Luzerner Gemeindeverband droht mit Referendum

So nicht! Gemeinden wollen 37 Millionen weniger sparen

Haben schon bald deutlich weniger zu lachen. Die Luzerner Regierungsräte.

(Bild: zVg/Bearbeitung zentralplus)

Bis hierhin und nicht weiter: Der Verband Luzerner Gemeinden (VLG) macht klar, welche Sparmassnahmen des Kantons er mitträgt und welche er bekämpft. Ergreift er das Referendum, hat das gröbere Konsequenzen.

Die Luzerner Gemeinden sind nicht bereit, das grösste Sparpaket in der Geschichte des Kantons, das sogenannte KP17, 1:1 mitzutragen. Dieses sieht vor, den Staatshaushalt für die Jahre 2017 bis 2019 um fast 527 Millionen Franken zu entlasten (siehe Box). Nötig wäre dies, weil der Kanton sonst die gesetzlich vorgeschriebene Schuldenbremse – er darf über fünf Jahre nicht mehr Geld ausgeben als einnehmen – nicht einhalten kann.

Nun mucken die im Verband Luzerner Gemeinden (VLG) organisierten Kommunen auf. Denn sie müssten über die drei Jahre netto 61 Millionen Franken zum KP17 beitragen. Das sei doppelt so viel wie ursprünglich angenommen und deshalb nicht tragbar.

Gemeinden wollen Flüchtlinge nicht früher übernehmen

In einer Medienmitteilung von diesem Donnerstagabend lehnt der VLG-Vorstand speziell vier Massnahmen aus dem Riesensparpaket ab. Diese sind:

  • Die Zusammenführung der gemeindeeigenen Betreibungsämter an wenigen Standorten bis 2024.

    VLG-Begründung: Diese Massnahme greift in die Gemeindeautonomie ein. Zudem könnte sie womöglich nicht kostendeckend sein.

  • Die Übergabe der Sozialhilfedossiers von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen vom Kanton an die Gemeinden nach 8 statt nach 10 Jahren.

    VLG-Begründung: Das Parlament hat diese Massnahme bereits mehrfach abgelehnt. Zudem wirkt sie sich speziell auf die grossen Zentrumsgemeinden negativ aus.

  • Die Gemeinden müssen ihre Strassenabschnitte komplett selber finanzieren.

    VLG-Begründung: Das Parlament hat diese Massnahmen schon mal abgelehnt. Die Gemeinden müssten ihre Strassen neu vollständig mit Steuergeldern finanzieren. Bislang erhalten sie dafür Mittel aus den Verkehrsabgaben. Diese Abgaben sind aber auch für Gemeindestrassen gedacht. Daran darf nicht gerüttelt werden.

  • Die Gemeinden müssen neu 100 statt 70 Prozent der Ergänzungsleistungskosten (EL) übernehmen, welche die Bürger zusätzlich zur AHV erhalten.

    VLG-Begründung: Diese Massnahme würde die Gemeinden im Jahr 2017 mit 26 Millionen Franken und ab 2018 mit 31 Millionen pro Jahr belasten. Sie stellt somit die mit Abstand grösste Verschiebung dar. Die vollständige Übernahme widerspricht der Aufgabenteilung aus dem Jahr 2008. Zudem verträgt sie sich nicht mit dem Äquivalenzprinzip: Die Gemeinden haben im Bereich EL keine Kompetenzen, müssen aber mehr zahlen. Diese Massnahme kann nur bei entsprechender Kompensation unterstützt werden.

Neu sollen die Gemeinden demnach fürs Jahr 2017 insgesamt 37 Millionen Franken weniger ans KP17 beisteuern. Verbandspräsident Hans Luternauer ist sicher: «Das Ergebnis wäre mit den Vorgaben zur kantonalen Schuldenbremse konsistent, womit ein rechtskonformes Budget verabschiedet werden könnte.»

Gemeinden tragen mehr als die Hälfte

Das 527-Millionen-Entlastungspaket sieht Ausgabenreduktionen von 294 Millionen, Einnahmenerhöhungen von 68 Millionen sowie eine Steuerfusserhöhung, die 165 Millionen Franken einbringen würde, vor. Von den Einsparungen von 294 Millionen sind 156 Millionen, also mehr als die Hälfte, Lastenverschiebungen an die Gemeinden. Die Gemeinden werden aber im Gegenzug durch verschiedene Massnahmen, insbesondere im Steuerbereich, entlastet. Damit können sie rund 96 Millionen kompensieren. Sehr umstritten ist am Ganzen auch die geplante Steuererhöhung. Der Gewerbeverband etwa will davon nichts wissen. Der VLG äussert sich dazu nicht.

Über die Anträge des VLG-Vorstandes entscheiden die VLG-Mitglieder an der Generalversammlung vom 19. Oktober. Folgen die Mitglieder den Anträgen des Vorstandes, und stellt sich in der November/Dezember-Session auch der Kantonsrat dahinter, muss die Regierung über die Bücher. «Dann muss die Regierung diese 37 Millionen Franken andersweitig kompensieren», sagt VLG-Finanzchef Armin Hartmann. Vorschläge dazu müsse die Regierung aber selber bringen.

Kanton ohne Budget?

Falls der Kantonsrat aber den VLG-Vorschlägen nicht zustimmt, ergreift der Verband das Referendum – zum ersten Mal seit seinem Bestehen. Und zwar müsste er dies einzeln tun, im Extremfall also vier Mal. Das Volk könnte dann im Frühjahr 2017 über jede dieser Massnahmen einzeln abstimmen. Weil es sich dabei um Gesetzesänderungen handelt, können sie auf diese Weise vors Volk gebracht werden. Insgesamt sind mit dem KP17 22 Gesetzesänderungen verknüpft.

«Die Gemeinden leisten insgesamt einen Beitrag an das Sparpaket von 90 Millionen Franken, was einem Beitrag von über 30 Prozent der Ausgabenreduktionen entspricht.»

Hans Luternauer, Präsident VLG

Kommt es zu diesen Abstimmungen, könnte der Kanton in der Dezember-Session das Budget fürs nächste Jahr möglicherweise nicht definitiv verabschieden. Er müsste dann unter Umständen budgetlos ins 2017 starten und dürfte nur die nötigsten Ausgaben tätigen. Regierungsrat und Säckelmeister Marcel Schwerzmann hat schon mehrmals gewarnt, dass dies fürs Image des Kantons nicht förderlich wäre.

Armin Hartmann aber weist darauf hin: «Ein Budget ist trotzdem möglich, auch wenn es zu Gemeindereferenden kommt. In diesem Fall muss das Parlament entscheiden, ob man entsprechende Mittel einstellen will oder nicht.»

Hans Luternauer (links) und Armin Hartmann vom Verband Luzerner Gemeinden (Bilder: zVg).

Hans Luternauer (links) und Armin Hartmann vom Verband Luzerner Gemeinden (Bilder: zVg).

«Ungefähr ausgeglichen»

«Über den Zeitraum des KP17 ist die Globalbilanz im VLG-Szenario für die Gemeinden ungefähr ausgeglichen, sagt Luternauer. «Die Gemeinden leisten insgesamt einen Beitrag an das Sparpaket von 90 Millionen Franken, was einem Beitrag von über 30 Prozent der Ausgabenreduktionen entspricht.» Diese würden ungefähr im gleichen Betrag durch Entlastungen kompensiert. Mit diesem Szenario können laut dem Reidener Gemeindepräsidenten die Forderung des VLG nach einer mindestens haushaltneutralen Umsetzung gerade erfüllt werden – das war stets die Hauptforderung der Gemeinden an den Kanton.

Die Globalbilanz für die Gemeinden sähe gemäss VLG-Szenario neu wie folgt aus:

2017: Nettoentlastung von 7,0 Millionen (sofern alle Entlastungen eintreten)

2018: Nettoentlastung von 0,4 Millionen (sofern alle Entlastungen eintreten)

2019: Nettobelastung von 1,5 Millionen (sofern alle Entlastungen eintreten)

Für alle Seiten fair und verträglich?

VLG-Präsident Luternauer teilt abschliessend mit: «Es gilt, eine faire Lösung zu finden, die den Gemeinden Handlungsfreiheit belässt, dem Kanton aber gleichzeitig die finanzielle Gesundung ermöglicht. Zudem geht es darum, realistische Forderungen zu stellen, die im Parlament und/oder vor dem Volk eine Mehrheit finden.»

Der Vorstand des VLG ist laut Luternauer überzeugt, dass er mit dem vorliegenden Antrag eine Lösung vorschlägt, die für alle Seiten verträglich ist.

Auch Agglogemeinden wehren sich

Die nächste Woche wird in Sachen Monstersparpaket aber nicht nur durch die GV des VLG vom Mittwoch von grosser Bedeutung sein. Auch die sogenannten K5-Gemeinden informieren darüber, wie sie zum KP17 stehen. K5 steht für Kernagglomeration und vereint die Interessen von Ebikon, Emmen, Horw, Kriens und der Stadt Luzern. Diese fünf Gemeinden sind etwa betreffend Sozialausgaben oder Verkehr besonders stark belastet, weshalb sie sich zusammengeschlossen haben. Und auch sie zweifeln an den Berechnungen der Regierung, wonach die Gemeinden durch das KP17 netto zusätzliche Einnahmen erhalten würden.

«Da der Kanton seine Berechnungsgrundlagen nicht offengelegt hat, hat die Gruppe K5 ein Gutachten in Auftrag gegeben», teilt der Verbund mit. Gestützt darauf fordern die fünf Gemeinden, genau wie der VLG, «eine für uns haushaltneutrale Umsetzung des KP17». Was für Forderungen das sind und inwieweit sie von jenen des VLG abweichen, darüber wird am Montagmorgen informiert.

Klar ist bereits jetzt: Der Widerstand gegen die Pläne der Regierung nimmt gröbere Ausmasse an.

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