Immer mehr chinesische Individualtouristen

So ticken die Chinesen, die allein nach Luzern reisen

Die grosse Frage, die sich die HSLU stellte: Welche Bedürfnisse haben eigentlich chinesische Individualtouristen? (Bild: zvg)

Chinesische Individualtouristen sind für den Luzerner Tourismus eine Herausforderung. Denn man wusste bislang nicht, was diese interessiert. Eine Studie zeigt nun: Chinesen sind «alles andere als Aktivsportler». Wichtig ist ihnen jedoch ein ästhetisches Zmittagsmenü.

Chinesische Reisegruppen gehören zum Schwanenplatz wie die Schoggi-Kapellbrücke in die Confiserie Bachmann. Doch je länger, je mehr finden auch chinesische Individualtouristen den Weg in die Zentralschweiz und insbesondere nach Luzern. Für die Tourismusorganisationen sind sie eine Knacknuss. Denn sie sind weniger fassbar als die grossen Reisegruppen, die zwischen Titlis, Löwendenkmal und Bucherer hin und her pilgern.

Diesem Umstand sollte ein Projekt der Hochschule entgegenwirken. Konkret ging es darum, das Marktverständnis über die chinesischen Individualtouristen zu verbessern: Was sind die Bedürfnisse und das Verhalten der Individualreisenden? Wie buchen sie ihre Reisen und wer sind die wichtigsten Konkurrenten der Zentralschweiz?

«Eigentlich sind Chinesen sehr vielfältig interessiert.»

Jürg Stettler, Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft, HLSU

Die Resultate eines entsprechenden Forschungsprojekts wurden nun vorgestellt. Jürg Stettler, Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft, erklärte dazu: «Wie auch bei den Reisegruppen stehen bei chinesischen Individualtouristen drei Motive für einen Besuch in der Zentralschweiz im Vordergrund.» Die da wären? «Das Bergerlebnis, die Sehenswürdigkeiten und Shopping.» Doch gebe es auch Unterschiede: «So interessieren sich Individualtouristen eher für Natur oder auch Kultur.» Stettler fügt etwas überrascht an: «Eigentlich sind Chinesen sehr vielfältig interessiert.»

Weiter habe die Datenerhebung ergeben, dass «Chinesen alles andere als Aktivsportler» seien. Dass sie also lieber die Bergbahn nehmen denn zu Fuss zu gehen. Auch das Skifahren stehe nicht hoch im Kurs. Weder bei Individualreisenden noch bei Gruppen.

Das Essen soll auch gut aussehen

Hingegen sei man zur Erkenntnis gelangt, dass individuell Reisende grossen Wert auf Kulinarik legen. Heisst, sowohl die lokale als auch die Gourmetküche schätzen. «Hier spielt neben dem Geschmack auch das Aussehen der Gerichte eine Rolle.» Soll ja schliesslich was hermachen auf Social Media.

Warum Chinesen überhaupt so zahlreich herkommen

Der Tourismus aus China hat in den letzten Jahren massiv zugelegt. Waren 2005 in China noch 286 Millionen Menschen von Armut betroffen, sind es heute noch 17 Millionen. Der Mittelstand wächst überdurchschnittlich, die Anzahl an Auslandreisen hat sich innert acht Jahren bis 2018 knapp verdreifacht.

Von jenen, welche die Schweiz bereisen, tun dies 30 bis 40 Prozent als Individualreisende. Sprich mit der Familie oder dem Partner, mit Freunden, grundsätzlich jedenfalls als Gruppe von weniger als 15 Mitgliedern.

Eine Herausforderung gemäss Stettler: «Bei Chinesen ist es grundsätzlich Usus, dass sie Reise und Unterkünfte im Voraus buchen. Dies wohl, um ein Visum zu erhalten. Im Ausland wird die Buchung dann storniert und umgebucht.»

Sowohl Individualtouristen als auch Gruppen würden sich zwar akribisch auf ihre Reisen vorbereiten. «Gleichzeitig führen Individualtouristen Listen mit möglichen Optionen, um dann vor Ort flexibel und spontan entscheiden zu können.» Entsprechend funktionierte es mehr schlecht als recht, den Individualtouristen auf Buchungsplattformen wie «Fliggy» Gesamtpakete zu verkaufen, wie die Schweizer Tourismusbranche kürzlich ernüchtert erkennen musste.

Schweiz Tourismus setzt mehr auf Nischen

Die Organisation Schweiz Tourismus übrigens fokussiert sich schon gar nicht mehr auf chinesischen Gruppentourismus, wie Simon Bosshart erklärt, der Verantwortliche Asien-Pazifik bei Schweiz Tourismus. «Beim Gruppentourismus ist kein Platz mehr für uns.» So wolle man sich künftig vermehrt etwa auf den Wintersport fokussieren oder aber auf Kulturreisende. Damit will man künftig eher auf Nischen setzen.

«Chinesische Touristen sind keine günstigen Gäste. Sie generieren eine grosse Wertschöpfung.»

Marcel Perren, Luzerner Tourismusdirektor

Klingt fast, als würde der Anteil an Gruppentourismus immer kleiner werden in Zukunft. Dem widerspricht Marcel Perren, der CEO von Luzern Tourismus. «Es sind beide Teile relevant. Es wäre keine gute Strategie, den Gruppentourismus zu vernachlässigen. Chinesische Touristen sind keine günstigen Gäste. Sie generieren eine grosse Wertschöpfung.»

Auch bei der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee spüre man die Zunahme von individuell Reisenden. Sabine Föhn, Verkaufsleiterin International, erklärt: «Wir haben das Glück, dass wir unser Angebot sehr schnell anpassen können. Etwa, als chinesische Touristen vermehrt mit E-Tickets zahlen wollten, konnten wir schnell reagieren, um diese möglichst rasch akzeptieren zu können.»

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