Luzerner Paartherapeutin hat viele Neuanmeldungen

So hat die Corona-Krise unser Liebes- und Sexleben verändert

Kuscheln oder streiten? Nicht alle Paare haben den Lockdown gleich genutzt. (Symbolbild: Unsplash/Becca Tapert)

Die Corona-Krise war eine turbulente Zeit für alle Paare und Singles. Die Luzerner Paar- und Sexualtherapeutin Sara Frank verrät, ob Luzerner mehr oder weniger Sex hatten – und ob sie sich vor zerstrittenen Paaren noch retten kann.

 «Qui dit que je suis fou, ne l'a jamais été d'amour.» – Wer sagt, ich bin verrückt, war noch nie so verliebt, sagte der französische Regisseur Alexandre Jardin einst.

Nun – zwischen «verrückt vor Liebe» und «verrückt in Liebe» dürfte es ein schmaler Grat sein.

Gerade die Corona-Krise ist einschneidend. Und eine wahre Belastungsprobe für jedes Paar und jeden Single.

Wenn banale Alltagsthemen dazu führen, sich unverstanden zu fühlen

Nach dem Lockdown suchten bereits nach kurzer Zeit wieder die ersten Paare die Luzerner Paar-, Familien- und Sexualtherapeutin Sara Frank auf, weil sie sich in einer Krisensituation befanden (zentralplus berichtete). Paare haben während des Lockdowns viel Zeit miteinander verbracht – ob sie wollten oder nicht.

Rennen jetzt Paare und verzweifelte Singles bei ihr die Bude ein? Tatsächlich hat Sara Frank in den letzten Wochen «auffallend viele» neue Anfragen. «Gut möglich, dass Partnern, die aufeinandersassen, vermehrt neue Macken am Gegenüber auffielen und sich auseinanderlebten.» Alleine auf die Krise möchte sie das aber nicht zurückführen – die Probleme seien oft schon vor dem Lockdown da gewesen.

Genauso die negativen Beziehungsmuster, die in den letzten Wochen oft stärker ins Bewusstsein gerückt sind. Oberflächlich geht es oft um banale Alltagsthemen wie das Wegräumen der Klopapierrollen oder die Frage, wer öfters das Auto putzt. In der Tiefe zeigt sich dann aber oft, dass die Paare sich unverstanden und alleine gelassen fühlen.

Studie zeigt: Ein Viertel sorgte sich um die Beziehung

Während der Krise waren viele Paare um ihre Beziehung besorgt. Das zeigen auch Studienergebnisse der Wienerin Barbara Rothmüller. In einer Onlinebefragung hat die Soziologin und Sexualpädagogin über 8'000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland und Österreich befragt. Zahlen aus der Schweiz existieren noch keine.

Insgesamt fürchteten 25 Prozent aller Befragten, dass ihre Beziehung den Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen nicht standhalten könne.

Paartherapeutin Sara Frank erzählt von einem Paar, das bei ihr in Beratung ist, weil es sich emotional nicht mehr verbunden fühle. Und wer sich emotional distanziert, hat meist weniger Sex. «Dem Paar wurde während des Lockdowns bewusst: Obwohl wir nun mehr Zeit gemeinsam verbringen, kommen wir uns emotional nicht näher. Die Distanz und Kälte zwischen uns ist immer noch da und umso spürbarer.»

Die Umfrage von Rothmüller zeigt aber auch, dass ein Grossteil überzeugt ist, mit dem Partner die bestmögliche Person an seiner Seite zu haben.

Angst und Unsicherheit – ein Lustkiller

Aus der Sexualforschung weiss man: Stress und Angst können ein Lustkiller sein. «Wenn sich Paare viel streiten und emotional distanzierter sind, steht der Sex meistens nicht an erster Stelle», sagt Sara Frank. Existenzängste, Kurzarbeit und das Gedankenkarussell, wie es um die Gesundheit der Grossmutter steht, wann die Kinder wieder in den Unterricht dürfen: Das alles wird kaum ein Libido-Booster gewesen sein.

Bei den meisten hat sich die Lust auf mehr Nähe oder Sex in der Krise nicht verstärkt:

Menschen haben den Lockdown unterschiedlich genutzt. «Bei jenen Paaren, die das Virus und die letzten Wochen eher gelassen nehmen konnten, weil sie weniger von finanziellen Ängsten und allgemeinen Unsicherheiten betroffen waren, war die Wahrscheinlichkeit grösser, dass sie die Zeit für intensive Gespräche mit dem Partner oder mehr Sex nutzen konnten», sagt Sara Frank.

Nur ein kleiner Teil probierte neue Sexpraktiken aus

Die Zahlen von Barbara Rothmüller zeigen, dass nur neun Prozent der Befragten neue sexuelle Praktiken ausprobiert haben. Besonders denjenigen, die «generell neugierig und risikobereit» seien.

Fast die Hälfte – 43 Prozent – hat alleine Pornos geschaut. Auch Sexting schien beliebt zu sein: 28 Prozent haben sexuelle Nachrichten, 15 Prozent Nacktfotos gesendet und zehn Prozent sexuelle Gespräche per Telefon geführt.

Die Luzerner Familien-, Paar- und Sexualtherapeutin Sara Frank in ihrer Praxis. (Bild: ida)

Die meisten fokussierten sich auf eine primäre Beziehungsperson

Die Studie von Barbara Rothmüller zeigt, dass insbesondere Jüngere gelitten haben. Bei den 18- bis 20-Jährigen gaben 68 Prozent an, dass sie sich von anderen Menschen isoliert fühlen. Mit zunehmendem Alter nahm dieses Gefühl ab – bei den 61-Jährigen und älteren waren es gerade einmal 36 Prozent, auf welche die Aussage «eher oder völlig» zutraf. Im Schnitt fühlte sich jeder zweite Befragte stark von anderen Menschen isoliert. Bei Personen in Single-Haushalten fühlten sich zwei Drittel einsam.

«Eine solche Krise kann bei Menschen den Wunsch nach einer festen Partnerschaft verstärken.»

Sara Frank, Luzerner Paar-, Familien- und Sexualtherapeutin

«Es hat im Lockdown eine Art Monogamisierung gegeben», sagte Rothmüller gegenüber dem «Deutschlandfunk Nova». Singles haben ihr Sexleben reduziert – Schuld daran waren Unsicherheiten und Angst vor einer möglichen Ansteckung. Jede zweite bis jede dritte Person in offenen oder unklaren und komplizierten Beziehungen zu mehreren Personen reduzierte den Kontakt zu anderen Partnern. Rund die Hälfte der Befragten, die unverbindlichen Sex mit anderen pflegen, haben ihre Sexpartner seltener oder gar nicht mehr getroffen. Ein Drittel der heterosexuellen Singles hat sich darum bemüht, einen «Coronapartner» zu finden.

Druck von aussen führte zu «Monogamisierung»

«Eine solche Krise kann bei Menschen den Wunsch nach einer festen Partnerschaft verstärken», sagt Sara Frank. Besonders dann, wenn das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit stark fehlt. Weiter wird aber auch der Druck von aussen, soziale Kontakte auf ein Minimum zu beschränken, dazu geführt haben, dass sich Personen auf ein einziges Gegenüber einstellten. Denn der Selbstverantwortung kam in der Schweiz eine enorm wichtige Rolle zuteil, betont Sara Frank.

Nicht zuletzt hofft sie, dass Paare die Krise nicht nur als Gefahr, sondern auch als Chance nutzten. Als Chance, die gemeinsame Zeit vermehrt darin zu investieren, sich über Bedürfnisse, Wünsche und Träume auszutauschen und so die Beziehung zu vertiefen.

«Eine solche Krise als Paar gemeinsam zu bewältigen, kann zu einem besseren Zusammengehörigkeitsgefühl und somit zu einer stärkeren Beziehung führen», sagte Sara Frank während des Lockdowns. Nur hört Sara Frank von diesen Paaren oft nichts – weil die meisten sich erst dann für eine Paarberatung bei ihr melden, wenn es schon brennt.

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