Baugesuche Kanton Zug

Sind Zuger Bauchefs zu kulant?

Für dieses Haus im Gebiet Obersellen in Walchwil gilt seit Dezember 2012 ein Baustopp. Es liegt eine Abbruchverfügung vor, wobei der Bauherr den Fall ans Verwaltungsgericht weitergezogen hat. (Bild: anm)

Die Behörden der Zuger Gemeinden wollen Bausünder härter bestrafen. Eine Umfrage bei den Bauvorstehern der Gemeinden zeigt jedoch, dass es nur selten zur Anzeige kommt. Die Gemeinden halten sich einen grossen Spielraum offen. Das «kulante» Vorgehen der Gemeinden wirft deshalb Fragen auf. 

«Bis zum heutigen Zeitpunkt stellen wir regelmässig Verstösse gegen das Baureglement fest», sagt Richard Schubnell. Gemäss dem Neuheimer Gemeinderat betrifft es vor allem kleinere Bauten wie Gartenhäuser, Wintergärten und Zäune, die ohne Baubewilligung erstellt wurden. Es gibt aber auch grössere Beispiele: Illegal erstellte Ferienhäuser, Wohnungen oder Terrainveränderungen. «Auch kommt es vor, dass bewilligte Bauvorhaben nicht entsprechend ausgeführt werden», fügt Schubnell an.

Dass sich an der Baupraxis im Kanton Zug nichts geändert hat, erstaunt. Mit Franz Keiser und Alexandre von Rohr wurden zwei Bausünder in der Öffentlichkeit für ihr Vorgehen massiv kritisiert. Franz Keiser, Gemeinderat und Landwirt aus Neuheim, baute eine Anlage für die industrielle Herstellung von Pflanzenkohle, einem Dünger. Ohne Bewilligung, wie sich schnell herausstellte. Das sorge in Neuheim bis heute für Diskussionen, sagt Richard Schubnell. Im Sommer 2013 geriet der Zuger Stadtschreiber Alexandre von Rohr in die Schlagzeilen, weil er einen Windfang ohne Baubewilligung erstellt hatte. Er trat darauf von seinem Amt zurück. In beiden Fällen sahen die Bauämter aber von Anzeigen ab. War das ein falsches Signal?

Gängige Praxis

Im Kanton Zug seien während Jahren viele Bauten ohne Bewilligung erstellt worden, sagt der Neuheimer Gemeinderat Richard Schubnell. Die Baugesuche wurden dabei erst nachträglich eingereicht. Das sei lange Zeit die «gängige Praxis» gewesen. Schubnell fügt an: «Verstösse gegen das Baugesetz tolerieren wir heute nicht mehr.»

In Zusammenhang mit dem Fall des ehemaligen Zuger Stadtschreibers Alexandre von Rohr äusserten sich Einwohner von Buonas in Leserbriefen, das Bauen ohne Bewilligung habe in ihrer Gemeinde eine «lange Tradition».

Alexandre von Rohr reichte zwar ein nachträgliches Baugesuch ein, zog dieses aber wieder zurück und beseitigte den Windfang. Im Fall von Franz Keiser folgten Gespräche zwischen dem Landwirt, dem Neuheimer Bauchef und dem kantonalen Amt für Raumplanung. Dieses erteilte dem Versuchsbetrieb eine provisorische Bewilligung. «Solch grobe Vorfälle tolerieren wir heute nicht mehr», sagt Schubnell bestimmt.

Behörden drohen mit konsequenter Ahndung – heisse Luft?

Die gleiche angeblich konsequente Haltung vertreten zum Beispiel auch die Gemeinden Menzingen und Baar. Ob sich Bauherren davon einschüchtern lassen? Stichproben in verschiedenen Ausgaben des Zuger Amtsblatt seit Ende Januar 2014 zeigen, dass nach wie vor Baugesuche für bereits erstellte Bauten eingereicht werden. zentral+ sprach betroffene Bauherren auf die Gründe für die nachträglichen Baugesuche an.

In einem Beispiel aus Baar baute der Bauherr das zuvor gewerblich genutzte Untergeschoss in einen Wohnraum um. Er ging davon aus, dass für den Innenausbau kein Baugesuch nötig ist. Es sei schliesslich «keine grosse Geschichte». Um ganz sicher zu gehen informierte sich der Bauherr dennoch bei der Behörde – und reichte das verlangte Gesuch nachträglich ein.

«Es gibt Verstösse. Ob diese absichtlich erfolgen oder nicht ist schwierig zu sagen.»

Patrik Birri, Gemeinde Risch

Auffällig viele Beispiele finden sich in der Gemeinde Risch. In einem Fall wurde eine Leuchtreklame ohne Bewilligung angebracht, in einem anderen erst nachträglich ein Baugesuch für eine bereits vorgenommene Terrainveränderung eingereicht. In Rotkreuz nutzte ein Landwirt sein Fahrsilo um. Die Bewilligung für das bereits realisierte Projekt wurde erst im Nachhinein erteilt. Der Landwirt meinte auf Anfrage: «Das sollte eigentlich nicht passieren.» Er habe sich vorhergehend provisorisch bei der zuständigen kantonalen Behörde erkundigt. Diese habe das Projekt anhand von Skizzen gutgeheissen. Der Bau sei dann schneller erfolgt als die Bearbeitung des Gesuchs, so der Landwirt.

Bevölkerung soll sich gegenseitig kontrollieren

Häufige Baukontrollen sollen helfen, Verstösse frühzeitig zu erkennen. Dennoch komme es «immer wieder» dazu, sagt der Walchwiler Gemeinderat René Loosli. In der Gemeinde Cham kam es ebenfalls zu Verstössen, weil realisierte Projekte von den bewilligten Plänen abwichen. In Baar gebe es ein bis zwei Verstösse pro Jahr, sagt Bauvorsteher Paul Langenegger. Und in Risch, wo sich der Fall von Alexandre von Rohr ereignete?

Patrik Birri, Leiter der Abteilung Planung/Bau/Sicherheit der Gemeinde Risch, sagt: «Es gibt Verstösse. Ob diese absichtlich erfolgen oder nicht ist schwierig zu sagen. In der Regel halten sich die Leute ans Planungs- und Baugesetz.» Die Gemeinde nehme entsprechende Meldungen ernst und gehe den Verstössen nach. Gezielt nach Bausündern suche man aber nicht. Die Gemeinde Unterägeri vertraut ebenfalls auf Meldungen aus der Bevölkerung. «Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer unbedeutend klein ist, da sich die Bevölkerung gegenseitig relativ genau im Auge behält», sagt Hans Zogg, Abteilungsleiter Bau und Unterhalt.

Zurückhaltende Sanktionierung

Den grossen Worten um die Sanktionierung folgen kaum Taten. Im letzten Jahr beurteilte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug gerade einmal fünf Verstösse gegen das Planungs- und Baugesetz (PBG). Die Verstösse wurden mit Bussen zwischen 250 und 4’000 Franken bestraft. Gemäss dem PBG können Verstösse aber mit bis zu 100’000 Franken bestraft werden. In Anbetracht der im Amtsblatt publizierten nachträglichen Baugesuchen und der Höhe der ausgesprochenen Bussen bestrafen die Behörden Bausünder also noch immer selten, und vor allem milde.

Bei den Gemeinden wird die angekündigte harte Linie bisher offenbar nicht umgesetzt. Der Walchwiler Gemeinderat René Loosli sagt: «Wir bemühen uns, nachträglich zu bewilligende Projekte soweit wie möglich kulant zu lösen.» Er weist zwar noch einmal darauf hin, dass die Gemeinde «grundsätzlich eine konsequente Haltung hat und solche Fälle zur Anzeige bringt.» In der Realität spricht die Zahl erhobener Anzeigen aber eine andere Sprache. 

«Wir bemühen uns, nachträglich zu bewilligende Projekte soweit wie möglich kulant zu lösen.»

René Loosli, Gemeinderat Walchwil

Sie belegen die zurückhaltende Sanktionierung der Gemeinden. Zur konkreten Zahl der in Walchwil angezeigten Bausünder will René Loosli gar keine detaillierte Auskunft geben. Es seien aber «diverse» gewesen, meint er. In Cham gab es realisierte Projekte, die von den bewilligten Plänen abwichen. «Wir haben so lange verhandelt, geredet, gedroht und gelockt, bis das illegal Gebaute zurückgebaut war», sagt Bauvorsteher Charles Meyer. Er weist seinerseits darauf hin, dass «Anzeigen erst der allerletzte Schritt sind.»

Kaum Anzeigen

In Unterägeri hat die Gemeinde beispielsweise gar keine Anzeigen ausgesprochen. Auch der Neuheimer Gemeinderat Richard Schubnell sagt: «In den letzten Jahren wurden keine Anzeigen eingereicht.» Vor diesem Hintergrund erstaunt es deshalb nicht, dass die Zahl der im Kanton Zug gemachten Anzeigen gegen Bausünder sehr tief ist. Waren es bei der Staatsanwaltschaft im letzten Jahr 5 Verstösse, verzeichnete diese 2012 einen einzigen, 2011 deren elf und im Jahre 2010 vier.

Der Neuheimer Bauvorsteher Schubnell kündigt aber an, dass sich dies ab 2014 ändern wird: «Die Zuger Bauchefs greifen nun in Zusammenarbeit mit der kantonalen Baudirektion konsequent durch.» Die Gemeinden wollen bei Verstössen gegen die Bauordnung nicht mehr zögern. Schubnell droht mit Bussen, Rückbauverfügungen und dem Abriss von Gebäuden. Ob die meisten Bausünder im Kanton Zug wie bis anhin auch in Zukunft ohne Busse davon kommen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

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