Auf Achterbahnfahrt mit dem neuen FCL-Stürmer Varol Tasar
In seiner jungen Karriere hat Varol Tasar mehr erlebt als mancher, der seine aktive Laufbahn schon hinter sich weiss. In der Türkei machte der 24-Jährige Bekanntschaft mit der dunklen Seite des Fussballgeschäfts, nun klettert er die Karriereleiter schnell hinauf. Mit dem Ziel Bundesliga.
Varol Tasar erscheint zusammen mit Alex Carbonell und Dejan Sorgic – alle drei mit perfekt sitzenden Frisuren – 15 Minuten zu spät zum Treffpunkt für das Gespräch mit zentralplus. Der neue Flügelspieler des FC Luzern entschuldigt sich, das Fotoshooting für die neuen FCL-Autogrammkarten habe leider länger gedauert als geplant.
Mit seinen erst 24 Jahren hat der begnadete Linksfuss bereits eine der spannendsten Biografien der Super League. Seine Fussballkarriere beginnt der in Deutschland geborene Varol Tasar beim FC Laufenburg und wechselt 2010 über die Grenze in die Jugendabteilung der Old Boys Basel.
Pikantes Detail: Der FC Basel will den damals 14-Jährigen ebenfalls in seinem Nachwuchs unterbringen, der FCB-Jahresbeitrag von 1500 Franken ist für die Familie Tasar aber nicht zu stemmen.
Eine Odyssee in der Türkei
Es folgt eine mässig erfolgreiche Zeit bei den Old Boys, nach einem Spiel wird der mittlerweile 19-Jährige von einem türkischen Berater angesprochen. Kurz drauf wechselt der Jungspund mit viel Vorschusslorbeeren zum türkischen Drittligisten Aydinspor. Das schnelle Geld habe ihn damals gelockt, gibt der Flügelspieler offen und ehrlich zu: «Heute würde ich diesen Schritt sicher nicht mehr machen.»
Denn was darauf folgt, ist eine Odyssee, wie sie sich leider im Fussballbusiness viel zu oft wiederholt. Der junge Deutsche wartete wochenlang auf seinen Vertrag und als er diesen endlich unterschreiben durfte, wird der Lohn nicht ausbezahlt. Sein Trainer stellte ihn gar nicht erst auf, der windige Berater verschwand mit der Transferprovision spurlos.
Keine einfache Situation für den jüngsten von vier Geschwistern, dessen Familie zu Hause jeden Cent umdrehen musste. Der grosse Traum war geplatzt. Varol Tasar wollte mit seinem Salär den Eltern in der Türkei ein Haus bauen.
Sein kometenhafter Aufstieg
Nach kurzer Auszeit und einem Probetraining beim FC Klingnau folgte für die neue Nummer 29 des FC Luzern aber ein Karrieresprung wie aus einem Fussballmärchen. Eine äusserst erfolgreiche Saison beim Erstligisten machte den FC Aarau auf den Flügelflitzer aufmerksam. Die Aargauer holten den jungen Deutschen vorerst in ihre Nachwuchsmannschaft. Ohne Vertrag und ohne Lohn, versteht sich.
Um diesen Wechsel zu realisieren, musste Tasar sogar auf eine Lehrstelle als Kaufmann verzichten. Für ihn war aber sowieso klar: «Ich werde Fussballprofi!»
«Ich hatte als damals noch junger und unerfahrener Spieler das Gefühl, dass ich alles machen kann und trotzdem am Wochenende spiele.»
FCL-Stürmer Varol Tasar
Innerhalb eines Jahres dribbelte sich Tasar vom Nachwuchs in die erste Mannschaft und unterschrieb seinen lange ersehnten ersten Profivertrag. Für den FCA erzielte Tasar in den folgenden beiden Challenge-League-Saisons in 62 Partien 31 Skorerpunkte.
Sein kometenhafter Aufstieg erinnert an die Karriere des heutigen Bundesligaspielers Renato Steffen. Tasar selbst möchte früher oder später auch in der höchsten deutschen Spielklasse landen.
Wenig Trainingseifer in Aarau
Es lief damals in Aarau für den Jungspund so gut, dass der heute 24-Jährige im Training nicht immer 100 Prozent geben musste. Sein damaliger Mitspieler und Mitbewohner Gianluca Frontino meinte einmal in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung»: «Dass Varol fussballerisch die Super League draufhat, war mir klar, aber ich war mir nicht sicher, ob seine Arbeitseinstellung dafür reicht. Doch er hat mich Lügen gestraft und es gepackt.»
Auf dieses Interview angesprochen, schmunzelt Tasar und sagt: «Ich war in Aarau gesetzt und hatte als damals noch junger und unerfahrener Spieler das Gefühl, dass ich alles machen kann und trotzdem am Wochenende spiele.» Zeitgleich wurden auch einige grössere Vereine auf ihn aufmerksam. Man munkelt, dass der FC Luzern schon damals grosses Interesse signalisierte.
«Mit der Zeit zeigte sich aber, dass mir das Leben und die Kultur in der Westschweiz nicht entsprachen.»
Trotzdem entschied sich Tasar im Februar 2019, auf die neue Saison zum damaligen Challenge-League-Konkurrenten Servette zu wechseln. Er steht dazu, dass der finanzielle Aspekt neben der Aussicht, in der höchsten Spielklasse Fuss zu fassen, dabei auch eine Rolle gespielt habe.
Mit dem FCA scheiterte Tasar im Aufstiegs-Playoff dramatisch an Xamax, der Linksfuss stieg mit Servette aber trotzdem in die höchste Schweizer Spielklasse auf. Die Zeit in der Westschweiz habe ihn reifen lassen, betont Tasar: «Ich spürte bei Servette erstmals die Konkurrenz im Training und merkte, dass ich von nun an in jedem Training alles geben muss, um zu spielen.»
Der Wechsel zum FC Luzern
Es war eine sehr erfolgreiche erste Saison in der Super League für Tasar und seinen Ex-Verein Servette. Wieso also nun der Wechsel zum in der Saison 2019/2020 schlechter platzierten FC Luzern? «Es war mein grosser Wunsch, zurück in die Deutschschweiz und zum FC Luzern zu wechseln», begründet Tasar den Entscheid. «Zu Beginn war alles gut in Genf, mit der Zeit zeigte sich aber, dass mir das Leben und die Kultur in der Westschweiz nicht entsprachen.»
Trotz mangelnden Französischkenntnissen gelangen Tasar in seiner ersten Super-League-Saison in 31 Einsätzen starke 12 Skorerpunkte. Die Genfer liessen ihren Flügelspieler deshalb verständlicherweise nur ungern ziehen.
In Luzern ist Tasar angekommen: Eine Wohnung haben er und seine Freundin bereits letzte Woche gefunden, sein Debüt für den FCL gibt der Offensivspieler voraussichtlich am nächsten Sonntag im Heimspiel gegen St. Gallen. Und falls der 24-Jährige weiterhin gross aufspielt, wird er sich bald seinen grossen Traum erfüllen können: ein Haus für seine Familie in der Türkei.