel wie möglich zu trainieren und letztlich auch davon leben zu können», erklärt Mark Dossenbach. Und sein Bruder ergänzt: «Und auch wenn das Geld nur Mittel zum Zweck ist, bin ich froh, es in einem positiven Umfeld zu verdienen. Indem ich mit Jugendlichen zusammenarbeite und nicht irgendwo in einer Bank Geld herumschiebe.»

Getanzt wird auch mal im Bundeshaus

Gleich nach dem Gymnasium haben sich die drei selbstständig gemacht, eine Breakdance-Schule gegründet und sich als Show-Artisten einen Ruf gemacht. So etwa vor der Schweizer Botschaft in Ecuador, in der Pro7-Sendung «Got to Dance», bei der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels oder aber gerade vor wenigen Tagen im Nationalratssaal des Bundeshauses bei einem Parlamentarieranlass.

«Das war schon ein spezielles Gefühl», erklärt Michael Hofmann. Auch wenn die Show an sich nichts Besonderes gewesen sei. Und Jan Dossenbach ergänzt: «Und letztlich kann man ja auch nicht nervöser sein als nervös.» Eine eigene Tanzschule, Auftritte an Festivals, Grossanlässen vor bekannten Leuten, und das bereits seit über einem Jahrzehnt. Da steckt deutlich mehr als nur jugendlicher Übermut dahinter. Sie meinen es ernst, die drei.

Eine Gumpiburg für Erwachsene quasi.
Eine Gumpiburg für Erwachsene quasi.

(Bild: wia)

«Auch wenn wir an Anlässen nicht immer so behandelt werden», sagt Jan Dossenbach. Und er präzisiert: «Für viele sind wir die ‹Jungs› oder die Wilden, werden manchmal nicht ganz ernst genommen und müssen zwischendurch auch mal kleinere Aufgaben machen, die etwa ein Comedian nie selber verrichten müsste.» Das Breakdance, das seine Wurzeln in der Hip Hop-Szene hat, werde noch immer mit Illegalität in Verbindung gebracht, mit Bandenkriegen und Drogen. «Langsam wird dieses Image jedoch revidiert», sagt Hofmann.

Wann ist man zu alt dafür?

Alle drei Breakdancer haben mittlerweile die 30er-Schwelle überschritten, Mark Dossenbach ist mit 36 Jahren der älteste unter ihnen. Breakdance ist ja nicht gerade ein sanfter Sport. Die Gelenke werden belastet, man bewegt sich auf hartem Untergrund, gerne auch mal auf dem Kopf. Wie lange kann man sowas denn machen? «Solange du einen Körper hast, kannst du auch breakdancen», erklärt er.

«Einen Headspin zu machen mit 60, sollte kein Problem sein.»

Mark Dossenbach, «Dirty Hands»-Mitglied

«Natürlich nimmt die Leistungsfähigkeit ab. Doch dann machst du anstatt 20 Handstände in zwei Minuten halt nur noch drei, dafür langsam.» Ausserdem gäbe es auch Leute im Rollstuhl oder an Krücken, die sich dem Breakdance verschrieben haben. Da gäbe es keine Grenzen. Und Mark Dossenbach macht denn gleich eine Prognose: «Einen Headspin zu machen mit 60, sollte kein Problem sein.» Was das überhaupt ist, zeigt er denn auch gleich.

Trotz Härte sei die Verletzungsgefahr im Breakdance nicht sonderlich hoch. «Klar hat man zwischendurch Gelenkprobleme oder Verspannungen», sagt Hofmann. Doch es passiere kaum je, dass man sich dabei etwas breche. Und er ergänzt: «Man fällt ja höchstens so tief, wie man hochspringen kann.»

Selbstbewusstsein durch wachsendes Körpergefühl

Auf dem Gästebuch der «Dirty Hands»-Webseite wimmelt es von überschwänglichen Feedbacks zu Auftritten, von bewundernden, ja anhimmelnden Kommentaren. Steigt einem das zu Kopf? Alle drei lachen. Und Mark Dossenbach sagt: «Nein, so häufig kommen diese Kommentare ja auch wieder nicht. Was dem eigenen Selbstbewusstsein hingegen wirklich gut tut, ist, wenn man merkt, was mit dem eigenen Körper alles möglich ist, und man die eigenen Fortschritte spürt.»

«Es geht darum, weiterzumachen wie bis jetzt – ohne dabei stehen zu bleiben.»

Michael Hofmann, «Dirty Hands»-Mitglied

Hofmann und die Gebrüder Dossenbach scheinen sich häufig einig zu sein. Über alles werde gemeinsam entschieden. Im Notfall demokratisch. «Das Gute an drei Mitgliedern ist ja, dass es immer eine Mehrheit gibt», sagt der jüngere der Brüder. Wie sieht’s eigentlich mit Zukunftsträumen aus? Gibt’s die? Die drei überlegen kurz. Und Hofmann antwortet: «Wir haben nicht das Ziel, in Las Vegas aufzutreten, wie sich das andere erträumen. Vielmehr geht es uns darum, so weiterzumachen wie bis jetzt – ohne dabei stehen zu bleiben.» Und die Brüder nicken zustimmend.

Genug geredet. Das Training wartet. Fünf bis sechs Mal pro Woche üben die Artisten ihre Moves und Choreografien, zwischen zwei und vier Stunden trainieren sie hier jeweils. Die «Jungs» wärmen ihre Gelenke auf, positionieren sich federleicht und ewig lang im Handstand und hüpfen auf der dicken Matte rum. Das alles sieht sehr lustvoll aus, spielerisch. Ein Spielplatz für Grosse? «Absolut», antwortet Jan lachend.

Nicht nur breakdancen, auch Posen können sie, die Artisten von «Dirty Hands».
Nicht nur breakdancen, auch Posen können sie, die Artisten von «Dirty Hands».

(Bild: wia)

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