Luzern: Nulltoleranz-Forderung der SVP chancenlos

So will die Stadt künftig bei Besetzungen vorgehen

Eichwäldli Besetzung Luzern Soldatenstube Murmattweg

(Bild: bic)

Bei illegalem Verhalten durchgreifen, aber mit dem nötigen Spielraum: Diese Leitlinien will die Stadt Luzern auch zukünftig bei Hausbesetzungen verfolgen. Die SVP ist mit ihrer Forderung nach einer Verschärfung durchgefallen.

Die letzte Sitzung vor der Sommerpause am Donnerstag war für den Grossen Stadtrat von Luzern eine spezielle. Die Politikerinnen und Politiker trafen sich für einmal nicht im Rathaus an der Reuss, sondern in Littau (zentralplus berichtete).

Das dürfte auch angesichts der Hitze eine gute Entscheidung gewesen sein. Denn so schön das Rathaus, der Saal im Zentrum St. Michael war einiges kühler – zumindest zu Beginn der Sitzung. Zudem brachte der Weg dahin so manchen Parlamentarier ins Schwitzen. Während sich die Stadträte Adrian Borgula (Grüne) und Manuela Jost (GLP) lässig mit einem Fächer Luft verschafften, kreuzte Grossstadtrat Michael Zeier-Rast (CVP) mit einem Frotteetuch um den Hals in Littau auf. Den Weg an die Sitzung fanden – die meisten frisch – auch rund 30 Besucher.

Klare Unterscheidung …

Sie verfolgten eine intensive Debatte zum Thema Hausbesetzungen. Sie wurde losgetreten, nachdem Aktivisten in den letzten Jahren mehrere leerstehende Gebäude in Luzern bezogen haben – sowohl solche, die im Besitz der Stadt sind, als auch solche von Privaten (zentralplus berichtete).

«Eine gemeinsame Lösung finden, die für alle tragbar ist: Das ist im Falle einer Besetzung nicht tolerierbar.»

Thomas Gfeller, SVP-Grossstadtrat

Sehr zum Missmut der SVP, die deswegen eine Nulltoleranz forderte: Zukünftig soll der Stadtrat bei einer Besetzung eines stadteigenen Gebäudes innert 48 Stunden Strafantrag stellen und die Räumung einleiten. Vorgängige Gespräche lehnt die SVP ab. «Eine gemeinsame Lösung finden, die für alle tragbar ist: Das ist im Falle einer Besetzung nicht tolerierbar», begründete Thomas Gfeller und machte damit deutlich, dass es um eine prinzipielle Frage geht. «Es braucht ein konsequentes Vorgehen und gleiche Regeln für alle.» Er hielt aber auch fest, dass sich die SVP nicht gegen legale Zwischennutzungen stellt, sondern illegale Besetzungen im Visier hat.

Genau diese Unterscheidung betonte auch der Stadtrat. Während er legale Zwischennutzungen fördern will, stellt auch er klar, dass er Hausfriedensbruch nicht akzeptiert. Ein spezifisches Reglement braucht es laut Stadtrat aber nicht (zentralplus berichtete). Die Exekutive will die Möglichkeit eines Gesprächs nicht ausschliessen und im Einzelfall pragmatisch agieren statt ein starres Schema X verfolgen. «Wir brauchen diesen Spielraum», stellte Stadtrat Martin Merki (FDP) klar. 

Das Vorgehen der Stadt bei illegalen Besetzungen sieht demnach folgendermassen aus:

  • Die Besetzer werden aufgefordert, das Gebäude innert 48 Stunden zu verlassen.
  • Geschieht das nicht und werden Verhandlungen als nicht zielführend beurteilt, erstattet die Stadt Anzeige gegen die Besetzer und beantragt eine Räumung.
  • Der Stadtrat prüft, ob die Kosten, die durch die Hausbesetzung entstanden sind, den Besetzern aufgebürdet werden können.

… oder doch nicht so eindeutig?

Wie der Stadtrat theoretisch vorgehen will, das schien kaum umstritten. Im Stadtparlament gab es aber Kritik an der effektiven Praxis. Laura Grüter Bachmann (FDP) kritisierte, dass illegale Hausbesetzungen in letzter Zeit mehrfach in legalen Zwischennutzungen gemündet hätten. «Das darf nicht sein, denn das ist eine Belohnung von illegalen Besetzern.» Und ein schlechtes Zeichen für all jene, die sich auf dem offiziellen Wege um eine Zwischennutzung bemühten.

«Es muss nun der Beweis erbracht werden, dass es so läuft, wie der Stadtrat darlegt.»

Laura Grüter, FDP-Grossstadträtin

Grüter erwähnte in diesem Zusammenhang zum einen den Fall der Remise auf Musegg 1, wo die Aktivisten später einen Vertrag für das ehemalige Stellwerk an der Horwerstrasse erhielten. Zum anderen «den exemplarischen Fall Eichwäldli», wo im Nachgang des Widerstands gegen den Auszug ein Gebrauchsleihvertrag entstanden ist. Die FDP-Sprecherin stellte deshalb klar: «Es muss nun der Beweis erbracht werden, dass es so läuft, wie der Stadtrat darlegt.»

Es war nicht der einzige Kritikpunkt, den der Stadtrat sich anhören musste. Auch die Grünliberalen, die grundsätzlich mit der Exekutive einverstanden waren, orteten mit Blick auf die letzten Hausbesetzungen bei der Stadt Verbesserungspotenzial. Die Grünen ihrerseits wünschen sich für zukünftige Fälle eine strukturiertere Kommunikation.

Das Stadtparlament tagte für einmal in Littau:


 

Trotzdem: Für eine Verschärfung, wie sie der SVP vorschwebte, konnte sich keine Fraktion erwärmen. Christov Rolla (Grüne) appellierte ans Augenmass der Politik. «Die Polizei hat anderes und wichtigeres zu tun, als Leute aus einem Haus zu bugsieren.» Es gebe weitaus gravierendere Straftaten als einen Hausfriedensbruch. «Man muss sich doch fragen, wer einen Schaden davon hat, wenn ein leerstehendes Gebäude genutzt wird?» Die Gesetzeslage sei eindeutig, ein Reglement nach Meinung der Grünen deshalb nicht nötig.

«Der Weg der Deeskalation soll weitergeführt werden.»

Yannick Gauch, SP-Grosstadtrat

Genauso wenig wie aus Sicht der SP-/Juso-Fraktion. Bislang sei immer eine gute Lösung gefunden worden, sagte Sprecher Yannick Gauch. «Der Weg der Deeskalation soll weitergeführt werden.» Sogar die CVP, die eine harte Linie gegen den Eingriff in Eigentumsrechte unterstützt, versagte der SVP die Unterstützung. Deren Vorschlag «schiesst über das Ziel hinaus», sagte Andreas Felder (CVP). Der Stadtrat brauche Spielraum, um sinnvolle und verhältnismässige Lösungen zu erarbeiten.

Folgerichtig wurde die Motion der SVP deutlich abgelehnt. Die Stadt Luzern hält also an ihrer bisherigen Praxis fest. Sozial- und Sicherheitsdirektor Martin Merki (FDP) räumte zugleich ein, dass in der Umsetzung noch Luft nach oben besteht: «Der Stadtrat ist auch selbstkritisch. Wir haben viel gelernt.»

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