Zuger Gericht über Ricardo-Verkäufer

Silber als Gold verkaufen ist kein Betrug

Einer der angeblichen Goldbarren. In Wirklichkeit sind es Silberbarren, bei denen Materialangabe und Feingehaltsangabe manipuliert wurden. Dann wurden sie mit Goldlack lackiert

(Bild: mbe.)

Vor dem Zuger Obergericht stand am Donnerstag ein 30-jähriger Maurer. Weil er Geld brauchte, versteigerte er über die Zuger Auktionsplattform «Ricardo» Goldbarren. Doch der Abnehmer erhielt etwas ganz anderes als Gold. Dennoch wurde der Anklagte nicht wegen Betruges verurteilt.

Auf Ricardo.ch werden nicht nur Möbel und Autos gehandelt, sondern auch wertvollere Dinge. In diesem Fall Gold. Ein Mann  ersteigerte im Sommer 2011 kleine Goldbarren mit einem Gesamtgewicht von 250 Gramm. Der Käufer überwies sodann 10’070 Franken auf das Konto des Anbieters aus dem Kanton Zug. Erst einen Monat später trafen sich die beiden in Winterthur. Der Anbieter übergab dem Käufer die vier vermeintlichen Goldbarren mit der Prägung der Firma Argor S.A. Chiasso.

In Wirklichkeit waren es jedoch keine Goldbarren, sondern mit Goldlack eingefärbte Silberbarren. Der Käufer erstattete Strafanzeige. Das Forensische Institut Zürich untersuchte die Barren. Laut Gutachten war die Bezeichnung «Silber» durch Feilen entfernt worden. Bei der gesetzlich vorgeschriebenen Feingehaltsangabe der Silberbarren von 999.0 Promille war die Null manipuliert worden. So las man 999,9  Promille – dieser Feingehalt ist bei Gold üblich. Der Wert der Silberbarren: Rund 500 Franken.

«Durchaus betrügerische Machenschaften»

Der Online-Anbieter, ein im Kanton Zug wohnhafter Kroate, wurde nach einem ersten Prozess im September 2015 zu einer bedingten Geldstrafe, einer Busse und weiteren Zahlungen verurteilt. Und zwar wegen Warenfälschung und Verstoss gegen das Edelmetallkontrollgesetz. Nicht aber wegen Betrugs (siehe Box). Die Fälschung wurde als ziemlich plump bezeichnet. Der Beschuldigte, der nicht vorbestraft ist, rekurrierte gegen das Urteil.

«Ich habe ihm richtiges Gold gegeben. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher.»
Der Angeklagte vor dem Obergericht

Geld zum Leben gebraucht

Elegant gekleidet, im schwarzen glänzenden Anzug, sass der 30-Jährige am Donnerstag vor dem Obergericht. Er war allein und verteidigte sich selbst. Er erklärte, dass er neben seiner Arbeit als Maurer mit verschiedenen Dingen auf Ricardo handle. «Ich habe Geld zum Leben gebraucht, musste mein Haus in Kroatien renovieren und ein Auto kaufen.» Der Mann ist verheiratet und hat vier Kinder. Er habe Schulden von 53’000 Franken bei mehreren Kollegen, erklärte er.

Warum kein Betrug?

Das Strafgericht Zug schreibt im Urteil vom September 2015, es gebe der Staatsanwaltschaft Recht, dass gefälschte Goldbarren «durchaus betrügerische Machenschaften darstellen könnten». Der Privatkläger habe dem Beschuldigten jedoch das Geld längere Zeit vor den Täuschungshandlungen überwiesen. «Die Fälschung der Goldbarren und die Übergabe waren somit nicht kausal für die Vermögensdisposition des Privatklägers, weshalb der Tatbestand des Betrugs nicht erfüllt ist.»

Zum Tatvorwurf erklärte der Mann: «Ich bin unschuldig. Was man mir vorwirft, habe ich nicht getan. Ich habe ihm richtiges Gold gegeben, da bin ich mir zu 100 Prozent sicher.» Der Gerichtsschreiber legte dem Beschuldigten die falschen Goldbarren vor. Man fragte ihn, ob er diese an den Kläger verkauft habe. «Nein.» Er wiederholte die Aussage, dass er dem Privatkläger Barren mit einer anderen Grammstückelung übergeben habe. – Das seien also gar nicht besagte Barren.

Keine Kaufquittungen für das Gold

Woher das Gold denn stamme, wollte Oberrichter Paul Kuhn wissen. «Ich bekomme manchmal Gold von der Bauleitung bei der Fertigstellung eines Baus.» Auch kaufe er ab und zu Gold in Kroatien, Bosnien, manchmal auch in Serbien. Er bezahle jeweils bar, ohne Rechnung oder Vertrag. Für den Kauf des besagten Goldes hat er keine Kaufquittungen.
Erwiesen ist jedoch, dass der Beschuldigte an Auktionen teilgenommen hat, an denen er mindestens drei Silberbarren à 50 Gramm und zwei à 100 Gramm ersteigert hat. Diese passen zu den untersuchten Barren.

Der Mann hätte wohl besser auf einen Verteidiger gesetzt. Denn was er dem Gericht sagte, um sich in gutem Licht darzustellen, war ziemlich sicher eher nachteilig für ihn. «Ich hätte nach Kroatien gehen, ein paar Leuten Geld bezahlen können, damit sie hierher kommen, vor Gericht aussagen und etwas zusammenlügen. Das habe ich aber nicht getan», sagte er. Es tue ihm leid, dass sich das Gericht mit seinem Fall beschäftigen müsse. Er habe sein Geld immer ehrlich verdient.

«Das Gericht musste abwägen, wem es glauben sollte.»
Paul Kuhn, Oberrichter

Obergericht weist Berufung ab

Das Obergericht hat die Berufung des Mannes abgewiesen. Es bestätigte das Urteil des Strafgerichts in allen Punkten. Wie die Vorinstanz sprach es den Angeklagten wegen Warenfälschung und Täuschung schuldig. Nicht aber wegen Betrugs.
Der Gerichtsvorsitzende Paul Kuhn meinte bei der Urteilseröffnung, das Gericht habe abwägen müssen, wem es glauben solle, dem Beschuldigten oder dem Kläger. Es glaubte dem Privatkläger. Erstens habe dieser die Barren eingereicht und diese hätten sich nachweislich als Fälschung herausgestellt.

Gegen den Angeklagten spreche aber vor allem, das er die Silberbarren auf Ricardo erworben habe. «Zudem konnten Sie uns nicht plausibel erklären, wie Sie in den Besitz des Goldes kamen. Ihre Ausführungen waren vage.» Gegen ihn spräche auch ein SMS an den Kläger, nachdem dieser ihn mit den Vorwürfen konfrontiert hatte. Der Wortlaut: «Bitte um Entschuldigung bezüglich der Unannehmlichkeiten. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie das passieren konnte. Ich hatte noch nie Probleme. Ich weiss nicht, was ich sagen soll, bin wirklich schockiert! Selbstverständlich werde ich das Geldproblem so schnell wie möglich erledigen/lösen.» Er hätte sich zudem die Goldbarren ja nochmals zeigen lassen können. «Sie sind aber passiv geblieben», sagte Kuhn.

Urteil des Strafgerichts in allen Punkten bestätigt

Das Urteil ist gleich wie dasjenige der Vorinstanz. Die bedingte Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu 90 Franken muss der Mann nicht bezahlen, wenn er sich zwei Jahre nichts zuschulden kommen lässt. Trotzdem kommt die Tat ihn teuer zu stehen. Er kassiert eine Busse von 900 Franken und muss die Verfahrenskosten von 7600 Franken bezahlen. Dazu hat er dem Privatkläger die Kaufsumme von 10’070 Franken (plus fünf Prozent Zins) zurückzuerstatten und ihm eine Aufwandentschädigung von 8221.50 Franken zu bezahlen. Die vier falschen Goldbarren werden eingezogen und der Zuger Polizei übergeben – als «Anschauungsmaterial, zu Ausbildungszwecken und gegebenenfalls Vernichtung».

Der Beschuldigte will die Sache bis vor Bundesgericht weiterziehen, sagte er zentralplus. Er habe seit 2011 schon mehr Geld für Anwälte ausgegeben, als er mit dem Verkauf damals erzielt habe.

Grössenvergleich mit der Hand: Es handelt sich um ganz kleine Barren.

Grössenvergleich mit der Hand: Es handelt sich um ganz kleine Barren.

(Bild: mbe.)


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