Landliebe & Rock'n'Roll auf dem Raten

Sexverbot im schönsten Autokino der Schweiz

Diese Petticoat-Trägerinnen sind sichtlich zufrieden. Auch auf dem Elektro-Roller.

(Bild: mg)

Es gibt wohl wenig, das amerikanischer wäre als ein Autokino, und es gibt wenig Schweizerischeres als die Alpen. Beides zusammen wird im Alpen-Autokino dieses Wochenende auf dem Raten vereint. Was sich in der sogenannten «Love Line» hinter verdunkelten Scheiben sonst noch alles vereint – oder eben nicht.

Seit 2006 findet das Alpen Autokino Raten auf dem Raten jedes zweite Jahr statt. Am Donnerstag startete der Event, der noch bis am Sonntag Film- und US-Autofans gleichermassen beglücken will. Bereits der Ursprung dieser symbiotischen Liaison zwischen den Kulturen begann mit einer amerikanisch-schweizerischen Liebesgeschichte im Ort selbst. Hier lernte der Gründer und Gastwirt des Restaurants Raten, Iwan Iten, seine Frau kennen. In einer Rock’n’Roll Tanzschule. Vor 10 Jahren übernahmen sie die Bewirtschaftung des Lokals und rollten ihren Traum auf dem roten Teppich aus: das Autokino war geboren.

<p>Ein MG «Midget» passiert den roten Teppich.</p>

(Bild: slam)

Seit 10 Jahren werden hier die Autos durch die «Zielgerade», so ist man versucht zu sagen, aufs Festival-Gelände vor der Grossleinwand gelotst. Standegesmäss für Oldtimer auf einem ausgelegten roten Teppich. Bei jedem Oldtimer, der hineinfährt funkeln Iwan Itens Augen: Er sei Amerika-Fan, stehe auf Rock’n’Roll und liebe Elvis. Er selbst fährt eher elektrisch: «Das ist heutzutage schlauer.» Trotzdem, auch sein ganzer Stolz, ein schneeweisser Morris Minor aus den 60ern, steht im Innern des Festzeltes. Gleich neben den «Stromrollern», die es zum Ausprobieren gibt. Natürlich aber im Retro-Design der 50er Jahre.

Viel Landliebe

Das Autokino findet momentan alle zwei Jahre statt. Rund 30 Helfer machen mit. «Angefangen hatte es auf unserem Balkon und dann als kleine Privatparty bei meiner Schwägerin auf dem Bauernhof. Statt Autos hatten wir da noch Klappstühle. Plötzlich kam dann jemand, der sein Auto hinter der Leinwand parkiert hatte auf die Idee von dort den Film anzuschauen, halt einfach spiegelverkehrt.» Klappstühle kamen aufs Dach alter Schilter Geländewagen aus benachbarten Höfen. Alte Postautos hupten am Schluss der Filme vor der Rückfahrt ins Tal. Heute ziert noch immer ein grasgrüner Traktor den Eingang des Kinos.

Nicht nur wegen der Fahrzeuge und der ländlichen Atmosphäre kommen zwischen hundert und zweihundert Besucher täglich ins Kino. Einige Besucher würden diese Schweizer-amerikanische Liebesgeschichte am liebsten jedes Jahr feiern: «Ich habe meine drei Freundinnen überredet mitzukommen und habe ihnen Beispielvideos auf Youtube geschickt, wie man sich für so einen Anlass richtig auftakelt», sagt die frisch gewählte Gewinnerin des Petticoat Contests vom Donnerstag. «Wir werden nächstes Mal wohl wiederkommen. Und wenn unsere Männer die Fotos vom Contest sehen, wollen sie dann sicher auch mit», freut sich ihre Kollegin mit dem weissgetupften Kleid und der Ponyfrisur kokett.

Verdunkelte Scheiben und wackelnde Oldtimer

Organisator Iten begrüsst seine Gäste gern persönlich, dies nicht ganz uneigennützig: Als ein Gast vor seinem Restaurant einen besonders gut erhaltenen schwarzen 60er Buick parkieren, aber nicht ins Autokino will, ruft der Wirt etwas empört, aber scherzend: «Er darf nach dem Essen nach Hause, aber den Oldtimer muss er hier stehen lassen.» Der Oldtimer und sein stolzerfüllter Lenker werden sogleich von zwei freiwilligen Helfern an den bestgelegenen Parkplatz neben der Strasse eskortiert. Man weiss hier schöne Kurven und Karosserien offenbar zu schätzen. «Sonst sieht man ihn ja nicht», fährt der Gastgeber mit immer noch funkelnden Augen fort. Hier auf dem Raten fährt man(n) eben nicht nur seine Freundin oder Frau ins Kino. Der rote Teppich wird besonders für die wertvollen «alten Ladys» auf 4 Rädern ausgerollt.

Nichtsdestotrotz «freuen sich die richtigen Ladys aus Fleisch und Blut dann aber doch, wenn ihnen ihre Männer die schweren Türen der Oldtimer öffnen», so Iten. Mann und Frau kommt sich hier wie in den meisten Kinos gerne näher. In den Autos noch etwas näher als sonst, auch auf den Rücksitzen. Toleriert wird das aber nur bedingt: «Es hat auch schon ruckelnde Autos gegeben. Bei Oldtimern zog man jeweils die Vorhänge zu, andere haben verdunkelte Scheiben. Bei klaren Scheiben ist es nicht erlaubt.»

«In den 50er Jahren, als es noch keine Fernseher für zuhause gab, nahmen viele amerikanische Familien auch ihre Kinder mit und liessen sie auf den Rücksitzen schlafen», erinnert sich Iten. Auch hier auf dem Raten haben sich Familien mit Minivans eingefunden, mit sicherem Abstand von der hintersten «Love-Line». Schliesslich seien auch die Filme hier ja bewusst jugendfrei, so der Organisator.

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