Luzern macht es besser als andere Städte

«Sozialhilfe wird immer mehr zum Auffangbecken»

Kennt alle Zahlen: Stefan Liembd, Leiter der Sozialen Dienste der Stadt Luzern.  (Bild: jwy)

Die Stadt Luzern steht im Vergleich mit anderen Städten gut da: Die Sozialhilfequote bleibt stabil bei 3,5 Prozent – tiefer als etwa im ähnlich grossen St. Gallen. Trotzdem: Sorgen bereiten der Stadt, dass Leute immer länger Sozialhilfe beziehen. Und im Asylbereich stellt die Stadt eine Forderung an den Kanton.

Seit diesem Dienstag kennt man die neusten Zahlen zur Sozialhilfe in 14 Schweizer Städten – darunter auch der Stadt Luzern. Und zusammenfassend kann man sagen: Luzern liegt unter dem nationalen Mittelfeld, und die Sozialhilfequote ist stabil. Stefan Liembd, Leiter der Sozialen Dienste der Stadt Luzern, sagt: «Das ist ein erfreuliches Resultat, Luzern ist gut aufgestellt.» Sorgen bereitet der Sozialdirektion allerdings, dass die Bezugsdauer von Sozialhilfe steigt.

In konkreten Zahlen ausgedrückt: Die Sozialen Dienste der Stadt Luzern haben im letzten Jahr 2859 Menschen mit wirtschaftlicher und persönlicher Sozialhilfe unterstützt. Das sind zwar etwas mehr als 2014 (+58 Personen), doch weil auch die städtische Bevölkerung stark wächst, bleibt die Quote mit 3,5 Prozent trotzdem stabil. Luzern zählte 2015 rund 560 Einwohner mehr als im Vorjahr.

Im Vergleich mit den anderen Städten liegt Luzern im Mittelfeld: Grosse Städte wie Zürich, Basel und Bern haben höhere Sozialhilfequoten von über 4 Prozent. Die Stadt St. Gallen – punkto Wohnbevölkerung mit Luzern vergleichbar – hat sogar eine Quote von 4,2 Prozent. Auch die grossen Luzerner Vorortsgemeinden Emmen (3,4 Prozent) und Kriens (3,7 Prozent) hatten in den letzten Jahren ähnlich hohe Sozialhilfequoten wie die Stadt Luzern – die Zahlen stammen allerdings noch von 2014.

Sozialhilfequoten von 14 Städten im Vergleich:

Luzern trotzt dem Trend 

Die neusten Kennzahlen zur Sozialhilfe stammen aus dem jährlichen Bericht der Städteinitiative Sozialpolitik und der Berner Fachhochschule, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Die Städteinitiative vertritt die sozialpolitischen Interessen von rund 60 Schweizer Städten. Der Bericht zeigt, dass mittelgrosse Städte steigende Sozialhilfequoten verzeichnen. «Diesem Trend konnte sich Luzern im Berichtsjahr ein Stück weit entziehen», teilt die Stadt Luzern mit.

«Betroffene Menschen bleiben länger in der Sozialhilfe.»

Stefan Liembd, Leiter Soziale Dienste Luzern

Auch bei den Fallzahlen liegt Luzern besser da als vergleichbare Städte wie St. Gallen: Die Sozialen Dienste der Stadt Luzern haben letztes Jahr 1915 Fälle bearbeitet – davon 552 neue. Auch die Zahl der neuen Fälle hat in den letzten Jahren stagniert. Es sei erfreulich, dass die Zahl der neuen zusätzlichen Sozialhilfe-Fälle nicht weiter zunimmt, so Stefan Liembd. Allerdings ist fraglich, ob das so weitergeht: Von einer Trendwende könne man noch nicht sprechen.

Menschen beziehen länger Sozialhilfe

Zug hat die zweittiefste Sozialhilfequote

Die Städteinitiative hat erstmals die Sozialhilfe von 14 Schweizer Städten verglichen. Im Durchschnitt hat die Sozialhilfe 2015 gegenüber dem Vorjahr um 2,2 Prozent zugenommen. Die grössten Städte verzeichneten stabile oder leicht sinkende Sozialhilfequoten, die mittelgrossen einen leichten Anstieg (hier geht's zum Bericht).

In den Städten Zug und Luzern blieb die Sozialhilfequote stabil: In Luzern beträgt sie 3,5 Prozent, in Zug verharrt die Quote auf dem sehr tiefen Niveau von 1,7 Prozent (nur Uster liegt mit 1,4 Prozent noch tiefer). Die Bezugsdauer der Sozialhilfe hat in Zug gar leicht abgenommen: von 24 auf 23 Monate. In Luzern hat die Bezugsdauer von 24 auf 27 Monate zugenommen (Schnitt aller Schweizer Städte: 42 Monate).

Dass die Gesamtzahl der Fälle leicht zunahm (um 65 Fälle), liegt daran, dass die durchschnittliche Bezugsdauer steigt. «Die betroffenen Menschen bleiben länger in der Sozialhilfe», sagt Stefan Liembd zum Anstieg. Aktuell beträgt die Unterstützungsdauer pro Fall im Mittel 27 Monate, 2010 waren es noch 20 Monate. Trotz Zunahme steht die Stadt Luzern auch hier im nationalen Vergleich gut da: Die mittlere Bezugsdauer über alle Städte beträgt 42 Monate. In der städtischen Rechnung schlug die Sozialhilfe 2015 mit etwas mehr als 27 Millionen Franken zu Buche, 2014 waren es noch rund 400’000 Franken weniger. Für 2016 rechnet Luzern mit Kosten von 28,5 Millionen.

Stefan Liembd führt den Anstieg auch auf Strukturprobleme der Gesellschaft zurück. «Die Sozialhilfe wird immer mehr zum Auffangbecken», sagt er. Wegen der rasanten Veränderung der Schweizer Wirtschaft hätten Menschen mit geringer Berufsbildung und Langzeitarbeitslose immer mehr Mühe, einen Arbeitsplatz zu finden. «Es gibt bald keine Stellen mehr für Leute mit schlechter Ausbildung», sagt Liembd. Auch Menschen, die Gesundheitsprobleme haben, jedoch keine IV erhalten, hätten zunehmend Mühe, eine Arbeit zu finden.

Steigende Sozialhilfe bei Flüchtlingen

Um den zunehmenden Langzeitfällen entgegenzuwirken und den betroffenen Menschen zu helfen, früher aus der Sozialhilfe zu kommen, hat die Stadt Luzern verschiedene Projekte lanciert. Etwa die Programme Fit und Refit. «Sozialhilfebezüger bekommen hier die Gelegenheit, durch temporäre Stellen bei der Stadtverwaltung in den Arbeitsmarkt zurückzufinden», so Liembd. Die Stadt prüfe zudem die Mitarbeit im kantonalen Projekt Optima. Es soll die Zusammenarbeit der RAV, der IV und der Sozialdienste der Gemeinden bei der Integration im Arbeitsmarkt verbessern.

Die Stadt Luzern sieht noch andere Herausforderungen: Neben der langen Bezugsdauer sind das die Kosten in den Bereichen Asyl und Flüchtlinge in der Sozialhilfe. Die Stadt Luzern hat dieses Jahr 16 neue Falldossiers von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen vom Kanton Luzern übernommen. Im nächsten Jahr erwartet sie 21 Falldossiers. In den ersten zehn Jahren ist der Kanton zuständig – danach geht der Fall an die Wohngemeinde: Sie ist dann für anerkannte Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen, die länger als zehn Jahre in der Schweiz leben, zuständig.

«Das macht uns Sorgen: Was soll man noch unternehmen, wenn jemand nach 10 Jahren immer noch Sozialhilfe braucht?», fragt Stefan Liembd. Und diese Fälle werden zunehmen: «Weil die Schutzquote von Asylsuchenden in der Schweiz aktuell sehr hoch ist, wird die Anzahl neuer Falldossiers in den nächsten Jahren weiter steigen», sagt Liembd. Eine Aufgabe werde es sein, diese Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Forderung an den Kanton

Auch Stadtrat und Sozialdirektor Martin Merki lässt sich zitieren: «Die Stadt Luzern ist gut aufgestellt, um diese Herausforderungen zu schaffen.» An der Präsentation am Dienstagmorgen fehlte er krankheitshalber. Luzern sei eine solidarische Stadt und wolle dies bleiben, so Merki.

«Eine Aufgabe wird es sein, die Menschen mit Migrationshintergrund im Arbeitsmarkt zu integrieren», sagt Merki weiter. Hier plädiert er an den Kanton: «Wir erwarten vom Kanton, dass er die Stadt bei der strategischen Planung der Arbeitsintegration von Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen miteinbezieht.» Die Integration dieser Personen sei eine Verbundaufgabe.

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