Streit um Radarkontrollen – aber weniger Unfälle

Sind Blitzkästen dazu da, um Löcher der Zuger Staatskasse zu stopfen?

Eine «Geldmaschine»: Eines der modernen semistationären Radargeräte. Der Kanton Zug hat das gleiche Modell.

(Bild: hch)

Der Chamer FDP-Kantonsrat Thomas Gander ärgert sich darüber, dass der Kanton Zug immer mehr Bussen verhängt. Deswegen wollte er, dass die Gelder künftig nur noch für den Strassenbau verwendet werden dürfen. Seine Idee hatte politisch keine Chance, offenbart aber dennoch ein Problem. Zu welchem CVP-Sicherheitsdirektor Beat Villiger einiges zur Sicherheit auf den Strassen anzumerken hat.

«Verdreifacht habe sich der Bussenertrag aus Radarkontrollen in den letzten fünf Jahren», sagte der Chamer FDP-Kantonsrat Thomas Gander am Donnerstag im Zuger Kantonsrat. «Ja, sie haben richtig gehört: verdreifacht.»

Weswegen er beantrage, dass die Bussengelder künftig nur noch für die Spezialfinanzierung Strassenbau verwendet werden dürften. So will er der Zuger Regierung austreiben, dass sie über Radarkontrollen Löcher im Staatshaushalt stopft (zentralplus berichtete).

Niemand ist gegen Sicherheit

Um es vorwegzunehmen: Gander hatte mit seiner Motion nicht den Hauch einer Chance. Sie wurde für nicht erheblich erklärt. Einzig seine freisinnigen Parteifreunde stellten sich hinter seinen Vorstoss. Sie verzichteten aber darauf, argumentativ in den Disput einzugreifen.

 

 

Die Diskussion zeigte auf: Niemand ist gegen Geschwindigkeitskontrollen, welche der Verkehrssicherheit dienen. Insbesondere wenn sie in der Nähe von Schulen oder Fussgängerzonen stattfinden.

Wegelagerei wie im Mittelalter

Auch Gander ist dafür. Aber dafür, dass nicht alle Kontrollen immer nur ausschliesslich der Verkehrssicherheit dienen, hat er eben auch Indizien gefunden. Etwa ein Begehren der Zuger Polizei, eine dritte semistationäre Radaranlage früher zu beschaffen, um die Einnahmen zu steigern.

Thomas Gander von der FDP in Cham hat eine Motion eingereicht, die eine sinnvollere Verwendung der Bussengelder durch Radarblitzer einfordert – zur Verbesserung der Verkehrssicherheit.

Thomas Gander: «Kontrollen dienen primär dazu, Geld in den Staatshaushalt zu spülen.»

(Bild: zvg)

Unterstützung erhielt Gander ideell von seinem Chamer Kantonsratskollegen Rainer Suter (SVP). Die Praxis, Radarkästen hinter problematischen Kurven aufzustellen, anstatt bauliche Massnahmen zu ergreifen, wie etwa in der Laubaukurve zwischen Sihlbrugg und Neuheim, erinnere an «Wegelagerei». Und vermutlich seien im Mittelalter an derselben Stelle auch schon Räuber aktiv gewesen, glaubt Suter.

Raser sind keine Opfer

Aber wie gesagt: Bei Schulen hat auch Suter nichts gegen Radarkästen. Ebenso wenig wie Fabio Iten (CVP) aus Unterägeri, der daran erinnerte, wie stark die Unfallzahlen im Kanton Zug wischen 2009 und 2017 zurückgegangen sind.

Während Iten aber Wert darauf legt, dass Bussen nicht zur Aufbesserung der Staatskasse benutzt werden sollten, findet die Baarer SP-Kantonsrätin Isabel Liniger, dass die Bussen primär präventiver Natur seien und dazu dienten, die Verkehrssicherheit zu verbessern. Stéphanie Vuichard, ALG Kantonsrätin aus Zug, hat noch weniger Mitleid mit Bleifüssen: «Dass zu schnell fahrende Personen Opfer seien, ist ein Trugschluss.» Das blosse Bewusstsein, dass die Polizei Kontrollen macht, führe zu besserem Einhalten der Höchstgeschwindigkeit.

Mobiler Radar ist eine Geldmaschine

Fragt sich, was CVP-Sicherheitsdirektor Beat Villiger zum Thema meint. Ganders Zahlenreihe, welche auf steigende Bussenerträge hinweise, sei «bewusst oder unbewusst» willkürlich gewählt, sagt der. «Die Erträge schwanken. Schon 2003 waren wir über 3 Millionen Franken.»

Die Umstellung von stationären Radaranlagen auf semistationäre Anlagen habe grosse Veränderungen gebracht. Die mobilen Anlagen sind nämlich ungleich wirksamer – viel mehr Temposünder gehen in die Falle.

«Ich verbiete das Aufstellen von Radarfallen an fiesen Orten.»

Beat Villiger (CVP), Zuger Sicherheitsdirektor

Villiger sagt, dass einst mit 13 stationären Radarfallen, von denen 10 in Betrieb waren, 87’000 Überwachungsstunden geleistet wurden. Die drei semistationären Radarfallen indes laufen pro Jahr während 15’000 Stunden. Natürlich müsse man im Auge behalten, dass die Bussenerträge nun nicht aus dem Ruder liefen, sagt der Regierungsrat.

Massiv weniger Todesopfer

Aber eine gewisse Überwachungsfunktion zugunsten der Verkehrssicherheit müsse sein. «Wissen Sie, wie sich die Zahlen der Verkehrsopfer entwickelt haben?», fragte Villiger. 1970 habe es im Kanton Zug jährlich 25 bis 30 Todesopfer auf den Strassen gegeben – letztes Jahr war es eines. Schweizweit starben 1970 noch 1750 Leute auf den Strassen, letztes Jahr waren es 200. «Welche Zahl bevorzugen Sie?»

Er mache als Sicherheitsdirektor der Polizei politische Vorgaben, so Villiger. «Aber die Bussen verursachen die Autofahrer immer noch selber.» Dabei setze er jedoch klare Grenzen: «Ich verbiete das Aufstellen von Radarfallen an fiesen Orten, wie etwa hinter Mauern oder Gebüschen.» Die Geräte dürfe man ruhig sehen.

Sicherheitsdirektor Beat Villiger kann das Unverständnis für die Schliessung von Polizeiposten nicht verstehen.

Beat Villiger: «Welche Opferzahlen bevorzugen Sie?»

(Bild: sib)

 

 

 

 

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 04.02.2019, 14:16 Uhr

    SVG-Bussen sind freiwillige Abgaben, denn jeder Verkehrsteilnehmer kann selbst entscheiden, ob er sich an die geltenden Regelungen halten will oder nicht. Meines Ermessens genügen Geldstrafen nicht. Es sollte zusätzlich ein Punktesystem eingeführt werden (wie in Deutschland), mit welchem bei Regelverstössen Malus-Punkte zugewiesen werden, welche bei einem bestimmten Kontostand innert einem festgelegten Zeitabschnitt automatisch zum Führerausweisentzug führt.

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  • Profilfoto von caderas hotmail.com
    caderas hotmail.com, 01.02.2019, 09:37 Uhr

    Als Automobilist weiss man wo die Radarfallen stehen, von dem her kein Problem. Die Unfall Zahlen von früher mit Heute zu vergleichen ist auch nicht wirklich seriös, nur schon die Automobiltechnik hat einen riesen Sprung gemacht… Das einzige störende am Artikel ist, dass der Herr Beat V. als mutmasslicher Verbrecher immer noch im Amt ist und dies auch noch als Sicherheitsdirektor!

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  • Profilfoto von M. Power
    M. Power, 01.02.2019, 09:03 Uhr

    Danke für diesen Bericht, ich finde es gut das zentralplus über dieses Thema berichtet.
    Grundsätzlich ist es gut das Kontrollen durchgeführt werden, allerdings an sinnvollen Orten. Leider wird oft dort ein Radar aufgestellt, wo es finanziell interessant ist. Es ist ja offensichtlich das es um die Einnahmen geht.
    Hingegen ist schon länger klar, die grössten Gefahren für Autounfälle sind Ablenkung und Unaufmerksamkeit. Da sollten die Kontrollen verstärkt werden, aber eben dies ist aufwendiger und bringt vermutlich weniger Geld in die Kassen.

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