Worauf es im Kleiderschrank wirklich ankommt

Sieben Tipps der Luzerner Fashion-Beraterin

Vom ausrangierten Pyjama zur stylischen Seidenbluse. Manuela Grisel (rechts) berät Karin Willimann.

 

(Bild: jav)

Die Luzernerin Manuela Grisel ist Modeberaterin und Stylistin. Sie mistet Kleiderschränke aus und kauft anderer Leute Kleidung. Wir haben sie zu einer Kundin begleitet und die wichtigsten Regeln festgehalten.

Die Vorstellungen ihres Jobs hätten oft nicht viel mit der Realität zu tun, sagt Manuela Grisel. «Ich mache kein Personalshopping für Reiche.» Die meisten ihrer Kunden hätten mit Mode gar nichts am Hut und kämen auf Empfehlung von Familie oder Partner zu ihr, erhielten die Beratung als Geschenk. Viele Kunden seien an einem Punkt, an welchem sie sich als Baustelle wahrnehmen, erklärt die 33-jährige Luzernerin.

Andere suchen nach einer kleineren Veränderung oder neuen Ideen. Ein modisches Makeover könne viel mehr auslösen, als nur den Kleidungsstil zu optimieren, sagt Grisel. Sie habe erlebt, wie Menschen danach neue Hobbys angefangen haben, sich endlich verabredeten.

Doch wie läuft das ab, wenn man Grisel bucht? «Erst mal finden wir heraus, ob es zwischenmenschlich passt – bei einem ersten Treffen zu Hause.» Dann gibt es Hausaufgaben. Einige Modemagazine sollen durchgeblättert und was gefällt, mit Post-its markiert werden. «Danach wird ausgemistet und geshoppt.» Gerne mit Espresso-Amaretto-Pause – es soll ja Spass machen.

Von Stil und dem gewissen Etwas

Ihr eigener Stil sei ständig im Wandel und das sei gut so, sagt Grisel. Und tatsächlich – mit den Bildern auf der Website hat sie, stiltechnisch, kaum etwas gemein. Dort lächelt sie mit glattem, langem Haar, elegant im Businesslook in die Kamera. Heute steht sie mit kurzem Wuschelkopf, Jeansjacke, Shirt und kultigen 80er-Jahre-Socken da. Grisel ist immer auf der Suche nach dem gewissen Etwas.

«Ich bin meine eigene Werbung», sagt sie. Seit zwei Jahren arbeitet sie nun selbständig in Luzern. Das laufe durchzogen, obwohl die Mund-zu-Mund-Propaganda immer besser funktioniere. Da der Aufwand je nach Kunde stark variiere, tut dies auch ihr Lohn. «Was den Kunden wirklich kostet, ist das Einkaufen», sagt Grisel. Ihre Ausbildung absolvierte Grisel im Detailhandel und sammelte danach mehrere Jahre Erfahrungen und Kenntnisse in der Modebranche während Aufenthalten von mehreren Monaten in Paris, Kopenhagen, Berlin und Lissabon.

Vom Testen und vom Trennen

Wir stehen nun im Schlafzimmer von Karin Willimann. Die Grafikerin ist keiner dieser Fälle, die sich in der Mode noch finden müssen. Ihr Kleiderschrank ist beinahe perfekt aufgeräumt. Die 49-Jährige hat ihren eigenen Stil: ein bisschen Dandy, ein bisschen sportlich, etwas Business.

Bei Karin Willimann braucht es kein ganzes Programm, sondern bloss die Light-Version von Grisels Beratung. Dabei geht es mehr darum, herauszufinden, was im Kleiderschrank besser oder weniger gut zum Typ und zur Figur passt. Wovon man sich endlich trennen sollte und was, ganz anders kombiniert, plötzlich wieder zum Lieblingsteil werden kann.

Wir öffnen die Schranktüren und starten mit dem Lehrblätz.

# 1: Ordnung
Im Kleiderschrank muss Ordnung herrschen. Für die neue Saison sollte er jeweils so umgeräumt werden, dass sich die am häufigsten getragenen Teile in Griffhöhe befinden. Wichtig ist, dass die T-Shirts bei den T-Shirts, die Jeans bei den Jeans liegen. Wer es richtig durchziehen will, der ordnet auch gleich noch nach Farben.

# 2: Bügeln
Wichtig ist zum Thema Ordnung auch: Alles soll sorgfältig gefaltet oder bereits aufgebügelt im Schrank hängen. Ein Teil bleibt darin hängen, wenn man es morgens nicht gleich überstreifen kann.

# 3: Wertschätzung
Kleidung ist kein Verbrauchsmaterial. Bügeln, falten, pflegen, beim Waschen Sorgfalt walten lassen. Das bedeutet aber auch, dass man sich von Dingen trennen sollte, die nicht mehr danach aussehen – von verwaschenen und eingelaufenen Teilen. Ausser natürlich, es handelt sich um das Rolling-Stones-Shirt aus den 60er-Jahren.

Karin Willimann steht vor einem Haufen ausgemisteter Kleider. Daneben ein Plastiksack der Textilsammlung und eine entrüstete Manuela Grisel. Sie hält das schwarz-bordeaux gestreifte Oberteil eines Seidenpyjamas in die Höhe. «Das ist ein Klassiker. Den kannst du unmöglich wegwerfen.» Die Bluse an den Ärmeln krempeln, ein Knopf vorne oder in die Hose stecken, dazu eine Lederhose, die Doc Martens und das Outfit steht. Willimann ist überzeugt und gibt dem Pyjamateil noch eine Chance.

Bei den meisten Teilen sind sich Karin Willimann und Manuela Grisel einig.

Bei den meisten Teilen sind sich Karin Willimann und Manuela Grisel einig.

(Bild: jav)

# 4: Qualität
Leder wird mit dem Alter lebendiger. Seide bleibt ewig schön.
Die Regel ist: weniger, dafür wertigere Stücke kaufen. Man soll beim Einkauf auf Qualität statt auf Quantität setzen. Besser drei hochwertige und halt etwas teurere Pullover anstatt acht billige.

# 5: Socken
«Socken sind mega wichtig», betont Grisel. Wenn unter einem schönen Anzug verwaschene Socken hervorschauen oder man bei Bekannten zu Hause unvorbereitet die schicken Stiefeletten auszieht und mit ausgeleierten, abgewetzten Socken dasteht. Das geht nicht.

#6: Konsequenz
Nach dem Ausmisten gibt es eine letzte Möglichkeit zum Einspruch. Dann kommen die aussortierten Kleidungsstücke sofort weg. «Sonst wühlt man sich nach wenigen Stunden wieder durch den Haufen und räumt die Hälfte zurück in den Schrank», sagt Grisel.

Zwei Paar weisse Hosen aus Karin Willimans Kleiderschrank müssen weichen. Weiss und dreiviertel. «Die kann man anziehen, wenn man alleine in die Ferien fährt und niemanden kennenlernen will», sagt Grisel und die beiden lachen. Manuela Grisel ist definitiv nicht auf den Mund gefallen, «aber es kommt ganz auf die Person an, wie wir vorgehen». Die Hosen landen im Altkleidersack.

Darf dieses Hemd bleiben? Manuela Grisel steht auf der Kippe.

Darf dieses Hemd bleiben? Manuela Grisel steht auf der Kippe.

(Bild: jav)

#7: Kombinationen
Die Kombination macht’s – alt mit neu, fein mit grob, Auffälliges mit Basics. Reduzieren Sie sich auf wenige Teile, die aber praktisch alle miteinander kombinierbar sind.

Von Regeln und Improvisation

«Nach unserem Termin müssen die Leute selbst laufen», sagt Grisel. Sie lege mit dem Einkauf und der Kleiderschrankberatung die Basis für eigene weitere Einkäufe und Ideen. «Stil ist nicht einfach da. Den kauft man nicht im H&M. Aber man kann ihn lernen.»

Wir sitzen zwischen schön gestapelten Jeans und Säcken der Textilsammlung vor Karin Willimans Kleiderschrank auf dem Boden. Oft seien es Gewohnheiten, die durchbrochen werden müssen. Bei Männern vor allem beim Anzugtragen. «Das machen so viele falsch», so Grisel. «Die falsche Grösse, Ärmellänge, Schulterbreite, die Krawatte.» Hier gibt es klare Regeln. So auch dazu, was je nach Figur besser funktioniert oder welche Farben sich nicht beissen. Doch in vielen modischen Belangen gibt es die nicht. «Da muss ich wie eine gute Coiffeuse funktionieren. Die Person, ihren Charakter und Stil wahrnehmen und dann beim Styling mit ihr mitgehen.» Natürlich habe sie ihre eigene Handschrift, aber sie nehme sich auch gerne zurück und probiere etwas völlig Neues aus.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Cosma Hagen
    Cosma Hagen, 09.02.2023, 16:57 Uhr

    Hallo Zusammen
    Toller Bericht Jana.
    Damals war Manuela noch etwas jung;)
    Aber heute ein totale’s fashion icon!
    Lieber Gruss aus Berlin @ Cooles localblatt👌

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