TV-Duell zum Zuger Urteil mit Medienvertretern

Spiess-Hegglin: «Wenn’s weitergeht, dann geht’s halt weiter»

«Wenn's weiter geht, dann geht's halt weiter», äusserte sich Jolanda Spiess-Hegglin zur Möglichkeit, dass sie den «Blick» erneut verklagen könnte.

(Bild: Screenshot SRF)

Was dürfen Medien? Und wann überschreiten sie Grenzen? Es sind schwierige Fragen, welche am Dienstagabend nach dem Urteil des Zuger Gerichtes in der Causa Jolanda Spiess-Hegglin gegen den «Blick» im SRF-Medienclub diskutiert wurden. Und das mehr hitzig denn lösungsorientiert.

Vor Kurzem wurde Ringier zu einer Genugtuung über 20’000 Franken verurteilt. Das Zuger Kantonsgericht befand, das Medienhaus habe die Persönlichkeitsrechte von Jolanda Spiess-Hegglin verletzt (zentralplus berichtete). Konkret hatte dieses vor viereinhalb Jahren im Zuge des Zuger Skandals, der längst auch zu einem Medienskandal avancierte, die Namen der ehemaligen Zuger ALG-Parteipräsidentin und von Markus Hürlimann publik gemacht.

Es ist ein Urteil, dass die Gemüter bewegt. Und spaltet. Denn die Frage, was Medien dürfen und wo wichtige Freiheit beschnitten wird, sorgte im «SRF»-Medienclub für ziemliche Wogen.

Dass das Gericht sein Urteil zugunsten von Spiess-Hegglin fällte, fanden nicht alle Anwesenden gut. So auch Claudia Blumer, die stellvertretende Inlandchefin des «Tages-Anzeigers». Sie sagte zum Beginn der Debatte: «Oft wird einem als Journalist schon mit einer Klage gedroht, sobald man den Telefonhörer in der Hand hält. Hat eine Redaktion nicht das Selbstvertrauen, die Nerven und das Geld dafür, versandet die Recherche.»

Im Interesse der Medienfreiheit hätte sie sich vom Gericht einen Freispruch gewünscht. Gerade auch, weil das Klima in der Schweiz medienfeindlich sei.

Eine «höchst unjournalistische» Argumentation

Rena Zulauf, Spiess-Hegglins Anwältin, liess dieses Argument nicht gelten. «Mit Verlaub, ihre Argumentation ist höchst unjournalistisch. Das wäre, wie wenn einem Banker der Prozess gemacht wird und dieser einen Freispruch erhalten würde, da das Klima gegenüber den Banken in der Schweiz negativ sei», so Zulauf. Blumer würde die aufklärerischen Errungenschaften der Rechtsprechung in Frage stellen.

Peter Rothenbühler, ehemaliger Chefredaktor des «Sonntagsblicks» und auffälligster Charakter der Runde, liess denn nicht lange mit seinem Votum auf sich warten. «Wir hätten die Geschichte auf jeden Fall so gebracht wie der ‹Blick›. Ohne Bedenken. Diese Geschichte war eine Weltpremiere. Jeder Journalist muss die Geschichte bringen», war Rothenbühler überzeugt.

«Ja, ohne die Namen», schaffte es Hansi Voigt, ehemaliger Chefredaktor von «Watson» und «20 Minuten Online», dazwischenzurufen, bevor es rasant weiterging.

«Es ist an sich wie in Heinrich Bölls Buch ‹Die verlorene Ehre der Katharina Blum›.»

Mario Gmür, Psychoanalytiker

Mario Gmür, seines Zeichens Psychoanalytiker, schätzte ein: «Es ist im Prinzip wie in Heinrich Bölls Buch ‹Die verlorene Ehre der Katharina Blum›. Es ist nicht nur problematisch, dass Spiess-Hegglins Intimsphäre zutiefst verletzt wurde. Sondern auch, dass sie als lasterhaftes Luder und Intrigantin dargestellt wurde.»

Es handle sich um eine klassische David-Goliath-Situation. «Das Opfer hat keine Chance. Es ist klein. Die Medien sind gross», so Gmür.

Ex-«Sonntagsblick»-Mann teilt mächtig aus

Immer wieder warf Ex-«Sonntagsblick»-Mann Rothenbühler beharrlich in die Runde, dass es ja nur ein Opfer in dieser ganzen Sache gäbe, und zwar Markus Hürlimann. Spiess-Hegglin habe die Sache mit den K.-o.-Tropfen nur erfunden, die ganze Sache inszeniert. «Es ist unglaublich, dass sie nun auf den ‹Blick› schiesst», so Rothenbühler.

Und dann wurde es laut – und etwas mühsam. Alle sprachen hastig durcheinander, kein konstruktiver Ansatz war in Sicht. «Man weiss nicht, was an diesem Abend passiert ist», so Anwältin Zulauf vehement. «Eine weitere Variante ist nämlich, dass beide gleichermassen Opfer sind.»

«Ich denke, das Urteil wird Bestand haben. Die Argumentation ist stichhaltig.»

Roland Fankhauser, Rechtsprofessor

Ob das gefällte Urteil gegen den «Blick» denn nun etwas in der Medienbranche verändere, wollte Moderator Franz Fischlin wissen, und führte mit der Frage wieder zurück auf den geplanten Pfad. Der anwesende Professor für Zivilrecht, Roland Fankhauser, schätzte vorsichtig ein: «Auch wenn jeder Fall einzeln angeschaut werden muss und die Grenzen nicht haarscharf sind, denke ich, das Urteil wird Bestand haben. Die Argumentation ist stichhaltig.»

Und es darf wohl als Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung «Blick» gewertet werden, als Fankhauser sagte: «Die Medien sollen das Urteil zur Selbstreflexion brauchen.»

Denn die Boulevardzeitung scheint nun eben das gerade nicht gemacht zu haben. Der «Blick» zeigt bis dato überhaupt keine Reue. Im Gegenteil. Man überlege sich, den Fall weiterzuziehen, erklärte die Zeitung in einem schriftlichen Statement, und weil man sich im laufenden Verfahren befinde, habe man die Einladung für den Medienclub ausgeschlagen.

Vielleicht klagt Spiess-Hegglin erneut gegen den «Blick»

Auch Jolanda Spiess-Hegglin behält sich weitere rechtliche Schritte gegen den «Blick» vor. Konkret geht es um die Herausgabe des Gewinns, welcher Ringier allein mit Artikeln über die Zugerin erwirtschaftet habe.

Gemäss Hansi Voigt, welcher die Summe selber ausgerechnet hat, handle es sich um einen Umsatz von mindestens 1,2 Millionen Franken. Voigt, der sich eingehend mit der Causa Spiess-Hegglin befasst hatte, Einblicke in persönliche Dokumente erhielt und ein Interview mit ihrem Mann führte, sagte: «Diese Geschichte hat mich als Journalist verändert.» Im gleichen Atemzug verurteilte er die fehlende Selbstkritik der Medien und die Unfähigkeit, hinzustehen und sich zu entschuldigen, wenn sie Fehler gemacht hätten.

«Wenn’s weitergeht, dann geht’s halt weiter.»

Jolanda Spiess-Hegglin

Übrigens: Jolanda Spiess-Hegglin war selber ebenfalls nicht in der Runde mit dabei. Dies, da sie nicht als Medienopfer dastehen habe wollen. In der Sache gehe es nicht um sie.

Dennoch äusserte sie sich mittels Videobotschaft. «Ich hoffe auf eine disziplinierende Wirkung des Urteils. Mir geht es auch um die Frage, ob ein Konzern mit Persönlichkeitsverletzungen Geld verdienen darf.» Und bezüglich einer neuen Klage: «Wenn’s weitergeht, dann geht’s halt weiter.»

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