Soul-Revival in Luzern

«Soul macht dich traurig, glücklich oder sexy»

Sie bringen den Soul nach Luzern: Emel Ilter (von links), Cristina Paci und Marta Hermelo. (Bild: Jakob Ineichen)

Wer in der Rare-Soul-Szene verkehrt, zieht DJs Livemusik vor, gibt viel Geld für rare Platten aus und reist durch ganz Europa, um zu schon fast vergessener Musik zu tanzen. Der Swiss Soul Club aus Luzern will diese Bewegung in der Schweiz festigen – und verlässt dazu seinen «Heimclub».

Der Soul der Sechziger, Siebziger und Achtziger ist zwar Vergangenheit, wird aber in Luzern seit einigen Jahren erfolgreich wiederbelebt. Man hört öfters wieder die Stimmen von Soulgrössen wie Etta James, Solomon Burke oder James Brown aus den Boxen, aber auch viel Unbekanntes. «Schuld» daran sind Emel Ilter (30) und Henning Börm (38), die 2009 den Spin Club Lucerne (www.swisssoul.ch) gründeten. Auf ihren Plattenspielern laufen nur originale Erstpressungen.

Ablösung vom «Madeleine»

«Spin» heisst so viel wie Drehung und ist ein Tanzschritt, bei dem man sich einmal um die eigene Achse dreht. Emel Ilter und Henning Börm stehen nicht auf der Tanzfläche, sondern hinter dem DJ-Pult. Die begeisterten Plattensammler legten seit der Eröffnung des Club Madeleine an der Luzerner Baslerstrasse alle zwei Monate dort auf. Mehrheitlich Rare Soul – das sind Soulsongs, die ebenso rar wie tanzbar sind. Jetzt ziehen die beiden weiter.

«Das Madeleine hat uns extrem geholfen, uns weiterzuentwickeln. Dort konnten wir einfach mal ausprobieren», meint Emel Ilter. Nun haben sie sich aber von diesem fixen Standpunkt gelöst: «Irgendwann haben wir gemerkt, dass sich das Publikum verändert hat und wir uns auch. Jetzt wollen wir ausprobieren, ob unsere Musik auch an anderen Orten und in unterschiedlichen Rahmen ankommt», sagt Emel Ilter.

Sie möchten wissen, was das eigentlich für Musik ist? Voilà:

Durch ganz Europa gereist

Der Verein Swiss Soul Club wurde 2011 in Luzern gegründet, mit dabei waren auch der Zürcher Phuoc Ngo und Henning Börm. Die Mitgründerinnen Cristina Paci und Marta Hermelo besuchten regelmässig die Spin-Club-Lucerne-Veranstaltungen und liessen sich davon inspirieren: «Nachdem wir die Musik in Luzern zum ersten Mal gehört hatten, sind wir durch ganz Europa gereist auf der Suche nach diesen Songs», sagt Cristina Paci. Doch was ist das für Musik? «Die Musik ist sehr emotional. Entweder macht sie dich traurig, glücklich oder sexy. Modern Soul macht zum Beispiel eher sexy. Balladen brechen dir dann das Herz. Du bist ständig mit deinen Gefühlen im Dialog», meint Emel Ilter. Und alle Musikrichtungen würden schlussendlich auf die Wurzeln der Black Music zurückgreifen, egal ob House, Pop oder Rock. «Das ist das schwarze Zentrum, um das sich musikalisch alles dreht.»

Überall in Europa finden in regelmässigen Abständen Soul Weekender statt. Man feiert ein Wochenende durch, verschiedene DJs reisen an, Platten werden gekauft und verkauft, Flohmärkte für gebrauchte Anzüge, Röcke und Schuhe werden aufgestellt. Wichtige Stationen sind nicht etwa London oder Berlin, sondern das bayrische Bamberg, Dresden oder Hamburg. In England, wo die Soul-Bewegung in den Sechzigern begann, gehört die Musik ins feste Wochenendprogramm.

Marta Hermelo und Cristina Paci gefiel es in England sehr gut, die Musik sei dort nicht ganz so in Vergessenheit geraten: «Jemand zeigte uns einen kleinen Keller, in dem vor allem ältere Leute die ganze Nacht tanzten. Die machen das jedes Wochenende, das hat uns fasziniert», sagt Cristina Paci. Dann stand fest, so einen Weekender müsse es auch in Luzern geben.

«Es ist eine andere Welt»

Wieso haben die Weekend-Partys der letzten vier Jahre in Luzern gerade auf Anhieb funktioniert? «Die Stadt hat eine gute Grösse. Ich denke auch, dass man sich hier nicht als Konkurrenz sieht, sondern als jemanden, der dasselbe ein wenig anders macht», sagt Emel Ilter. Getanzt wurde an diesen Wochenenden jeweils im Madeleine, in der Bar59, auch im Mill’Feuille und im Neubad.

Was ist es genau, was diese Veranstaltungen so speziell macht? «Es ist einfach eine andere Welt. Egal wo, es nehmen Leute  zwischen 20 und bis zu 60 Jahren teil. Alle verbindet die Begeisterung für die Musik», sagt Marta Hermelo.

Zu den Soul-Abenden gehört aber auch das passende Styling. Die drei geben zu, dass sie am Anfang natürlich durch die richtigen Shirts und Schuhe Anschluss finden wollten: «Mein erster Weekender war in Bamberg. Ich kam mit meinem Fred-Perry-Hemd und habe mir extrem Mühe gegeben, die richtigen Tanzschritte zu machen. Marta und Cristina waren da viel relaxter», sagt Emel Ilter. «Irgendwann gingen wir mit Shirt und Jeans, das war plötzlich nicht mehr so wichtig», sagt Cristina Paci. Denn die Musik stünde schliesslich im Vordergrund.

Grosse Party auf dem See geplant

Für das fünfjährige Jubiläum wünscht sich der Swiss Soul Club eine Party auf dem Vierwaldstättersee. «Wir suchen noch ein Boot», sagt Emel Ilter. Die Website und die Fanpage sollen zudem weiter ausgebaut werden, sodass weitere Veranstalter und Soul-Freunde ihre Events promoten können. Die Party soll im März oder im Mai 2016 stattfinden.

«Wir haben nicht vor, zu expandieren. Wir wollen familiär und freundschaftlich bleiben.»

Emel llter, Swiss Soul Music

Wird so Luzern ein fixer Standort wie Bamberg oder Hamburg? «Nein», sagt Emel Ilter: «Wir haben nicht vor, zu expandieren. Wir wollen familiär und freundschaftlich bleiben. So können wir zum Beispiel unseren Besuch aus England noch ins Brockenhaus begleiten oder auf einen Berg.»

Am Weekender werden auch keine Künstler(innen) live auftreten. «Livemusik in dieser Sparte steht nicht im Vordergrund», sagt Marta Hermelo. «Ich kann niemanden nennen, den ich gerne sehen möchte. Ich habe Angst, dass das Konzert mein Bild kaputt machen würde», sagt Emel Ilter. Lebt denn gar niemand mehr, den man auf der Bühne sehen könnte? «Doch, Sade würde ich gern sehen», sagt Emel Ilter. Die britische Soul- und Jazzband mit Sängerin Sade Adu war 2011 wieder auf grosser Welttournee.

Auch der Papa tanzt mal mit

Nebst der Vernetzung der bereits vorhandenen Szene in der Schweiz möchte der Swiss Soul Club aber auch Leute ansprechen, die Freude an dieser Art von Musik haben. «Viele haben diese Musik extrem gern, aber wissen nicht, dass sie überhaupt noch in Clubs gespielt wird», sagt Marta Hermelo. Neue Freundschaften sollen geschlossen werden.

«Mein Vater kam zum Beispiel mal vorbei und fand es super», sagt Cristina Paci. «Das ist genau das Schöne daran, dass ein Papa Paci auch einen Zugang zur Musik hat. Es ist einfach ein anderer, und das finde ich spannend», sagt Emel Ilter. «Der Gedanke bei solchen Veranstaltungen ist schon, Freundschaften zu schliessen. Das hat bis jetzt gut geklappt. Da wollen viele wiederkommen, weil es hier einfach Spass macht. Es ist quasi Tourismus, was wir hier betreiben.»

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