Numerus Clausus als Ausweg aus Planungsmisere

Sollen Zuger Gymi-Schüler ins Busdepot oder in die Sekundarschule?

Sollte gefördert werden: Die Kantonsschule Menzingen beherbergt das Kurzzeitgymnasium des Kantons Zug. (Bild: woz)

Seit die Chamer das Projekt der Kanti Ennetsee am Röhrliberg an der Urne versenkt haben, ist im Kanton Zug guter Rat teuer. Alternative Kantonsräte schlagen als Ausweg vor, dass mehr Jugendliche erst in die Sek gehen und das Kurzzeitgymnasium markant mehr Klassen erhält. Zwei Freisinnige zeigen sich kreativ bei der Suche nach Ersatzstandorten. Die Zuger Regierung aber hat eine andere Idee.

Sie wollten mehrere Fliegen auf einen Streich erledigen: Die alternativen Kantonsräte Esther Haas aus Cham, Rita Hofer aus Hünenberg, Tabea Zimmermann aus Zug, Anastas Odermatt aus Steinhausen und die christlichsoziale Kantonsrätin Vroni Straub aus Zug. Sie verlangten in einem Postulat eine markante Stärkung des Kurzzeitgymnasiums in Menzingen, das mehr Klassen erhalten soll.

Gymi gehört zum guten Ton

So soll auf die Planungsmisere reagiert werden, die entstanden ist, weil die Chamer das Projekt einer Kanti Ennetsee vorerst verhindert haben. Aber vor allem sollten bildungspolitisch neue Pflöcke eingeschlagen werde.

Immer mehr Eltern wollen nämlich ihre Sprösslinge aufs (Langzeit-)Gymnasium schicken. Deshalb werden im Wachstumskanton Zug bald neue Räumlichkeiten benötigt. Währenddessen leidet die Attraktivität der Sekundarschule und das duale Bildungssystem der Schweiz mit den traditionellen Berufslehren.

«Die Sekundarschule ist das Rückgrat unseres Bildungssystems und es ist krank.»

Stephan Schleiss (SVP), Bildungsdirektor

Die Alternativen glauben, durch die Entscheidung nach der 2. Sekundarschule werde die Abbrecherquote gesenkt und gleichzeitig die traditionelle Berufsbildung gestärkt, wenn ihr mehr kluge Köpfe zugeführt werden. So könne auch der Fachkräftemangel bekämpft werden.

Steilvorlage für Schleiss

Die Zuger Regierung war eingeladen, sich Massnahmen auszudenken, wie mehr potentielle Gymnasiasten länger an der Sek bleiben und dann in eine Klasse des Kurzzeitgymnasiums wechseln.

Die nahm den Ball dankbar auf. Denn die steigende Zahl von Langzeitgymnasiasten ist ihr sowieso ein Dorn im Auge, die steigende Maturitätsquote ebenso. «Die Sekundarschule ist das Rückgrat unseres Bildungssystems», sagte Bildungsdirektor Stephan Schleiss am Donnerstag im Zuger Kantonsrat.

Auswahl über Aufnahmeprüfung

Doch letztes Jahr sei nur noch ein Drittel aller Primarschüler in die Sek übergetreten, sagte Schleiss. Das zeige, dass dieses Rückgrat krank sei. «Natürlich kann man nun ein alternatives Bildungssystem schaffen, bei dem später selektioniert wird», so Schleiss. Aber dies lehne er aus politischen Gründen ab. Und von der Idee, mehr Realschüler in die Sek zu schicken, ist er ebenso wenig begeistert.

Bleibt also noch der Versuch, den Anteil der Gymnasiasten zu verringern. Da bisher alle Massnahmen zur Aufwertung der Sek aufgrund von gesellschaftlichem Druck fehlgeschlagen seien, soll der Zugang zum Gymnasium «stärker gesteuert werden», wie es Schleiss ausdrückt. Sprich, es sollen neu Aufnahmeprüfungen eingeführt werden – Selektionsverfahren, die darauf hinauslaufen, dass der Anteil der Gymnasiasten und Maturanden sinkt.

So nicht

Schleiss legte sich für seine Idee mächtig ins Zeug, schwärmte von Chancengleichheit, die so gefördert werde. Der SVP-Magistrat vom rechten Flügel zitierte sogar den Sozialdemokraten Rudolf Strahm, um für sein Anliegen zu werben.

Doch die Alternativen wollten ihr eigenes Postulat nicht mehr als teilerheblich erklärt sehen. Fraktionschefin Esther Haas aus Cham meinte, das Problem werde so nur in Lernstudios verschoben, «wo Schülerinnen und Schüler auf Teufel komm raus auf den Tag X getrimmt werden». Verschoben auch in die Portemonnaies von Eltern, die sich eine Prüfungsvorbereitung ihrer Sprösslinge leisten könnten oder eben nicht. Haas kündigte neue Vorstösse an, um die Stärkung der Berufsbildung und des Kurzzeitgymnasiums zu erreichen.

Eine neue Kanti muss her

SP-Sprecher Beat Iten, Schulvorsteher in Unterägeri, pflichtete Haas bei und fand den Vorschlag der Regierung «äusserst fragwürdig». Dieser könne zu einem Numerus Clausus bereits nach der Primarschule führen. «Die Quote entspricht nicht unserer Auffassung einer freien Ausbildungswahl», so Iten. Sie würde zu einem Standortnachteil führen.

«Schaut Euch doch bitte alle denkbaren Standorte seriös an.»

Esther Haas (ALG), Cham

Heinz Achermann sagte als Fraktionssprecher der CVP, man lehne «die Einführung einer fixen Quote und die damit verbundenen Konsequenzen in aller Deutlichkeit ab». Ausserdem führe die Stärkung des Kurzzeitgymnasiums nicht zu einem geringeren Anteil an Maturanden. Die Raumfrage solle nicht mit der Bildungspolitik verquickt werden. Es müsse «zeitnah» eine zusätzliche Kanti im Ennetsee her.

Langer Schulweg aus Rotkreuz

Ebenso wenig Sympathien für eine Quote haben die Freisinnigen. Sie lehnten die Ausspielung unterschiedlicher Bildungswege gegeneinander ab, sagte FDP-Kantonsrat Peter Letter. Er wies ausserdem darauf hin, dass die gymnasiale Maturitätsquote in Zug etwa dem Schweizer Durchschnitt entspreche. Lediglich der Anteil der Berufsmaturanden sei wesentlich höher.

Ausserdem gäbe es im Ennetsee einen wesentlich höheren Anteil an Langzeitgymnasiasten als in anderen Kantonsteilen. Das hänge wohl damit zusammen, dass der Schulweg von Risch nach Menzingen 50 Minuten betrage und somit lang sei, spekulierte Letter. Wenn man das Kurzzeitgymnasium stärken wolle, dann könne eine neue Kanti im Ennetsee dabei helfen.

Regierung erleidet Schiffbruch

Auch die SVP findet «starre Quoten kontraproduktiv», wie Beni Riedi aus Baar namens seiner Fraktion sagte. Wenn das Kurzzeitgymnasium beliebter werde, dann wirke dies sich automatisch positiv aufs Langzeitgymnasium aus. Eine «markante Gewichtsverschiebung« wolle man aber nicht.

«Ich wäre begeistert, wenn eine neue Kanti im Ennetsee realisiert werden könnte.»

Beat Unternährer (FDP), Hünenberg

Nachdem die Idee der Regierung mit einer Aufnahmeprüfung und Übertrittsquoten fürs Gymnasium krachend gescheitert war, kam die Rede nochmals auf die Standortdiskussion für eine neue Kanti. Die beiden FDP-Kantonsräte Beat Unternährer aus Hünenberg und Cornelia Stocker aus Zug hatten in einer Interpellation verschiedene Fragen dazu gestellt und dabei auch den neuen ZVB-Hauptstützpunkt in Zug als Ersatzstandort für eine neue Kanti in die Diskussion eingebracht.

Führerschaft gefordert

Man sei nach dem Scheitern des Röhrliberg-Projekts an der Urne beunruhigt über den Stillstand gewesen und habe Bewegung in die Sache bringen wollen, erklärt Beat Unternährer den merkwürdigen Vorschlag. «Aber natürlich wäre ich begeistert, wenn eine neue Kanti im Ennetsee realisiert werden könnte», so der Hünenberger.

Die Regierung will bekanntlich den Ball an die Gemeinden weiterspielen, und ihnen ein Jahr Zeit lassen um Standortvorschläge zu präsentieren. Damit ist Unternährer nicht ganz glücklich. Er fordert eine «enge Begleitung durch die Regierung», damit nicht weitere Planungsmillionen verschwendet werden.

Bleibt im Fokus für eine neue Kanti: das Gebiet Allmendhof/Röhrliberg in Cham. (Bild: zvg)

Warum nicht beim Zythus?

Ester Haas (ALG) indes mahnte, alle möglichen Standorte wirklich zu prüfen, auch jene, gegenüber denen Vorbehalte bestünden. Sie erwähnte das Papieri-Areal in Cham ebenso wie das Zythusareal in Hünenberg. «Vielleicht ist es ja tatsächlich zu klein, wie viele sagen», meinte sie. «Aber schaut es euch doch bitte seriös an.»

Baudirektor Florian Weber meinte, die Regierung werde den Evaluationsprozess sehr wohl eng begleiten, habe sich aber dafür entschieden, die Gemeinden stärker einzubinden. «In einem Jahr sehen wir weiter», so Weber. Bis ein neuer, wirklich tauglicher Kanti-Standort gefunden sei, rechnet Weber mit «zwei bis drei Jahren».

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Peter Saavedra
    Peter Saavedra, 11.07.2019, 00:06 Uhr

    Die Politik hat in den letzten Jahren die Sekundarschule verwässert. Sie heisst jetzt Kooperative Oberstufe oder ähnlich. Und nun wundert man sich, dass dieser Bildungszweig nicht mehr gefragt ist. Aus den LehrerInnen wurden LernbegleiterInnen. Eine Verwässerung des Berufs. Die Schulentwickler wursteln irgendwas daher, die Politiker surfen mit auf Reformen, die Schulqualität vor allem aufs Papier zaubern. Das registrieren Eltern und schicken ihre Kinder ins Gymnasium, wo die LehrerInnen noch lehren, nicht nur begleiten.

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