Tattoo-Entfernerin zu missratenen Bildern

«Sobald es warm ist, steht das SS-Emblem hervor»

Wer eine Jugendsünde unter der Haut trägt, ist bei Manuela Schaad an der richtigen Adresse.

(Bild: zvg Manuela Schaad)

Mit der Anzahl an Tattoos nimmt auch der Wunsch nach deren Entfernungen zu. Die Zugerin Manuela Schaad sagt, welche Tattoos out sind und welche missglückten Coverups sie in ihrem Luzerner Studio schon angetroffen hat. Und warum sie dabei die Finger von fremden Genitalien lässt.

Es läuft laute Rapmusik im Tattoostudio «Ink Addicts» an der Morgartenstrasse in Luzern, als wir reinkommen. Tattoo-Entfernerin Manuela Schaad führt uns in ihr kleines Reich, ein Nebenzimmer des Studios. «Dieser Raum ist ideal zum Lasern, da er als einziger abschliessbar ist», sagt sie. Sicher sei sicher, damit niemand im falschen Moment in den Laser schaue, obwohl das Risiko gering sei.

Seit gut einem Monat ist Schaad hier einquartiert. Letztes Jahr hat sie als Tattoo-Entfernerin begonnen, betreibt die Firma unter dem Namen «Free Skin». Erst noch zu Hause und bei einem Kollegen im Studio, bis das Angebot von «Ink Addicts» kam. Davor hatte sie 20 Jahre lang einen Bürojob. Seit 24 Jahren wohnt die gebürtige Baslerin im Kanton Zug.

30’000 Franken für eine neue Lasermaschine

Doch Tattoos mittels Laser aufhellen oder entfernen will gelernt sein. Schaad musste ein Zertifikat erwerben und einen Kurs zum Lasern, der rechtlichen Situation und der Handhabung der Maschine absolvieren. 30’000 Franken kostet eine neue Lasermaschine, wie sie Schaad verwendet.

«Ich habe viele schlimme Tattoos gesehen.»

Manuela Schaad, Tattoo-Entfernerin

Ob die Bezeichnung «Tattoo-Entfernerin» offiziell überhaupt die richtige ist, kann sie gar nicht genau beantworten. «Es nennt sich jeder ein bisschen anders. Offiziell korrekt wäre wohl ‹Laserbehandelnde›.»

Das SS-Emblem auf dem Unterarm

Doch wie ist Schaad überhaupt auf das Entfernen von farbigem Körperschmuck gekommen? «Einerseits bin ich selbst tätowiert. Und ich habe viele schlimme Tattoos gesehen», fügt sie an.

Sie zeigt uns auf ihrem Handy eines der abschreckendsten Beispiele. Auf den ersten Blick ist auf dem Unterarm ein Clowngesicht zu sehen. Handwerklich zwar recht unsauber, doch das wahre Problem verbirgt sich darunter: Schwach, aber doch erkennbar drückt ein SS-Emblem durch.

Manuela Schaad musste schon mehrmals politische Tattoos lasern.

Manuela Schaad musste schon mehrmals politische Tattoos lasern.

(Bild: sib)

«Der Tätowierer hat viel zu tief reingestochen und auch zu viel Farbe verwendet. Jedes Mal, wenn es warm wird, wölbt sich das alte SS-Tattoo nach aussen», erklärt Schaad. An einer anderen Körperstelle habe er auch noch einen übermalten Reichsadler. Es sei nicht das Ziel, dass das Tattoo ganz wegkomme, sondern es so weit aufzuhellen, um den Mund des Clowns wieder nachstechen zu können. Die zwei Buchstaben soll man endgültig nicht mehr sehen.

Vorsicht vor Tribals

Trends auszumachen, welche Tattoos inzwischen wieder out sind und vom Körper verschwinden sollen, sei schwierig. «Ein Dauerthema sind Namen und Schriften», sagt Schaad. «Gerade bei Schriften ist jedoch das Problem, dass man diese nur schlecht covern kann, da man die Linien jeweils trotzdem noch sieht.» In diesem Fall mache es Sinn, die Tattoos aufzuhellen, anstatt ohne Lasern ein Coverup zu machen.

Einen klassischen Nachfolger des Arschgeweihs, das Ende der 1990er-Jahre populär geworden ist, gebe es nicht wirklich. «Am ehesten nehmen diese Rolle die Tribals ein», sagt Schaad. Es komme auch immer auf die Beweggründe an. «Es gibt Leute, die überlegen sich alles ganz genau, bevor sie sich unter die Nadel legen. Andere wiederum rennen lieber einem Trend hinterher oder verewigen einen Star, den sie nach einigen Jahren nicht mehr anhimmeln.»

Die Farbe verschwindet

Ein Hype, der bereits wieder abzuebben drohe, sei jener von Watercolor-Tattoos. «Dabei ist das Problem, dass die Farben nicht sehr lange halten, weil es sehr fein ist.» Irgendwann sehe man die Farbe nicht mehr, nur noch die schwarzen Striche. «Die Betroffenen gehen dann nachfrischen oder sie landen bei mir», sagt Schaad lachend.

Ein typisches watercolor Tattoo: Die bunten Farben werden schnell verblassen.

Ein typisches Watercolor-Tattoo: Die bunten Farben werden schnell verblassen.

(Bild: Claudio Camilucci/Aces High Tattoo Shop)

Ist mit dem Tattoo-Hype auch die Nachfrage nach Aufhellen oder Entfernen rasant angestiegen? Sie verneint: «Ich glaube, die Nachfrage war schon immer da. Nur hatte man früher nicht dieselben Möglichkeiten. Man konnte zwar schon vor zehn Jahren lasern, aber mit heute ist das nicht mehr zu vergleichen.» Die ganze Lasertechnik habe sich weiterentwickelt.

Wie mit einem Gummiband auf die Haut schnipsen

Schaad arbeitet mit einem Kühlsystem. Dadurch werde die oberste Hautschicht leicht betäubt. «Man kann das Lasern mit einem Gummiband vergleichen, das man ständig auf die Haut schnipsen lässt.» Generell sei das Entfernen etwas schmerzhafter als das Stechenlassen. «Aber das Schmerzempfinden ist natürlich sehr individuell.»

Zudem sind die Sitzungen wesentlich kürzer. Maximal eine halbe Stunde am Stück lasert Schaad. Dazwischen gebe es acht Wochen Pause. «Das Lasern ist für den Körper eine Belastung. Beim Entfernen sprengt man die Farbpigmente auf. Diese werden über das Lymphsystem über Wochen abgetragen.» In den acht Wochen könne sich der Körper erholen.

Bis zu zwölf Sitzungen sind nötig

Das Aufhellen für ein Coverup dauere drei bis sechs Sitzungen. Soll das Tattoo gänzlich weichen, seien acht bis zwölf Sitzungen nötig. «Einen fixen Preis für eine Behandlung gibt es nicht. Das hängt von Grösse und Alter des Tattoos sowie von der verwendeten Farbe ab», hält Schaad fest. Für ein kleines Tattoo von fünf auf fünf Zentimetern müsse man mit 200 Franken pro Sitzung rechnen. Eine Handfläche gross sei um die 400 Franken.

«Nach drei Sitzungen hat sie die Behandlung abgebrochen, da das Tattoo immer noch genau gleich ausgesehen hat.»

Wie viele Sitzungen die Behandlung in Anspruch nehmen wird, ist kaum vorauszusagen. Dies komme immer auch auf den Hauttypen an. Bei einigen verblasse das Tattoo sehr schnell. Bei anderen hält die Farbe bestens. «So reagiert denn auch beim Lasern jeder anders», so Schaad.

Bislang hätte sie noch nie den Fall gehabt, dass sich ein Tattoo partout nicht entfernen liess. «Doch ich kenne den Fall einer Berufskollegin, bei der sich ein Mann ein aus der Türkei mitgebrachtes Tattoo entfernen lassen wollte. Nach drei Sitzungen hat sie die Behandlung abgebrochen, da das Tattoo immer noch genau gleich ausgesehen hat. Ich habe keine Ahnung, was dort für eine Farbe zusammengepanscht wurde.»

Es gibt nicht den typischen Tattoo-Sünder

Ein typisches Profil von einer Person, die sich ein Tattoo entfernen lässt, gebe es nicht: «Vom Alter und Typen her ist alles mit dabei: von zerflossenen Lieben über Urlaubserinnerungen bis zu Jugendsünden.»

Trotzdem kann sich nicht jedermann mal soeben ein Tattoo weglasern lassen, denn es gibt ein paar gesundheitliche Voraussetzungen, die man erfüllen muss. «Bis zwei Wochen vor der Laserbehandlung darf man keine blutverdünnenden Medikamente nehmen. Auch Sonnen- oder Solariumbräune geht nicht, da das Lasern auf die Pigmente geht.»

Der Kunde hat für den Notfall einen Stopp-Knopf in der Hand.

Der Kunde hat für den Notfall einen Stopp-Knopf in der Hand.

(Bild: zvg Manuela Schaad)

Wenn man gebräunt ist, sind die Pigmente gefärbt. Dies nehme die Farbe raus und man riskiere weisse Flecken, die lange bleiben könnten. Auch Hautkrebs oder eine gleichzeitige Chemobehandlung seien problematisch. «Ebenfalls würde ich bei Akne nicht lasern gehen», sagt Schaad. Personen mit einem Muttermal unter dem Tattoo schicke sie zuerst zum Dermatologen.

«Das hältst du doch nicht aus!»

In Bezug auf die Körperstellen kennt Manuela Schaad nur ein Tabu: den Genitalbereich. «Es ist nicht einmal, dass es mich ekeln würde. Aber so jemanden würde ich zu einem Arzt für eine Betäubung schicken. Das hältst du sonst doch nicht aus!» Schon beim Tätowieren frage sie sich, wie man das aushält. «Eine solche Anfrage hat es bislang jedoch noch nie gegeben.»

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