Wer ist eigentlich Haris Seferovic?

«Arbeit wird am Ende belohnt»

Haris Seferovic jubelt für Benfica.

(Bild: Facebook Benfica Lissabon)

Für ihn ist es Heimat, nach wie vor. Wenn der Surseer Haris Seferovic am Sonntag gegen Belgien in der Luzerner Swissporarena stürmt (20.45 Uhr), geht es für die Schweiz in der Nations League um den Gruppensieg. Für sein eigenes Image kann der 26-Jährige wohl wenig erreichen. Aber der Benfica-Angreifer will gelernt haben, mit Gegenwind umzugehen.

Und tschüss. Wie auf einen nicht hörbaren Donnerhall hat sich Haris Seferovic von seinem Stuhl in der Villa Sassa zu Lugano erhoben. Er müsse nun in die Physiotherapie, sagt er. Höflich reicht er jedem seiner Zuhörer die Hand. Und ist wie der Blitz entschwunden. Keine zurechtgezimmerte Ausflucht.

Seferovic fiel im vorletzten Spiel mit Benfica Lissabon vor dem Zusammenzug der Schweizer Nationalmannschaft aus. Bei der Kata(r)strophe, wie sich Schweizer Medien bei einer wohl kreativ gemeinten Titelsetzung nach dem blamablem 0:1 gegen den Wüstenstaat aus Katar zu überbieten versuchten, stand Seferovic nicht im Einsatz. Er sagt das, was es in der Situation der Schweizer Fussballelite überhaupt zu sagen gibt: «Das war nicht gut, das weiss jeder.»

Für einmal gesprächig

Und doch: Etwas war anders. Ungewohnt. Seferovic hatte etwas zu sagen an diesem lange sonnigen Nachmittag über dem Lago Maggiore. Er parlierte gut 40 Minuten, schien Vertrauen zu fassen zu den Medienschaffenden und sagte in einem richtungsweisenden Punkt des Gesprächs: «Ich habe meine Mutter und meinen Vater dazu gebracht, dass sie ihr Einverständnis zu einem Wechsel ausserhalb der Schweiz gaben.» Das war in den Sommermonaten 2009, die Sorgen bei Mama Seferovic betreffend Wohlergehen des Sohnes gross.

Klein Haris war 17 und eben erst Siegtorschütze einer Schweizer Auswahl geworden, die sich dank seinem Treffer zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte Weltmeister nennen durfte. Ein neues, ein wunderbares Gefühl. Aber nun der Einstieg ins knallharte Fussballbusiness.

Pilot seiner eigenen Karriere

Seit Sommer 2017 spielt Haris Seferovic in Lissabon, im legendären Klub des 2014 verstorbenen Eusebio. In einem Spitzenklub im Land des aktuellen Europameisters. Mit 26 ist Seferovic spürbar glücklich damit, es auf diese fussballerische Flughöhe geschafft zu haben. Er sagt: «Ein Teil von Benfica zu sein, fühlt sich für mich wahnsinnig gut an.»

Spielt bereits in der zweiten Spielzeit in Lissabon für Benfica: Haris Seferovic.

Spielt bereits in der zweiten Spielzeit in Lissabon für Benfica: Haris Seferovic.

(Bild: Facebook Benfica Lissabon)

Sein Vertrag mit den Portugiesen läuft noch bis 2022. Eine lange Zeit, wie geeignet dazu, um den Mittelstürmer vor Ablauf des Vertrages zu verkaufen. Gemäss der im Jargon massgebenden Internetseite transfermarkt.ch liegt der Wert von Seferovic derzeit bei sechs Millionen Euro.

Der Koffer war nicht weit

Es war, ohne Übertreibung, eine Abenteuerreise bis nach Lissabon. Acht verschiedene Arbeitgeber in acht Jahren. Sein Abenteuer startete er nach der Vorrunde 2009/10 mit den Grasshoppers. Erste Zwischenstation ist die AC Florenz. Dann Neuchâtel Xamax unter Bulat Tschagajew. Als nächstes Lecce. Novara. Dann ab zu Real Sociedad San Sebastian in den Norden Spaniens. Und das alles innerhalb von dreieinhalb Jahren. Seferovic sagt, dass er immer Pilot seiner eigenen Karriere gewesen sei. «Ich bestimmte immer, wohin ich wollte. Nur wenn ich keine Chance sah zu spielen, zog ich weiter.»

«Mich hat alles, was war, stärker gemacht.»

Haris Seferovic

Im nordamerikanischen Profisport haben sie einen schmucken Ausdruck für Profis mit häufig wechselnden Arbeitgebern: «Mr. Suitcase». Sinngemäss übersetzt: der Mann mit dem Koffer. Aber wird der Seferovics Wesen und Wirken wirklich gerecht? Nein.

Arbeitsverträge erfüllt

Die volatilen Jahre scheint der Luzerner hinter sich gelassen zu haben. Nach San Sebastian erfüllte er seinen Dreijahresvertrag mit Eintracht Frankfurt in der 1. Bundesliga. Und jetzt steht er auch schon in der zweiten Saison bei Benfica im Sold.

Es waren auch in Deutschland und Portugal nicht nur einfache Zeiten. Seferovic musste sich durchbeissen, täglich aufs Neue beweisen, seine nächste Chance packen. Er sagt: «Am Ende wird harte Arbeit belohnt. In diesem Wissen funktioniere ich. Das ist meinem Charakter geschuldet.»

«Ich muss kaltschnäuziger werden»

Es gibt gute Gründe, ihm das zu glauben. Seferovic ist auf dem Fussballplatz kein Künstler. Sondern ein Arbeiter. Er läuft viel, reisst damit Löcher für seine Teamkollegen auf, er ist ein mitspielender Stürmer, er ist sich nicht zu schade, als vorderster Mann defensive Arbeit zu leisten. Selbstkritisch ortet Seferovic bei sich aber auch Verbesserungspotenzial: «Ich muss kaltschnäuziger werden. Und ich muss mehr aus der Distanz schiessen und mein Kopfballspiel verbessern.»

Er fällt aber auch nicht gleich um, wenn die Kritik der Öffentlichkeit ihm stark entgegenbläst. Im November ist Seferovic gegen Nordirland bei seiner Auswechslung ausgepfiffen worden. Er sagt, dass es das Recht jedes Zuschauers sei, seine Meinung kundzutun.

«Gegenteil von einem eingebildeten Menschen»

«Fussball ist Kopfsache. Unweigerlich gibt es Phasen, in denen es einem nicht läuft, aber zum Glück auch solche, in denen alles gelingt. Was gewesen ist, ist vorbei. Mich hat alles, was war, stärker gemacht.» Doch Seferovic gibt unumwunden zu, dass die Pfiffe in Basel ihm «sehr weh» getan hätten.

Dennoch erweckt er den Eindruck, als ob er mit sich und seinem Leben in diesen Tagen und Wochen im Reinen ist. Auf die Frage, welche Werte ihm im Leben wichtig seien und wie er sich selber beschreiben würde, hält er fest: «Ich glaube, dass ich jemand bin, mit dem man Spass haben und lustig sein kann. Ich rede gerne und freunde mich schnell an.» Und dann betont er: «Ich erachte mich als das Gegenteil von einem eingebildeten Menschen.»

England reizt ihn

Mittlerweile ist auch die Familie beruhigt. Lächelnd erwähnt er, wie froh der Vater sei, dass er es im Profifussball geschafft habe. «Ich habe viel durchgemacht, dabei aber auch einiges gelernt und viel gesehen.» Er erzählt, dass er Italienisch ganz gut sprechen könne, in Lissabon verständige er sich mit «einem Mix aus Spanisch und Portugiesisch».

Mit Englisch habe er hingegen noch seine liebe Müh. Die Premier League übe einen grossen Reiz auf ihn aus, gibt Seferovic zu. Klappt das noch eines Tages, er hätte praktisch alle grossen Ligen Europas auf seiner Visitenkarte.

War das WM-Siegtor ein Fluch oder ein Segen?

Es wäre eine bemerkenswerte Aussage zu seiner Karriere, die mit dem Siegtor im WM-Final 2009 Fahrt aufnahm. Ob dieser Treffer im Nachhinein eher Fluch als Segen war, kann Seferovic neun Jahre danach nicht schlüssig beurteilen. Er sagt: «Er hat hohen Druck ausgelöst. Ob er aber gut oder schlecht war für meine Laufbahn, weiss ich nicht. Es bleibt jedenfalls eine schöne Erinnerung.»

Der Surseer Seferovic im Dress des Schweozer Mittelstürmers.

Der Surseer Seferovic im Dress des Schweozer Mittelstürmers.

(Bild: Maja Hitij – FIFA )

Die Erinnerung eines Surseers, der über die Nachwuchsabteilung des FC Luzern (2004 bis 2007) begann, eine spezielle Fussballerkarriere zu starten. Seferovic ist nach Captain Stephan Lichtsteiner der zweite aktuelle Nationalspieler, der nie für die erste Mannschaft des FC Luzern aufgelaufen ist.

«Es ist wie Heimat»

Trotzdem verbinden ihn gute Gefühle mit Luzern. «Es ist wie Heimat», bemerkt Seferovic. In der Swissporarena hat er eines seiner 14 Tore in den bisher 58 Spielen für die Schweiz gemacht. Beim 3:0 in der EM-Qualifikation traf er, der im Februar 2013 unter Vladimir Petkovic’ Vorgänger Ottmar Hitzfeld sein Debüt im Nationaldress gab, zum Schlussstand.

Nur einmal seit Eröffnung des neuen Stadions auf der Allmend gab es ein Gegentor für die Schweiz. Beim 0:1 im ersten Spiel am 30. Mai 2012 gegen Rumänien. Seither sechs Siege und 16 Tore für die Schweiz.

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