Der Luzerner Südpol feierte Saisonabschluss

Sommer Cum Laude

Die Kanadier BadBadNotGood heizten dem Südpol-Publikum ein.

(Bild: Daniel Wooden / DNLWDN)

Der Sommer ist auch in die Säle des Südpols hineingeweht. Eine heterogene Masse fand trotz Stadtfest, Brexit und Hitzeschlägen nach Kriens und genoss den Sommeranfang unter dem Motto «Cum Laude» – heute würde man sagen: ganz ordentlich gut.

Am Freitagabend schloss der Sürdpol die Saison offiziell ab. Und dieser Saisonschluss sollte gefeiert werden. Den Anfang machte die Theatergruppe VERK aus Norwegen. Eine kleine Besuchergruppe traf sich im Neubad um kurze Instruktionen zu erhalten.

Walking and thinking vom Neubad in den Südpol

«Hello … can you hear me?» ertönte es aus den Boxen; das Gesicht des über Skype angerufenen Gegenübers auf die Leinwand projiziert. Die Frau auf der Leinwand erklärte auf Englisch, welche Bedeutung und Kraft das Gehen für das Nachdenken habe. Walking and thinking – Platon bis Nietzsche erkannten die schöpferische Produktivität des Gehens.

Besondere Gehirnregionen würden angeregt, es könne sogar eine so genannte Alpha-Ebene ­– das klingt gut genug um eine Erklärung auszulassen, oder?! – erreicht werden. Mit dieser vielversprechenden Einführung und der Frage, wie die Welt in der Zukunft sein sollte, machte sich die Gruppe auf den Weg.

Die VERK-Produktionsgruppe findet seit nunmehr über zwanzig Jahren einen Weg, politisches und satirisches Theater in direkter, den Zuschauer fordernden Form auf die europäischen Bühnen zu bringen. Die Arbeitsweise entspricht einem gemeinschaftlichen Prozess, bei dem während der Entwicklung die Diskussion von grösster Bedeutung ist.

(Bild: Silvan Schmid)

Fragen, wie das Leben auch sein könnte

Im kleinen Saal angekommen, begann die Geschichte der Theatergruppe. Ein Performer, zwei Performerinnen und ein Schlagzeuger an seinem Instrument führten durch das Programm. Die angeregten Gedanken und sich daraus ergebenden Fragen bewegten sich zwischen Gegenwart und Zukunft. Auch das «globale Dorf», das Marshall McLuhan beschrieb, wurde aufgegriffen.

Mit ihrer Produktion sucht VERK nach Ideen wie das aktuelle Leben in einer brutalen, asozialen und sich immer mehr und mehr aufspaltenden Gesellschaft anzugehen sein könnte. Sie regen an, sich aus der eigenen Blase zu lösen und bieten dem Künstler die Möglichkeit, seine Rolle in einer vernetzten Welt zu finden. Die geteilten Gedanken schweifen über die Härte bis zur Schönheit der Welt – man meint, ihrem Kern näher zu kommen. Gleichzeitig entfernt dieser sich wieder sobald man eintaucht in die Gedanken – das altbekannte Paradoxon.

Beat the Drum: Walk

Schon der Name des Projekts «Beat The Drum» symbolisiert eine Kernidee: Das Trommeln war in verschiedenen Stammeskulturen, zum Beispiel derjenigen der Aborigines, ein Zeichen für das Versammeln der Bewohner. Dieses «Zusammentrommeln», Austauschen und Beisammensein will die Theatergruppe simulieren.

Die Drum-Intermezzi wirken dabei als Weckruf zum gemeinschaftlichen Denken. Wenn es regelmässig kracht und groovt, spüre man das Rohe dieses Instruments, das Urtümlich-Archaische, das in jedem von uns enthalten ist, wie es der Schlagzeuger erklärt.

Wir leben – könnte man nach diesen Erfahrungen resümieren – in einer Zeit, von nie dagewesener Diversität an Individualität. Die VERK-Gruppe nimmt die verantwortungsvolle Rolle der Verbindungsplattform zum Austausch und gegenseitiger Inspiration der verschiedenen Geschichten ein. Nach einer einstündigen Verdauungspause ging’s weiter mit Musik.

«Power in the room»

Die Kanadier von BadBadNotGood bespielten anschliessend mit pünktlicher Verspätung die Hauptbühne. Mit einer fesselnden Präsenz gelang es ihnen, vom ersten Ton an die Stimmung anzuheizen. Der Aufforderung «Power in the room» kam das Publikum lauthals und hemmungslos nach.

(Bild: Silvan Schmid)

Mit langgezogenen Steigerungen zu ausschweifenden Drops und hymnischen Themen, gespielt vom dem Trio zugezogenen Saxophonisten Leland Whitty, erzeugten sie ein ständiges Wechselspiel von Spannung und Entladung. Ihren Studioalben traut man einen solchen Live-Charakter nicht voll und ganz zu. Definitionsversuche sind schwer.

«Tightness» aus dem Bauch heraus empfunden

Die Eigenbrühe des Trios mit verschiedenen Genrenuancen findet sich zwischen kompositorischer Raffinesse und aus dem Bauch heraus empfundener «Tightness» ein. Die drei Musiker absolvierten alle ein Jazzstudium und teilten, als sie sich dort kennenlernten, eine Vorliebe für Hip-Hop.

Diese Kombination ist keine Seltenheit. Entscheidend für die Wirkung bleibt der Eigencharakter, den diese drei Jungs ohne Zweifel vollkommen authentisch präsentieren. Angefangen haben sie mit jazzigen Versionen von Hip-Hop-Klassikern von J Dilla bis Kanye West. Das jetzige Programm enthält neben wenigen Covers vor allem die energetischen Eigenkompositionen des letzten Albums III und des am 8. Juli erscheinenden Album IV.

Band, Schweiss und Bier

Ich beobachtete eine Band, die so heiss auf ihr Publikum war, dass der Kontakt niemals abzubrechen drohte. So pflegten sie es auch untereinander. Der Zuhörer fühlte ihre Lust, miteinander zu musizieren, Party zu machen und dazu noch Soli abzudrücken, während die anderen dem Mitspieler einen Boden unter die Füsse stellten, sodass er abheben konnte. Schwitzende Köpfe freuten sich danach auf ein weiteres Bier und vor allem das anhaltende Fest.

Zum finalen Konzert des Schweizer Trios SchnellerTollerMeier reichte es mir leider nicht mehr – sorry! Ihre achte und letzte Show der Konzertreihe wird sich aber den vorhergehenden Meisterwerken angeschlossen haben und den Südpol in ein Beben versetzt haben, das bis nach der Sommerpause anhalten wird.

Silvan Schmid

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit kulturteil.ch entstanden und kann dort ebenfalls gelesen werden.

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