So funktioniert der neue Schweizer Meister

Ausbildung und Titelambition: Der EV Zug schafft meisterlichen Spagat

So jubeln Meister: EVZ-Stürmer Grégory Hofmann und seine Teamkollegen. (Bild: Claudio Thoma/freshfocus)

Der EV Zug hat alle seine Kritiker Lügen gestraft: Er kann nicht nur Qualifikation, er kann vor allem auch Playoff. Das hat der Ligadominator mit dem Gewinn des zweiten Meistertitels nach 1998 eindrücklich unter Beweis gestellt. Zeit, den Gipfelsturm einer herausragenden Mannschaft zu beleuchten.

Es war an dem Freitagabend, als der EV Zug den Titelverteidiger SC Bern in dessen Heimstätte aus dem Playoff warf. Jene Mannschaft, gegen die die Zuger 2017 und 2019 den Final verloren hatte. EVZ-Trainer Dan Tangnes stand auf dem Eis, die Rede drehte sich um den Umbau seines Hauses im schwedischen Angelholm, den seine Frau beaufsichtigte und darum, dass er dafür eine Meisterprämie gut gebrauchen könnte.

Schmunzelnd sagte der 42-jährige Norweger zu zentralplus: «Sehen Sie, im Playoff geht es nicht ums Geld. Sondern darum, etwas Einzigartiges zu erschaffen. Etwas, das ein Leben lang bleibt und jene Spieler, die es vollbracht haben, für immer miteinander verbindet. Fragen Sie Beat Gerber. Er wird sich an jedes Detail auf dem Weg zu seinen sechs Meistertiteln mit dem SC Bern erinnern.» Der Verteidiger war am Abend vor dem letzten Aprilwochenende dieses Jahres in Bern für 1000 Spiele in der höchsten Schweizer Liga geehrt worden.

Titanen auf den Schlüsselpositionen

Im Rückblick lässt sich sagen: Die Macher beim EV Zug haben die richtigen Schlüsse aus den beiden Finalniederlagen gezogen. Der Titelgewinn zwei Jahre später wirkt so, als hätte ihn Sportchef Reto Kläy auf dem Reissbrett entworfen.

Die Zuger haben dafür einiges Geld in die Hand genommen. Vor allem aber haben sie es vor Beginn der Saison 2019/20 passgenau investiert. Mit Leonardo Genoni ist jener Goalie aus Bern gekommen, der dann am besten ist, wenn alles auf dem Spiel steht. 2017 und 2019 gab er dem damaligen EVZ-Torhüter Tobias Stephan jeweils das Nachsehen. Leonardo Genoni hat nach Davos und Bern nun auch den EV Zug zu Meisterehren gehext.

Goalgetter Grégory Hofmann ist verpflichtet worden, um die offensive Feuerkraft der Zuger auszubauen. Auch der künftige NHL-Stürmer hat geliefert. Im dritten und entscheidenden Finalspiel war Hofmann die treibende Kraft und machte sich zum EVZ-Meisterschützen (zentralplus berichtete).

EVZ-Trainer Dan Tangnes mit dem Meisterpokal: Er lässt seiner Freude freien Lauf. Im Hintergrund feiern ihn seine Spieler. (Bild: Pascal Muller/freshfocus)

Und nicht zuletzt kam er: Jan Kovar. Der 31-jährige Tscheche ist der faszinierendste Söldner im EVZ seit dem Kanadier Wes Walz, der die Zuger vor 23 Jahren zum ersten Titelgewinn geführt hatte. Jan Kovar gibt seinem Team mehr Hubraum im Offensiv- und Defensivspiel. So einen First-Class-Ausländer hatten die Zuger weder 2017 noch 2019.

Der Mittelstürmer ist der nationale Topskorer in der Qualifikation und den Playoffs. Oder ganz einfach: der beste, kompletteste und wertvollste Spieler in dieser National-League-Saison.

Der Effort einer verschworenen Einheit

Aber es wäre kompletter Unsinn, den Gipfelsturm der Zuger als einen erkauften zu deklarieren. Vielmehr ist dem Rückkehrer ins Konzert der Grossen im Schweizer Eishockey ein meisterlicher Spagat gelungen: Er hat die Ausbildung eigener Talente und seine Titelambitionen unter einen Hut gebracht. Das sind eigentlich Gegensätze, die sich wie zwei gleich gepolte Magnete abstossen.

Zehn Spieler, die im Verlaufe der Saison eingesetzt worden sind, haben ihre Ausbildung im EVZ genossen. Und sie füllten zum Teil Rollen mit grosser Verantwortung aus. Sie heissen: Raphael Diaz (Captain), Tobias Geisser, Nico Gross, Luca Hollenstein, Livio Langenegger, Sven Leuenberger, Lino Martschini, Livio Stadler, Dario Wüthrich und Yannick Zehnder.

«Wir haben die Mär, dass wir nur in der Qualifikation erfolgreich spielen können, ein für alle Mal aus der Welt geschafft.»

EVZ-Sportchef Reto Kläy

Bis auf Diaz (Fribourg), Geisser (Washington Capitals) und Langenegger (SCL Tigers) werden die talentierten Titanen dem EV Zug erhalten bleiben.

Es ist die verschworene Einheit zwischen den Stars und den Eigengewächsen, die die Magie dieser EVZ-Meistermannschaft ausmacht. Vor dem dritten und entscheidenden Schritt in der Finalserie gegen den Genève-Servette HC sagte Tobias Geisser zu zentralplus: «Wir haben einen derart grossen Zusammenhalt in der Mannschaft, dass ausnahmslos jeder dazu bereit ist, seine eigene Gesundheit für den Sieg zu riskieren.»

Die grosse Genugtuung der Zuger

Mit diesem Zusammenhalt, der spielerischen und taktischen Klasse haben die Zuger eine schier perfekte Saison abgeliefert. Noch selten hat eine Mannschaft Qualifikation und Playoffs so dominiert wie der EV Zug. In lediglich sechs von 52 Spielen gingen die Zuger in dieser von Corona geprägten Meisterschaft mit einem Nuller vom Eis. Und sie haben zehn ihrer 13 Playoff-Spiele für sich entschieden.

«Mich gemahnt er in seinem Wesen und Wirken an Arno Del Curto: Er fordert und fördert die Spieler auf einer Vertrauensbasis.»

Je länger die entscheidende Phase der Meisterschaft dauerte, umso höher haben die Zuger ihr gnadenloses Spielniveau geschraubt. Mit besonderer Genugtuung sagt deshalb EVZ-Sportchef Reto Kläy: «Wir haben die Mär, dass wir nur in der Qualifikation erfolgreich spielen können, ein für alle Mal aus der Welt geschafft. Auf den Punkt genau haben wir in den Playoffs performt.»

Der Baumeister des EVZ-Titelgewinns

Der Baumeister dieses Erfolgs ist Dan Tangnes. Der Charismatiker hat die Spieler mit seiner Fach- und Sozialkompetenz für sich und sein Projekt gewinnen können. «Mich gemahnt er in seinem Wesen und Wirken an Arno Del Curto: Er fordert und fördert die Spieler auf einer Vertrauensbasis. Die Spieler wissen, dass sie so besser werden werden können. Und das verleiht ihnen für jeden Arbeitstag neue Motivation», sagt Reto Kläy über die Arbeit seines wichtigsten Angestellten.

Zwischen ihnen sei nach der engen Zusammenarbeit gar eine Freundschaft entstanden. «Wir reden jeden Tag gut und gerne eine Stunde miteinander.» Reto Kläy hat den Vertrag mit Dan Tangnes schon Monate vor dem Gipfelsturm um drei Jahre bis 2024 verlängert.

Am späten Freitagabend, im Bewusstsein darum, seine erste Mannschaft zu Titelehren geführt zu haben, plauderte Dan Tangnes im weissen, durchnässten Hemd mit den Medien. Seine Spieler haben ihn zuvor in den wegen Corona nicht zugänglichen Katakomben der Bossard Arena mit einer Bierdusche gefeiert.

Vor allem aber hatte er feuchte Augen. Es waren Tränen des Glücks. Seit diesem 7. Mai ist Dan Tangnes nicht nur Teil einer unvergesslichen EVZ-Geschichte, die ihn und die Spieler bis ans Lebensende verbinden wird. Vielmehr ist er jetzt auch ein ganz Grosser im Trainerbusiness.

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