Zug: «Käfer-Truppe» vor Gericht

Sieben Millionen haben sich in Luft aufgelöst

Am Strafgericht Zug hat am 12. Januar der Käfer-Prozess begonnen. Er wird das Gericht noch bis im März beschäftigen.

(Bild: mbe.)

Am Dienstag hat am Strafgericht Zug der Betrugs-Prozess gegen Hans-Jürgen und Karin Käfer und ihre Mitangeklagten begonnen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind gross. Ein Angeklagter entging knapp einem Bombenanschlag.

Ein grosser Fall von Wirtschaftskriminalität mit internationalen Verknüpfungen wird diese Tage in Zug verhandelt. Wer den angelaufenen öffentlichen Prozess verfolgen will, muss einen Sicherheitscheck der Zuger Polizei beim Eingang des Strafgerichts hinter sich bringen. Das ist aussergewöhnlich. Der Grund dafür war nicht zu erfahren.

Fakt ist aber: Die Wut auf die Beschuldigten ist gross. Denn sie sind angeklagt, rund 300 Privatkläger – ihre Aktionäre – mit wertlosen Aktien aufs Kreuz gelegt zu haben. Deren Geld ist spurlos verschwunden. Der Zuger Staatsanwalt Andreas Sidler geht von 7 Millionen Franken aus. Die Angeklagten bestreiten diese Summe. Für den ersten Prozesstag hatten sich viele Privatkläger angemeldet, erschienen aber doch nicht.

Angeklagt sind Hans-Jürgen Käfer, seine Frau Karin Käfer, Gionni P., Andreas K. und Daniel K. Alles deutsche Staatsbürger, die – bis auf einen – schon längere Zeit in der Schweiz leben. Die Staatsanwaltschaft bezeichnet sie als die «Käfer-Truppe». Hans-Jürgen Käfer ist prominent, war früher viel in den Medien, zuerst «positiv» als Mentaltrainer von Managern und Sportlern, dann zunehmend in negativer Weise (zentral berichtete)..

Die Vorwürfe an vier Beschuldigte lauten auf gewerbsmässigen Betrug, gewerbsmässige und bandenmässige Geldwäscherei. Sie sollen dreieinhalb bis siebeneinhalb Jahre hinter Gitter. Der Geschäftsführer und Verwaltungsrat Daniel K. soll für ungetreue Geschäftsbesorgung und Misswirtschaft 18 Monate ins Gefängnis. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Bereits das zweite Verfahren

Die Arglist wird den Angeklagten nicht einfach nachzuweisen sein. Darin sind sich von zentral+ befragte Fachleute einig. Der Zürcher Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch sagte in einem SRF-Beitrag, Hans-Jürgen Käfer operiere immer knapp unter der «Arglists-Schwelle», die in der Schweiz für eine Verurteilung wegen Betrugs nötig ist. In Deutschland genügt die Täuschung.
Eine Zuger Staatsanwältin hatte sich bereits die Zähne am Fall ausgebissen, sie führte eine erste Untersuchung, stellte das Verfahren aber 2011 ein. Der Tatbestand der Arglist sei nicht erfüllt, hiess es damals. Auslöser war ein Verfahren der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) gegen die Max Entertainment Group AG wegen illegalen Effektenhandels. Das Zuger Obergericht gab später einem Kläger recht und verlangte, den Fall wieder aufzurollen. Der Zuger Staatsanwalt Andreas Sidler von der Abteilung II für Wirtschaftsdelikte leitete die zweite Untersuchung 2014 und vertritt die Anklage nun vor Gericht. Er wird sein Plädoyer am 18. Januar halten. Der Prozess dauert zwölf Tage, die letzte Verhandlung ist für den 16. März terminiert.

Die Akten der Untersuchung füllen rund 140 Ordner, die Plädoyers werden Stunden bis Tage dauern, und der Prozess kostet die Steuerzahler gemäss einem Juristen bis zu 15’000 Franken pro Tag.

Ehepaar Käfer: «keinen Überblick»

Am ersten Prozesstag ging es dem Gericht darum, sich ein Bild von den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten zu machen. Hans-Jürgen Käser sitzt im Bostadel im vorzeitigen Strafvollzug. Der gelernte Maschinenschlosser arbeitet in der Metallwerkstatt. Er schreibe ein Buch über sein Leben, sagte er. Seine Frau sei «abgehauen». Er habe starke Hüftschmerzen und könne nur drei Stunden pro Nacht schlafen. Käfer: «Im Bostadel bezeichnet man einen dann als Simulanten, und man empfahl mir, mehr Sport zu treiben.» Zu seiner finanziellen Situation sagte Käfer, er habe «keinen Überblick» und auch kein Vermögen. Seine Zukunftspläne? Er will nach der Haft wieder Seminare anbieten.

Verkäuferin und Hausfrau

Die 45-jährige Karin Käfer, ehemals für die Buchhaltung der Max Entertainment Group AG zuständig, ist gelernte Verkäuferin. Sie lebt im Kanton Thurgau. «Ich versuche zu überleben», sagte sie. Vom Konkurs der Firma 2007 bis zur ihrer Verhaftung 2014 sei sie Hausfrau und Mutter gewesen, das Paar hat Kinder. Auch sie gab an, keinen Überblick über ihre finanzielle Situation zu haben. Sie werde von Freunden finanziell unterstützt – mit weniger als 2000 Franken monatlich. Zudem gab sie an, als Personal-Trainerin für Bekannte tätig zu sein. Auf Nachfrage räumte sie ein, dies ohne Rechnung zu machen. Zudem hat sie eine Vorstrafe wegen Ladendiebstahls.

Jüngere Aktienverkäufer mitangeklagt

Die drei anderen Angeklagten waren Aktienverkäufer der Max Entertainment (zu den Methoden siehe Kasten unten) und arbeiteten auf Provisionsbasis. Der 40-jährige Deutsche Gionni P. ist gelernter Kaufmann im Gross- und Aussenhandel. Er habe als Kundenberater einer deutschen Bank gearbeitet, bevor er 2004 Hans-Jürgen Käfer an einem Seminar in Fulda kennenlernte. An der Bar habe man sich über Geschäftliches unterhalten. «Er fragte mich, ob ich Interesse hätte, etwas in der Schweiz zu machen. Weil ich relativ gut verdiente in der Bank, konnte er mich damals nicht überzeugen.» Ein Jahr später kam er doch in die Schweiz.

Woher kamen die 1,6 Millionen?

Heute hat P. eine eigene Unternehmensberatungsfirma in Dubai. Er zahle sich rund 12’000 Franken Monatslohn aus. In einer polizeilichen Befragung habe er sein Vermögen mit 1,6 Millionen Franken angegeben, stellte Richter Marc Siegwart fest. 2013 habe er aber noch ein steuerbares Vermögen von Null angegeben. «Wie kam es zu dieser wunderbaren Vermehrung», wollte der Richter wissen. Er habe das Geld legal verdient, erklärte Gionni P.

Junger, dynamischer Verkäufer

Der dritte Angeklagte, Andreas K. (36), hat eine ähnliche Laufbahn wie P. und ist mit diesem befreundet. Auch er arbeitete in einer Bank, betreute Privatkunden. Er lernte Käfer am selben Seminar kennen. Was denn sein Eindruck gewesen sei von Hans-Jürgen Käfer, wollte der Richter wissen. «Eine der erfolgreichsten Persönlichkeiten, die ich je kennengelernt habe, ein Businesstyp, der Ideen gut rüberbringen kann». Auch Andreas K. kam in die Schweiz zu Max Entertainment, verkaufte Aktien. Heute sei er als freier Berater tätig und habe ein Nettoeinkommen von 10’000 Franken zu erzielen. Was für Unternehmen er denn berate, fragte der Richter. «Eine Reinigungsfirma zum Beispiel.» «Damit können Sie aber nicht auf dieses Einkommen kommen.» Daraufhin erklärte K., der sich als nicht schuldig bezeichnet, von der Mutter unterstützt zu werden.

In Marabella trafen sich alle wieder

Der vierte Anklagte, Daniel K. (43), war der Geschäftsführer der Max Entertainment. Der Deutsche reiste 1989 mit seiner Familie in die DDR, machte das Abitur in Köln, hat einen Abschluss als Bürokaufmann. 2005 kam er in die Schweiz, arbeitete in einer Firma in Hünenberg, lernte Käfer kennen. Der engagierte ihn bei der Max Entertainment. In der Zeit von 2007 bis 2014 habe er in Marabella in Spanien als Kaufmann gearbeitet, sagt Daniel K. «Käfer und seine Truppe waren auch da», fügt er hinzu. Heute sei er als Webdesigner tätig, verdiene rund 2500 Franken brutto für 50 Prozent. «Mit meiner Freundin komme ich auf 7000 Franken.» Er habe kein Vermögen und Schulden von rund 22’000 Franken. Bei einer seiner Tätigkeiten sei er knapp einem Bombenattentat im Haus entgangen, erkärte Daniel K.

Befragung zur Sache begonnen

Am Dienstag wurden die Angeklagten auch vom Gericht zu den Delikten befragt. Richter Marc Siegwart machte Hans-Jürgen Käfer darauf aufmerksam, dass er bei vielen Befragungen gesagt habe, sich nicht mehr zu erinnern. «Vielleicht habe ich es zu wenig ernst genommen», räumte Käfer ein. An Details könne er sich wirklich nicht erinnern, er sei mehr «für das Systemische» zuständig gewesen. Später hellte sich seine Erinnerung an Details plötzlich doch auf.

Karin Käfer konnte sich weder an die Befragung durch die FINMA noch an den Eingang von mehreren 100’000 Franken auf ihr Privatkonto erinnern. «Haben Sie wirklich das Gefühl, dass wir das glauben», fragte sie Richter Siegwart. Die drei jüngeren Angeklagten wehren sich gegen den Vorwurf, einen vorsätzlichen Betrug mit den Käfers geplant zu haben, wie es die Staatanwaltschaft beweisen will. Die Max Entertainment sei einfach operativ nicht erfolgreich gewesen. Doch an die Idee hätten alle geglaubt. «Der Käufer hat eine Perspektive und eine Zukunftsvision gekauft.»

«Absurde Vorwürfe»

Hans-Jürgen Käfer bezeichnete die Vorwürfe der Zuger Staatanwaltschaft als «absolut absurd». «Wir haben sicher nicht Tausende von Leuten verarschen wollen.» Er schiebt die Schuld der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht, Finma, zu.

Der Prozess geht diese Tage weiter und ist öffentlich. Die  Verhandlungstermine sind im Internet publiziert.

 

Die Methoden der «Käfer-Truppe»

Hans-Jürgen Käfer ist vor Gericht wegen seiner Geschäftstätigkeit mit verschiedenen in Zug ansässigen Firmen. Der Hauptangeklagte war laut Anklageschrift seit 2005 Alleinaktionär und Verwaltungsrat der «You AG», die er mit seiner Ehefrau betrieb. Vorgeworfen wird ihm, mit dieser Firma illegalen Effektenhandel betrieben zu haben. Telefonverkäufer verkauften Aktien von Schweizer Gesellschaften.

Darunter auch solche der «NicStic AG» aus Hünenberg, welche damals die angeblich nikotinfreie Zigarette vermarktete – ein Riesenbluff, an dem weitere deutsche Hintermänner mitverdienten. So wurden rund 30 Millionen Aktien zum Nennwert von 10 Euro verkauft. Was die Aktionäre dieser und weiterer Firmen nicht wussten: die Aktien der Start-ups waren faktisch wertlos. «Die Gesellschaften, respektive der Handel mit den Aktien dienten primär als Spekulations- und Bereicherungsobjekte der genannten Hintermänner, welche grosse Aktienpakete besassen und die Telefonverkäufer kontrollierten.» Die Aktienpreise waren Fantasiepreise.

Kampfsport «Ultimate Fighting» aus den USA

2006 beschlossen Hans-Jürgen und Karin Käfer, dieses Telefonmarketing-System für ein eigenes Projekt einzusetzen. Die Max Entertainment AG wurde 2006 gegründet. Der bis zu seinem 15. Lebensjahr in den USA aufgewachsene Käfer traf in dieser Zeit den Luzerner Kampfsportler Rafel Perlungher, der damals in den USA lebte und die Kampfsportart «Ultimate Fighting» in Europa bekannt machen wollte. Es ging um Wettkämpfe und TV-Shows. Vom Firmensitz in Baar aus wurden Aktionäre für das Unternehmen geködert. Dabei wurden die Telefonverkäufer psychologisch geschult in Beeinflussung und Manipulation. Käfer habe die Angestellten mit Mentaltraining und Hochdruckmarketing ausgebildet. Diese arbeiteten auf Provisionsbasis.

Manipulation und Lügen

«Sie hielten die Telefonverkäufer an, während ihrer Arbeit gegenüber potenziellen Investoren zu lügen, sie zu manipulieren und ihnen Lockvogelangebote zu offerieren, um so viele Aktien wie möglich zu verkaufen», heisst es in der 176-seitigen dicken Anklageschrift. Die Anklage spricht von einem «sektenartigen Loyalitätsverhältnis zu Hans-Jürgen Käfer».

Der Firmenwert der Max Entertainment Group AG wurde mit mehreren hundert Millionen Franken angegeben. Doch das Ganze war eine gewaltige Blase, hinter der gar nichts steckte. Hans-Jürgen und Karin Käfer waren beide hoch verschuldet und betrachteten laut Staatanwaltschaft die Firma als ihr Privateigentum, in der sie schalten und walten konnten, wie sie wollten. Das Ehepaar hatte auch nie eigenes Geld in die Firma gesteckt, nur die Aktionäre bezahlten immer brav.

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