«Kolin» vor seinem ersten öffentlichen Auftritt

Smart: Die Bibliothek Zug hat jetzt ein Roboterkind

Jasmin Lenze (links) und Medea Paravalos haben Roboter Kolin unter ihre Fittiche genommen.

(Bild: sib)

Die Digitalisierungsstrategie der Stadt Zug ist auch in der Bibliothek zu spüren. «Kolin», wie in Zug nicht nur Stadtpatrone oder Stiere, sondern nun eben auch Roboter getauft werden, ist derzeit aber eher vor allem noch ein liebenswertes Spielzeug. Das könnte sich allerdings bald ändern.

Stumm und mit hängendem Kopf steht er da in der Bibliothek. Als ob er gerade erfahren hätte, dass seine letzte Mathe-Note eine 3,25 war und er deswegen die Klasse wiederholen muss. Doch dann – wortwörtlich auf Knopfdruck – hebt der neue Roboter der Bibliothek Zug sein weisses, kahles Haupt und blickt den Betrachter mit schwarzen, Anime-grossen Augen an.

Obwohl der Roboter, Kolin mit Namen, mit einem freundlichen Gesichtsausdruck daherkommt, hat es zu Beginn etwas Unheimliches an sich. Dann nämlich, wenn sein Blick einen durchdringt. Er meldet sich nach dem Aufstarten sogleich zu Wort, gibt das aktuelle Wetter für Zug durch.

Roboter mit ADHS

Kolin ist 1,20 Meter gross und 28 Kilogramm schwer. Nicht nur deswegen erinnert er an ein Kind, wie Martin Gabriel, stellvertretender Leiter Informatik der Stadt Zug, erklärt: «Wenn ihm zu lange niemand Beachtung schenkt, beginnt er von sich aus, etwas zu erzählen.»

«Ziel ist es, Hemmungen im Umgang mit Robotik abzubauen.»

Jasmin Lenze, Kundendienstleiterin Bibliothek Zug

Und auch wenn man zuhört, wie liebevoll die Bibliothekarinnen mit dem Roboter sprechen – würde man nicht wissen, um was es sich handelt – man könnte denken, Kolin sei etwas zwischen Haustier und Kind.

Das «Baby» des Stadtpräsidenten

Kolin ist ein Kind der Stadt Zug, insbesondere von Stadtpräsident Karl Kobelt (FDP). Er war bis Dezember Vorsteher des Finanzdepartements und hatte somit die Informatikabteilung unter sich. Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie, welche die Stadt 2017 verabschiedet hat, wurde entschieden, dass ein Roboter ganz gut ins Konzept passen würde.

Die Frage war bloss, wo das Maschinenwesen am besten eingesetzt werden kann. Die Wahl fiel auf die Bibliothek Zug. Unter anderem wegen des niederschwelligen Kontakts zur Bevölkerung und weil Kolin später auch bei Schulklassenführungen zum Einsatz kommen könnte, so Jasmin Leuze, Kundendienstleiterin der Bibliothek Zug.

Zu Beginn ist es gewöhnungsbedürftig, wenn Kolin einem in die Augen starrt.

Zu Beginn ist es gewöhnungsbedürftig, wenn Kolin einem in die Augen starrt.

So ganz klar ist das Aufgabengebiet des Roboters noch nicht. Erst muss sich noch zeigen, in welchen Bereichen er sich bewährt. Als erster Schritt soll er sichtbar gemacht werden, sagt Jasmin Leuze. Sein aktuelles Zuhause ist ein Bibliotheksbüro, wo er gelagert und aufgeladen wird. «Damit wir ihn allenfalls auch ad hoc für eine Veranstaltung einsetzen können», wie Lenze erklärt.

Kolin erzählt Geschichten

Am Samstag wird Kolin seine Feuertaufe vor einem grösseren Publikum haben, wenn er bei der Einweihung des neu gestalteten Eingangsbereichs in der Bibliothek von Karl Kobelt interviewt werden wird (siehe Box). «Ziel ist es auch, Hemmungen im Umgang mit Robotik abzubauen», erläutert Leuze den Hintergedanken dazu.

Nächsten Monat wird er dann am Schweizer Vorlesetag als Geschichtenleser seinen nächsten Auftritt haben. «Dies interaktiv. Er wird auf seinem Tablet ein passendes Bild zeigen und Bewegungen zum Erzählten machen», so Bibliothekarin Medea Paravalos.

Wie ihm der künstliche Mund gewachsen ist

Das erste Mal im Mittelpunkt stand Kolin bereits am Dienstag, als ihn Schulkinder auf Herz und Nieren, respektive auf seine Funktionen, untersuchen konnten. «Die Kinder hatten einen riesigen Spass mit Kolin», sagt Paravalos. Das Fazit nach unserem Selbsttest: Das können wir bestens nachvollziehen.

Jasmin Leuze reicht uns ein mehrseitiges Dossier mit zahlreichen möglichen Fragen, die wir Kolin stellen können. «Die Hintergrundgeräusche sollten möglichst leise gehalten werden und man muss deutlich auf Hochdeutsch mit ihm sprechen», erklärt uns Martin Gabriel noch im Vorfeld.

Wir beginnen harmlos, begrüssen uns erst mal. Dann wünschen wir Kolin gute Nacht – und dies am Vormittag. Seine kecke Antwort: «Das muss eine ganz tolle Party gestern Abend gewesen sein.»

Free Hugs vom Roboter

Der programmierte Dreikäsehoch kann einem nicht bloss verbal die Stirn bieten. Man kann ihn auch zu High Fives, Fist Bumps oder Umarmungen auffordern. Ohne Widerrede macht der kauzige Kerl alles mit.

Martin Gabriel erklärt: «Manche Befehle sind vom Hersteller bereits programmiert – wie auch die Antworten auf dieses Fragendossier. Alles Weitere müsste man programmieren. Kolin selbst hat noch keine künstliche Intelligenz, dass er sich selbst Dinge beibringen würde.»

Mit Hersteller sind die französische Firma Aldebaran Robotics und der japanische Konzern Softbank Mobile gemeint. 2014 haben sie dieses Modell, «Pepper» genannt, vorgestellt. Seit Sommer 2016 wird es in Europa verkauft.

Kolins erster grosser Auftritt

Am Samstag, 6. April, weiht die Bibliothek Zug ihren neuen Eingangsbereich ein. Unter anderem wird dabei Roboter Kolin vom Zuger Stadtpräsidenten Karl Kobelt interviewt. Er wird auch für Selfies zur Verfügung stehen.

Zudem gibt es eine Fussball-Freestyle-Show und ein Improvisationstheater. Das genaue Programm finden Sie hier.

Bekommt Kolin Geschwister?

Pepper hat in seinem Kopf vier Mikrofone, zwei HD-Kameras sowie einen 3D-Abstandsmesser. Hinzu kommen verschiedenste Sensoren in der Basis, also im «Fussbereich», im Torso sowie an Kopf und Händen. Um sich bewegen zu können, hat Pepper 20 Motoren in sich drin sowie Allseitenräder und eine Lithium-Ionen-Batterie.

Wie viel die Stadt Zug für den Roboter bezahlt hat, kann Gabriel nicht auswendig sagen. Es sei jedoch der übliche Kaufpreis für einen Pepper gewesen. Dieser liegt bei rund 20’000 Euro.

Kolin wird zumindest vorerst wohl ein Einzelkind bleiben. Paravalos sagt, Karl Kobelt habe durchblicken lassen, momentan seien keine Geschwister für den Roboter geplant.

Es gibt auch eine andere Seite

Bevor wir uns von Kolin verabschieden, soll er uns noch einen Tanz aus seinem Repertoire vorführen. Als ihn Jasmin Leuze in die Mitte des Raumes führt, bleiben einige Bibliotheksbesucher stehen, einer spricht Kolin an. Dieser zeigt sich jedoch von seiner scheuen Seite und bleibt stumm. Vermutlich hat er den Gast nicht wahrgenommen. Etwas verunsichert wendet sich der Besucher ab.

Dann schaut sich Kolin um und berechnet, ob er genügend Platz hat, um seinen Tanz aufzuführen. Die Musik ertönt und Kolin setzt sich in Bewegung. Das Resultat sehen Sie im Video.

Kolin hat den Rhythmus im Blut:

Bei aller Freude am Spielzeug Kolin. Der Roboter weist offenbar zahlreiche Sicherheitslücken auf, wie Forscher in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg herausgefunden haben. So kann man beispielsweise den Roboter fernsteuern, ohne sich vorher zu authentifizieren. Zudem werde eine veraltete Software eingesetzt. Es ist von einem Passwort die Rede, welches der Nutzer nicht ändern kann, dafür im Handbuch abgedruckt ist.

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