Zuger Expats auf Stellensuche

Spezialisten, die keiner haben will

Gut ausgebildete Fachkräfte landen in Zug zunehmend auf dem Arbeitsamt – und bekunden Mühe dabei, einen neuen Job zu finden. (Bild: Andrey Popov / Fotolia)

Sie leben im Kanton Zug, sind gut ausgebildete und hoch qualifizierte Kaderleute: die Expats. Diese wohlhabenden Ausländer bringen dem Kanton nicht nur ein kosmopolitisches Flair, sondern auch gutes Geld. Nicht immer, allerdings. Denn die nomadischen Führungskräfte landen in Zug zunehmend auf dem RAV – und bleiben ungewöhnlich lange dort.

Sie kommen aus der ganzen Welt nach Zug: Fachkräfte, Spezialisten, Expats. Sie werden angefragt von international waltenden Firmen, die sich im Kanton Zug angesiedelt haben. Sie sind hochqualifiziert, verdienen gut – und stehen vor einem Problem. Denn das hohe Bildungsniveau schützt nicht vor Arbeitsplatzverlust. «Es ist tatsächlich so, dass es in Zug eine steigende Zahl an Expats gibt, die auf Stellensuche sind», sagt Robert Mattli vom regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Zug.

Bei der Zuger Volkswirtschaftsdirektion bestätigt man dies. Generalsekretär Gianni Bomio: «In letzter Zeit ist die Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften im Wirtschaftsplatz Zug gestiegen. Deshalb sind mehr gekommen. Und darum ist die Quote an arbeitslosen Personen in diesem Segment im Vergleich zu anderen Regionen der Schweiz höher.» Allerdings, so Bomio, hätten Hochqualifizierte ein geringeres Risiko, ihre Stelle zu verlieren, als beispielsweise Personen mit schlechter Ausbildung.

Moderne Nomaden

Ein Expatriate (kurz: Expat) ist eine Person, die vorübergehend oder dauerhaft ihren Wohnsitz in einem anderen Land hat, als in dem sie gelebt hat und aufgewachsen ist. Das Wort kommt aus dem Lateinischen ex («aus») und Patria («Land, Vaterland»). Expats sind moderne Nomaden in wirtschaftlicher Mission. «Für uns sind Expats Leute, die für maximal fünf Jahre nach Zug kommen und die Absicht haben, wieder zu gehen», sagt Gianni Bomio von der Zuger Volkswirtschaftsdirektion. Bezogen auf den Wirtschaftsraum Zug seien sie primär im internationalen Handel und im Finanzsektor tätig. «In Unternehmen mit internationalem Tätigkeitsfeld», umschreibt es Bomio.

Anteil Expats am arbeitslosen Kader nimmt zu

Beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco vermutet man für die Zunahme an arbeitslosen Expats einen Zusammenhang mit den Währungsturbulenzen vom Januar 2015. Gemäss der Bundesbehörde betrug die Arbeitslosenquote des Kantons Zug im November 2015 2,4 Prozent. Von den insgesamt 1555 gemeldeten Arbeitslosen sind 152 ausländische Kaderleute, was einem Anteil von 9,8 Prozent entspricht. In der Stadt Zug betrug der Anteil Ausländer an den arbeitslosen Kaderleuten im November 14,9 Prozent, in Baar sind es 8,6 und in Cham 6,3 Prozent.

Zum Vergleich: Im November 2014 betrug der Anteil Ausländer an den arbeitslosen Kadern im ganzen Kanton 8,9 Prozent – ein Prozentpunkt weniger als im November 2015. Bemerkenswert ist dabei insbesondere die Situation in der Stadt Zug. Vor einem Jahr waren dort 8,8 Prozent aller Arbeitslosen ehemalige Kaderleute. Innerhalb von einem Jahr stieg diese Zahl auf 14,9 Prozent (vgl. Diagramm). Die Gemeinden Neuheim und Menzingen fallen aus dem Raster, weil dort die Werte weniger als fünf betragen und aus Datenschutzgründen nicht kommuniziert werden.

Fabian Maienfisch vom Seco betont zwar, dass die Zahl der arbeitslosen Kader nur in den Gemeinden Zug, Baar und Cham genügend gross sei, um daraus fundierte Schlüsse ziehen zu können. Die 14,9 Prozent ausländische Kaderleute ohne Job gegenüber dem kantonalen Anteil von 9,8 Prozent sprechen aber zumindest für die Kantonshauptstadt eine deutliche Sprache.

«Betroffen sind Spezialisten, die von internationalen Firmen angeworben worden sind und beim Wegzug der Firma nicht mitreisen.»

Robert Mattli, RAV Zug

Problem Sesshaftigkeit

«Die Expats, die sich bei uns melden, sind hauptsächlich Personen, welche einst als Expats in die Schweiz gekommen und dann hier sesshaft geworden sind», erläutert Mattli. Bei den hochqualifizierten Ausländern, die auf dem Arbeitsamt landen, handelt es sich also genau genommen um Ex-Expats. Was jedoch bleibt, ist ihr Spezialisten-Status, wie Mattli ausführt: «Betroffen sind in der Regel Spezialisten, die von internationalen Firmen irgendwo auf der Welt angeworben worden sind und beim Wegzug der Firma nicht mitreisen.» Einen Zeitpunkt für den Beginn dieser Entwicklung könne er jedoch nicht nennen.

Anteil Expats an den Arbeitslosen in den Zuger Gemeinden in Prozent. Vergleich November 2014 und November 2015.

Anteil Expats an den Arbeitslosen in den Zuger Gemeinden in Prozent. Vergleich November 2014 und November 2015.

«Die Stellensuche von Expats dauert länger als im Durchschnitt.»

Robert Mattli, RAV Zug

Die Gründe dafür, dass sie sich dazu entschliessen, hier zu bleiben und damit den Jobverlust in Kauf nehmen, sind vielfältig. Eine Rolle mag die schulische Sozialisation der Expat-Kinder spielen. Fakt ist jedenfalls, dass es für hochqualifizierte Arbeitslose bedeutend schwieriger ist, einen neuen Job zu finden. Mattli weiss auch, weshalb dies so ist: «Der Hauptgrund liegt darin, dass diese Gruppe von Stellensuchenden in der Regel aus Fachleuten besteht, deren Profil nicht alle Tage gesucht wird.» Die Fähigkeiten von Führungskräften sind besonders geschult und in diesem Sinne nicht ohne weiteres überall einsetzbar. «Die Stellensuche von Expats dauert länger als im Durchschnitt», sagt Mattli.

Für Gianni Bomio von der Zuger Volkswirtschaftsdirektion sind drei Gründe dafür verantwortlich, dass das RAV Probleme damit hat, arbeitslose Expats zu vermitteln. «Erstens sind solche Stellen für Hochqualifizierte praktisch nicht ausgeschrieben. Zweitens gibt es überhaupt nur sehr wenige solche Stellen. Und drittens läuft die Vermittlung von Arbeitsplätzen für Expats in erster Linie über deren Netzwerke.» Das dauere dann entsprechend länger. Und wenn das Netzwerk gänzlich fehlt, werde es schwierig.

«Finanzielle Aspekte waren sicherlich mit ein Grund, trotzdem hier zu bleiben.»

Robert Mattli, RAV Zug

Überqualifikation und mangelnde Sprachkenntnisse

«Diejenigen Expats, die ich kenne und die dann beim Umzug der Firma nicht mitgegangen sind, waren meistens länger hier als eigentlich vorgesehen», sagt Mattli. Sie seien aus diesem Grund stark mit der Region verbunden, besonders wenn dann noch Kinder hinzukommen. «Zudem sind sicherlich auch finanzielle Aspekte, wie ALV und potenzielle Gehälter, mit ein Grund, trotzdem hier zu bleiben», führt er aus.

Selbst wenn sich hochqualifizierte Arbeitslose dazu bereit erklären, für einen neuen Job ihre eigentliche Branche zu wechseln, werden die Chancen auf den Wiedereintritt ins Arbeitsleben nicht erhöht. «Hochqualifizierte, die bereit wären, die Branche oder die Funktion – oder beides – zu wechseln, werden von den Arbeitgebern oftmals als überqualifiziert beurteilt», erklärt Robert Mattl vom RAV. Die Qualifikation, die den Expats die Tore des weltweiten Arbeitsmarkts öffnen, fungieren beim Jobverlust also zugleich als Türverriegler.

In gewissen Fällen hätten es die Expats jedoch selbst in der Hand, ihre Chancen auf dem Stellenmarkt etwas zu erhöhen. Wenn es darum geht, auch bei nationalen Unternehmen neu Fuss fassen zu können, ist die Beherrschung der hiesigen Landessprache unumgänglich. «Gerade bei arbeitslosen Ausländern, auch bei gut Qualifizierten, sind mangelnde Deutschkenntnisse oft ein grosses Handicap, wenn es darum geht, auf dem Schweizer Arbeitsmarkt eine neue Stelle zu finden», sagt denn auch Arbeitsvermittler Mattli.

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