Zug: SRF-«Reporter» über Zuger Skandal

Spiess-Hegglin-Doku hält nicht, was sie verspricht

Jolanda Spiess-Hegglin: die Affäre hat sie ihre Polit-Kakrriere gekostet.

(Bild: Screenshot SRF)

Eine SRF-Journalistin hat die Zuger Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin seit dem Skandal nach der Landammannfeier 2014 bis heute immer wieder interviewt. Das Ergebnis ist eine ambivalente Reportage, die einen etwas ratlos zurücklässt.

Der Film beginnt mit dem (vorläufigen) Ende der Geschichte: Die ehemalige Grüne und spätere Kantonsrätin der Piraten schreibt am Computer ihren Rücktrittsbrief (zentralplus berichtete). Und die Reportage endet mit der Szene, als Jolanda Spiess-Hegglin eine Briefmarke aufs Couvert klebt. Ein neuer Lebensabschnitt fange nun für sie an, sagt die Zugerin in die Kamera und freut sich sichtlich. Darauf fragt die Reporterin: «Geben Sie jetzt Ruhe?» Die Antwort von Jolanda Spiess-Hegglin: «Ja, von mir aus schon. Wenn die Gesellschaft mitspielt. Aber nur dann.»

So ambivalent wie ihre Antwort ist auch die Reportage zwischen der Anfangs- und der Schlussszene. Sie rekapituliert die Geschehnisse nach der Landammannfeier am 20. Dezember 2014, nach der es im Restaurant Schiff in Zug zwischen Jolanda Spiess-Hegglin (damals ALG-Kantonsrätin) und Markus Hürlimann (SVP-Kantonsrat und damals Kantonalpräsident) zu einer erotischen Annäherung kam, welche seither unterschiedlich dargestellt wird.

Laut Hürlimann war es einvernehmlicher Sex, ein bedauerliches «Fremdküssen». Spiess-Hegglin macht Erinnerungslücken geltend und spricht von sexuellem Missbrauch unter Einfluss von K.-o.-Tropfen. Die Beweise fehlen. Ambivalenz herrscht auch in der Öffentlichkeit: Obwohl niemand Genaueres weiss, hat jeder eine Meinung dazu.

«Bewiesen ist bis heute nichts. Trotzdem hat die Gesellschaft geurteilt. Die Lokalpolitikerin wird zur Zielscheibe hemmungsloser Beschimpfungen.»
Schweizer Fernsehen SRF

Opfer oder Lügnerin?

Die SRF-Reporterin Vanessa Nikisch interviewte Spiess-Hegglin während zwei Jahren zu verschiedenen Zeitpunkten, war bei ihr zuhause und begleitete sie in der Öffentlichkeit. «Opfer oder Lügnerin? Bewiesen ist bis heute nichts. Trotzdem hat die Gesellschaft geurteilt. Die Lokalpolitikerin wird zur Zielscheibe hemmungsloser Beschimpfungen», heisst es plakativ. Kurz nach der Sache ist Nikisch bei Spiess-Hegglin zuhause in Oberwil, diese zeigt neue Hassbriefe im Briefkasten. Sie legt sie retour, verlässt das Haus, gibt aber zu verstehen, dass sie diese doch einmal lesen werde. «Wenn es mir gut geht.»

Wenig Lob für die Sendung

Was schreiben andere Medien zur SRF-Sendung über Jolanda Spiess-Hegglin? «Kein Stück schlauer», schrieb der «Blick», er kritisiert den Beitrag als «wenig erhellend». Der «Tages-Anzeiger» meinte: «Dabei wäre Ruhenlassen die beste Strategie gewesen – politisch, aber auch für den eigenen Seelenfrieden.» Juristisch sei das «Trauerspiel» schon seit Mitte 2015 abgeschlossen. «Bleibt zu hoffen, dass es mit diesem Film auch in der Öffentlichkeit so ist.» – Spiess-Hegglins Aussage im Film stimmt eher pessimistisch.

Jolanda Spiess-Hegglin und die Reporterin sind die Hauptpersonen im Film. Andere Personen kommen praktisch nicht vor. Die wenigen, die sich äussern, sagen oberflächlich bloss einige Sätze. Nikisch versucht zu ergründen, warum sich Spiess-Hegglin so verhalten hat, wie sie sich verhalten hat. Das Fazit der Reporterin: Der dauernde Schritt in die Öffentlichkeit ist ihr verzweifelter Versuch, Ordnung und Reputation wieder herzustellen.

FDP-Kantonsrätinnen äussern sich abfällig

SRF war zum Beispiel präsent an der Kantonsratssitzung im Januar 2015, als die damalige Grüne und der SVP-Kantonsrat das erste Mal wieder aufeinandertrafen. Grosse Medienpräsenz, Zug steht im Rampenlicht. Landammann Heinz Tännler kann sich nicht erinnern, dass er einmal gesagt hat, er sei enttäuscht gewesen über die Geschehnisse nach seiner Feier. Die Grünen sagten damals ebenfalls nichts vor der Kamera und verpassten ihrer damaligen Kantonsrätin Spiess-Hegglin einen Maulkorb (an den sie sich aber dann doch nicht hielt). Kantonsräte wollten sich nicht äussern.

«Für mich sind die beiden politisch tot. Sie haben den Kanton vier Wochen lang zum Gespött gemacht.»
Alice Landtwing, Zuger FDP-Kantonsrätin

Weibliche Solidarität oder zumindest Zweifel, was genau passiert ist? Ebenfalls Fehlanzeige. «Es lohnt sich nicht», entschlüpfte es Michèle Kottelat, damals GLP-Kantonsrätin. Die Zuger FDP-Kantonsrätin Monika Weber äusserte sich so: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Politiker mit K.-o.-Tropfen an eine Feier geht. Ich wäre an ihrer Stelle ruhig geblieben und wäre der Sitzung ferngeblieben.» Und FDP-Parteikollegin Alice Landtwing setzte noch einen drauf: «Für mich sind die beiden (Anmerkung: Spiess und Hürlimann) politisch tot. Sie haben den Kanton vier Wochen lang zum Gespött gemacht.»

Anlass ins Wasser gefallen

Tragisch ist auch die Szene, als Jolanda Spiess-Hegglin zur merkwürdigen «Unterwäsche-Aktion» an ihrem 35. Geburtstag im November 2015 einlädt (zentralplus berichtete). Es sind weit mehr Journalisten als Freunde gekommen. Dann regnet’s auch noch. Spiess-Hegglin will die Medien plötzlich wegschicken. Ihr Ehemann Reto Spiess wird unfreiwillig in die Geschichte hineingezogen. Er steht zu seiner Frau, möchte sie unterstützen. «Es gibt viel zu erzählen», sagt er, «aber nicht unbedingt vor der Kamera.» «Reporter» filmt ihn trotzdem, obwohl er eigentlich nichts sagen wollte. Mehr oder weniger voyeuristisch und daneben von SRF, doch auf gewissen Social Media gang und gäbe.

Die Fakten werden einmal am Rande erwähnt. Fakt ist: Markus Hürlimanns DNA wurde in Spiess› Vagina und an ihrem Slip gefunden. Eine Straftat sei damit dennoch nicht bewiesen. Die Untersuchung wurde eingestellt: Weder Zeugenbefragungen noch medizinische Proben haben bewiesen, dass Jolanda Spiess-Hegglin in der besagten Nacht gegen ihren Willen etwas angetan wurde.

Schlussstrich nach zwei Jahren?

Der Film wird wohl das Gegenteil von dem erreichen, was er vorgibt zu tun. Nämlich einen klaren Abschluss zu markieren. Er klärt die Ereignisse nicht auf, da er keine neuen Fakten liefert. Ausserdem zeichnet der Beitrag ein teilweise wenig schmeichelhaftes Bild von Jolanda Spiess-Hegglin, das man je nachdem als charakterstark oder unbelehrbar werten kann. Sie hörte nicht auf Ratschläge ihres Kommunikationsberaters und ihrer Partei und machte, was sie wollte. Ohne zu bedenken, dass dadurch alles nur noch schlimmer wurde. Ausserdem zeigt der Film auf, wie Spiess-Hegglin eine seltsame On/Off-Beziehung mit den Medienschaffenden pflegt. Sie dirigiert sie nach ihrem Gutdünken.

Zur Zuger Affäre gehörten zwei Personen. Markus Hürlimann hat geschwiegen und überstand die Sache politisch. Er sitzt noch immer im Rat, obwohl auch er am Skandal beteiligt war und sein Rücktritt von Zuger Parteien ebenfalls gefordert wurde. Einzig den kantonalen Parteivorsitz musste er abgegeben. Ob er politisch noch etwas zu sagen hat, ist schwierig zu beurteilen.

Auch in den Sozialen Medien wurde die SRF-Sendung kontrovers diskutiert. Einige Tweets dazu: 

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 29.11.2016, 14:29 Uhr

    Nachzutragen wäre noch, dass in einer machistischen Kultur stets den Frauen die Schuld für eine Affäre zugeschoben wird, sei der GV mit beidseitigem Einverständnis passiert oder nicht. Frauen werden gemobbt und als Schlampen bezeichnet. Männer hingegen werden für ihr «Durchsetzungsvermögen» bewundert. Jolanda Spiess-Hegglin erhielt unzählige Briefe und Mails mit übelsten Schmähungen. Markus Hürlimann, der verheiratete Politiker, wurde von seiner Partei SVP für seine sexuelle Eskapade geehrt: mit einem Spiess!!!

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  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 29.11.2016, 14:14 Uhr

    @Spargeltarzan: So etwas Tendenziöses kann nur ein Mann schreiben. Es gibt 3 unbestreitbare Fakten: 1. Bei Vergewaltigungen sind meistens Männer die Täter und Frauen die häufigsten Opfer. 2. Täter sagen häufig, der GV sei mit Einverständnis des Opfers passiert. 3. In vielen Fällen werden Täter freigesprochen, weil die Vergewaltigung nicht bewiesen werden kann. Im vorliegenden Fall den mutmasslichen Täter zum Opfer zu machen und als «unbescholtenen Sohn» zu bezeichnen, erscheint mir sehr fragwürdig. GV mit einem/einer wehrlosen (durch Alkohol oder andere Substanzen) PartnerIn erfüllt den Straftatbestand der Schändung (Art. 191 StGB). Es erscheint mir, dass die Richter in diesem Fall bei der Untersuchung gepfuscht haben, sprechen doch die Indizien klar dafür, dass Jolanda Spiess-Hegglin die Wahrheit sagt.

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  • Profilfoto von Spargeltarzan
    Spargeltarzan, 29.11.2016, 07:01 Uhr

    @Hans Peter Roth – wer hirnlos sich zeigt, für den dient als Antwort, wenn man schweigt

    @zentralplus – besten Dank für Ihre sachliche Berichterstattung.

    Rechtskräftige Entscheide / Urteile – immer wieder, medial und virtuell in Frage zu stellen, führt im Ergebnis zu einer Desavouierung und Sekundär – Viktimisierung des zu Unrecht beschuldigten. Aufgrund der Falschbeschuldigung und deren Folgen, erduldete der Betroffene ein Leid, deren Respekt zu gewährleisten ist. Das bezieht sich insbesondere auf die Gefühle der Angehörigen, so beispielsweise der Eltern. Mit Unverständnis müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass ihr unbescholtener Sohn, nun auch noch im Schweizer Fernsehen, in seiner Würde blossgestellt wird.

    @Reporter – jede Form der kommerziellen Werbung sei zu vermeiden.

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  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 29.11.2016, 00:30 Uhr

    Gemäss Scharia, dem muslimischen Strafkodex, wird eine vergewaltigte Frau gesteinigt, wenn sie nicht drei männliche Zeugen beibringen kann, welche die Vergewaltigung bestätigen. Doch welcher Mann ist so blöd (selbst wenn er bei der SVP ist), dass er seine Untat vor Zeugen ausführt. Im Kanton Zug herrscht die Scharia: Jolanda Spiess-Hegglin konnte keine Zeugen für die Vergewaltigung beibringen. Somit wird sie als Lügnerin gesteinigt, obschon die Indizien dafür sprechen, dass sie die Wahrheit sagt. So ist eben das Leben bei den Extremisten!

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