Luzerner Theater hinter den Kulissen

«Sie wollen wirklich alles sehen?»

Kreative Techniker hat das Haus. (Bild: jav)

zentral+ war im Luzerner Theater – und zwar überall dort, wo sonst kein Besucher hinkommt. Ganz oben, wo sich Köpfe stapeln und ganz unten, wo Musiker unter 1,80 Meter ihre Garderobe haben. Und auch im niedrigsten Raum, einem Paradies für Frauen. Peter Klemm, Technischer Direktor und seit 33 Jahren am Haus, hat dabei Geheimnisse offengelegt – und auch, was er sich für das Haus wünscht.

Ganz oben unter dem Rohverputz des Daches stapeln sich die Perücken und Styroporköpfe, Material für die Maske. Die Treppen sind steil, zwischen den reingehängten Zwischenböden. «Das Besondere an diesem Haus ist, dass wirklich jede noch so kleine Ecke ausgenutzt wird», sagt Peter Klemm, Technischer Direktor des Luzerner Theaters. Und das sieht man. (in der Slideshow)

«Das ist unsere Salle Modulable», lacht Klemm im Foyer. Zuschauer kennen den Raum, in welchem man sich beim Theaterbesuch ein Glas Wein gönnt. Doch für die Mitarbeiter des Theaters ist das Foyer Kantine, Garderobe für schnelles Umziehen während den Vorstellungen, Warm-Up-Raum, Besprechungszimmer.

«Wir stehen an einer Grenze.»
Peter Klemm, Technischer Direktor des Luzerner Theaters

Was denn sein Wunsch für das Theater sei? «Ein neues Gebäude», kommt es wie aus der Pistole geschossen. Das sei für Luzern ein wichtiger Schritt. Man könne das jetzige Haus als «marode» bezeichnen oder «am Ende seiner Zeit», sagt Klemm. «Es ist nicht so, dass das Haus gleich in sich zusammenfällt, es ist grundsätzlich sicher, aber es lässt keine Entwicklungen mehr zu.» Es sei ein sehr intensiv bespieltes Haus mit den drei Sparten: Musiktheater, Schauspiel und Tanz. Daher müssten die technischen Möglichkeiten an heutige Standards und Bedürfnisse angepasst werden. «Wir stehen an einer Grenze. Vieles was in den letzten Jahren passiert ist, sind Kompromisse. Wir haben bereits alles herausgeholt, was möglich ist.»

Der Widerspruch

Nur ein Zehntel der Räume sieht der Zuschauer, wenn er im Luzerner Theater zu Besuch ist. «So soll es sein. Die Arbeit, die dahinter steckt, soll unsichtbar bleiben. Wir müssen die Magie für den Zuschauer erhalten. Doch hier kommt der Widerspruch: Denn gleichzeitig müssen wir dem Stimmbürger alles offenlegen, damit er weiss, wie es um das Theater steht und sich eine Meinung bilden kann.»

Jubiläum

Das Luzerner Theater ist bereits 175 Jahre alt. 1839 erbaut, ist es das älteste noch bespielte Berufstheater der Schweiz. Wer das Haus ebenfalls besichtigen möchte, kann «Das Fest» am 6. September nutzen, um sich im Theater, dem UG und den Werkstätten im Südpol umzusehen.

Klemm ist seit 33 Jahren am Luzerner Theater angestellt. Als Technischer Direktor ist er jedoch nicht nur für die Bühnentechnik zuständig. Licht, Ton, Bühne, Kostüme, Maske, Gebäude-Unterhalt und die allgemeine Sicherheit gehören in seinen Aufgabenbereich.

Angefangen hat der gelernte Radio-Elektriker im Luzerner Theater als Bühnentechniker. «Ich habe jedoch auch meine künstlerische Seite in Tanz und Schauspiel versuchsweise ausgelebt und auch als Regieassistenz gearbeitet. Zum Glück habe ich die Schauspielschule nicht geschafft, muss ich heute dazu sagen. Denn das Wirken im Hintergrund entspricht mir mehr.» Aber all diese Erfahrungen seien für seine jetzige Arbeit äusserst hilfreich. «Wenn man selbst weiss, wie es ist auf der Bühne zu stehen oder kreative Ideen umsetzen zu wollen, ist die Zusammenarbeit einfacher. Und in meinem Job geht es darum, Kreatives mit technischen Möglichkeiten und physikalischen Gesetzmässigkeiten in Einklang zu bringen.»

Nur kriechend «begehbar»

«Sie wollen wirklich alles sehen, oder?», fragt Klemm zur Sicherheit nach. Es geht in die Maschinenräume, die Techniker-Garderobe und unter den Bühnenboden. Und auf allen Vieren in den Schuhfundus der Damenschneiderei. Neben den Schneidereien im 4. Stock befindet sich die hauseigene Wäscherei. Eine strahlende Frau springt Peter Klemm hier entgegen. «Ich habe eine neue Waschmaschine bekommen. Heute. Acht Kilo gehen rein und sie geht selbstständig aus, wenn die Wäsche fertig ist. Und wenn Wasser rausläuft, dann stoppt sie automatisch.»

Klemm erklärt die Begeisterung: «Wir hatten den Fall, dass eine Maschine auslief und dem Publikum im Saal das Wasser auf die Köpfe tropfte.» Ideale Bedingungen seien etwas anderes. Auch das ein Teil der Musiker direkt unter dem Orchestergraben die Garderoben hat, sei ein Kompromiss. Mit knapp 1,80 Meter Höhe. Klemm nimmts mit Humor: «Das hier ist die Garderobe für die Kleineren und die Beweglichen.»

Mängel an Architektur und Platz

Auf dem Schnürboden über der Bühne und im Lichttechniker-Kasten hängen diverse Klettermaterialien. Magnesium-Säckchen, Seile und Klettergurte für die Techniker. Während der Sommerpause wurde alles technische Material gewartet. Hier wird auch klar, welche Mängel das Theater hat. «Das Haus ist grundsätzlich falsch konzipiert. An der Stelle, wo das Dach höher sein müsste, damit man die Kulissen hochziehen kann, dort ist es tiefer», erklärt Klemm.

Doch nicht nur an der Architektur und dem Platz mangelt es. Auch die Sparmassnahmen wirken sich einschneidend auf die künstlerischen Möglichkeiten aus. Man müsse sich beispielsweise zweimal überlegen, ob man sich Livemusik für ein Stück noch leisten kann. «Die Ensembles mussten verkleinert werden. Bei uns in der Technik gibt es weniger Investitionen und Erneuerungen», so Klemm.

«Das Haus ist grundsätzlich falsch konzipiert.»
Peter Klemm, Technischer Direktor des Luzerner Theaters

Gerade steht das Bühnenbild für die Orchesterprobe von der Oper «Die Antilope». Hinter den Kulissen sieht es aus wie im Rohbau, riesige Masken liegen auf dem Boden, alles ist genaustens beschriftet. Da kommt Werner Hutterli um die Ecke. Der Bühnenbildner sucht gerade nach einem Stuhl.

Bühnenbildner und Technischer Direktor ziehen sich gegenseitig auf – es wirkt wie ein freundschaftliches Ritual – und Klemm kommentiert: «Das Beste an meinem Job ist es, die Ideen von Künstlern, mit einem motivierten und professionellen Team, realisieren zu können, die am Anfang vielleicht unmöglich scheinen. Wenn dann alles zusammenspielt und alles zusammenpasst. Das macht es aus.»

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