Spiess-Hegglins Geburtstags-Aktion

«Soll ich die Journalisten wegschicken?»

Freut sich, ihre Unterstützer kennenzulernen: Jolanda Spiess-Hegglin. (Bild: fam)

Wie jetzt? Der Facebook-Aufruf von Jolanda Spiess-Hegglin hatte in der Kantonsratssitzung am Donnerstag für Verwirrung gesorgt. Gruppenumarmung im Regen? Und wieso soll man Damen-Slips mitbringen? Und weshalb tut sie sich das überhaupt an?

Zehn Regenschirme sind da, und sechs davon spannen sich über Fernsehkameras. Es ist ein zu trüber Abend, um draussen Geburtstag zu feiern, aber Jolanda Spiess-Hegglin hatte gedacht, es werde schönes Wetter. Das sagt sie gerade dem Kameramann von SRF, und nachher uns.

Ihr Facebook-Post am Donnerstagmorgen hatte zu den erwartbaren Reaktionen geführt. Er hat es in den Blick geschafft, der titelte schon am Donnerstagmorgen «Gruppenkuscheln mit Spiess-Hegglin». Heiteres Umarmen zum 35. Geburtstag auf der Rössliwiese, das hatte Spiess auf Facebook angekündigt, sie wolle sich mit all ihren Unterstützerinnen und Unterstützern treffen. Und hat diese dazu aufgefordert, neugekaufte Damen-Slips mitzubringen, «als Zeichen für unsere Hilfe für Frauen, die sich nach einem sexuellen Missbrauch nicht wehren können», so Spiess-Hegglin auf Facebook. Sie will sie anlässlich des Advents-Sofas auf Radio 24 als Spende an die Caritas weitergeben. «Das war natürlich ein wenig provokativ», sagt Spiess-Hegglin und lacht unter dem schweren Regen, «und ich musste mir die dummen Sprüche vorhin im Kantonsrat anhören».

Gerade vorher sass sie noch da, in der Budgetdebatte, sieben Stunden lang, «eigentlich ist die viel wichtiger», sagt Spiess-Hegglin. Schon da schwirrten die Kameras um sie herum, zum Schluss der Debatte, mitten im Kantonsratssaal, und wir schwirren jetzt mit. Es fühle sich immer wie Voyeurismus an, sagt eine Journalistin.

Wir schauen zu. Ich schreibe. Sie lesen. Ungemütlich ist es für alle, aber richtig schlimm wohl nur für Jolanda Spiess-Hegglin, die sich gerade freut, dass ihr jemand Blumen mitgebracht hat. Warum tut sie sich das an? Weshalb an ihrem Geburtstag? Warum wieder lädt sie mit der Slip-Aktion die ganze Schweiz zu einem weiteren Übergriff auf ihre Privatsphäre ein?

«Es ist schön, sie kennenzulernen»

Wir stehen unter dem klapprigen Baum am Rand der Wiese, ganz oben an der Strasse stehen drei Polizisten unscheinbar unter einem Vordach. Wer weiss, was die noch erwarten. Hier im Regen stehen die Journalisten, die Kameras, drei oder vier Unterstützer, ihr Mann und sie, und die sind gut drauf. «Ich bin zufrieden», sagt Spiess, «es war eine spontane Aktion, erst am Sonntag haben wir entschieden, dass wir das machen. Natürlich sind wenige gekommen, wegen dem Wetter. Aber die, die da sind, über die freue ich mich sehr. Es ist schön, sie kennenzulernen.»

«Ich will ganz bewusst die Hauptlast der Angriffe von ihr wegziehen und auf mich lenken.»

Dominic Mosimann, Unterstützer

Das sind Leute, die sie im Netz unterstützen, mit Leserbriefen. Dominic Mosimann zum Beispiel, macht das sehr aktiv und bewusst. «Ich habe vor zwei, drei Wochen damit angefangen, sie zu unterstützen», sagt der Zürcher. Er unterstützt, indem er sich in Kommentarspalten einbringt, auf sozialen Medien, Leserbriefe schreibt. «Als ich gemerkt habe, wie heftig es da zu und her geht, was die Leute da alles schreiben, habe ich gemerkt, ich will mich einbringen. Und da lande ich auch ganz hart einen Konter. Und merke: Die Leute fangen dann an, differenzierter über die Sache nachzudenken.»

Warum kämpft man da mit?

Weshalb leistet Mosimann Schützenhilfe? «Ich will ganz bewusst die Hauptlast der Angriffe von ihr wegziehen und auf mich lenken», sagt der. «Das hat natürlich auch mit meiner Geschichte zu tun, ich habe im kleineren Ausmass auch Ungerechtigkeit erlebt, aber nie so wie sie.» Warum er sich in einem Kampf beteiligt, der offenbar schlicht nicht zu gewinnen ist? Mosimann: «Man muss kämpfen, wenn man von etwas überzeugt ist, auch wenn eine Sache aussichtslos scheint.»

In der Zwischenzeit stellen wir Journalisten alle dieselben Fragen. Weshalb macht Spiess-Hegglin das bewusst so, dass alle Medien aufkreuzen? Hat sie nicht mal Lust, die aus ihrem Leben rauszustellen? «Rausstellen? Soll ich die Journalistien wegschicken? Das ginge ja gar nicht», sagt Spiess-Hegglin zuerst uns und dann dem Kameramann von Tele Züri. «Aber nachher gehen wir nach Hause und feiern, ohne Medien.»

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