Wie haben Sie’s eigentlich mit dem Beichten?

«Selbst Papst Franziskus geht zur Beichte»

Pater Ben spricht mit zentral+ übers Beichten. Und darüber, dass ohne Reue gar nichts geht.

Neues Jahr, neues Glück. Damit wir wieder bei null starten können, müssen wir uns erst von allem reinwaschen, was uns 2015 geplagt hat. Eine Beichte wäre dafür gut. Nur, wie ist das heute eigentlich mit dem Beichten? Werden die Kabäuschen in den Kirchen überhaupt noch genutzt? Wir haben beim Priester angeklopft.

Pater Ben empfängt zentral+ im Pfarrhaus St. Michael in Zug. Ein Zufluchtsort vor den grossen, nassen Flocken, die vom grauen Himmel fallen und die sich auf der gepflasterten Strasse innert Sekunden in Matsch verwandeln.

Wir sind hier, weil wir nicht recht glauben können, dass heute, 2016, noch irgendjemand beichten geht. Und werden von Pater Ben, der die Pfarrei St. Michael ad interim bis im kommenden Sommer leitet, eines Besseren belehrt. Ben zündet eine Kerze an, «Licht ist immer gut», lacht, und setzt sich.

zentral+: Wer kommt zu Ihnen, um zu beichten?

Ben: Letztlich geht es bei den Beichtenden immer um eine Störung, die aufgetaucht ist und die man gerne beheben möchte. Als Massstab gilt bei uns in der katholischen Kirche das Evangelium. Man versucht dort Übereinstimmung zu schaffen. Hat man etwas gemacht, das nicht in Einklang mit dem Evangelium steht, sucht man in der Beichte Versöhnung und Frieden. Somit sind es bloss Katholiken, die beichten kommen. Denn das Sakrament kann nur empfangen, wer auch daran glaubt. Mit Nichtkatholiken, die uns auch besuchen, führen wir eher ein seelsorgerisches Gespräch.

zentral+: Ich kann mir vorstellen, dass es eher die älteren Semester sind, die zur Beichte gehen. Liege ich falsch?

Ben: Das ist in Zug sehr speziell. Die Leute sind sehr durchmischt. Da kommen ältere, aber auch Menschen in Ihrem Alter und jünger. Das Bedürfnis, zu beichten, ist immer noch da. Heutzutage weiss ich auch, dass alle, die beichten, zu mir kommen, weil sie es wirklich möchten. Kinder geniessen heute eine so grosse Freiheit, dass sie nicht mehr von ihrer Mutter dazu gezwungen werden können. Früher war das üblich und das ist völlig falsch. Ein Mensch muss Reue empfinden, um beichten zu können. Sonst bringt das Ganze gar nichts.

«Das Beichten darf keine Pflicht sein.»

zentral+: Stimmt. Wir mussten während der Primarschule, wohl als Vorbereitung auf die Erstkommunion, zur Beichte gehen. Das empfanden wir alle als sehr seltsam.

Ben: Das ist heute anders. Das Beichten darf keine Pflicht sein. Wenn sie das wäre, könnte man ja gar keine Reue empfinden. Und diese ist elementar dabei.

Ich darf nicht über fremde Beispiele reden, nur über meine eigenen. Und ich bin als Kind häufig beichten gegangen, einfach, weil ich unserem Pfarrer eine Freude machen wollte. So habe ich immer wieder Sachen erfunden, über die ich dann reden konnte. Das ist eigentlich nicht die Idee der Sache. (Er lacht.)

zentral+: Glauben Sie, das Beichten hat immer noch gleich viel Gewicht wie vor 50 Jahren?

Ben: Diese Frage lässt sich so nicht beantworten. Es ist klar, es gibt immer mehr Kirchenaustritte. Daher ist es auch klar, dass weniger Menschen zur Beichte gehen. Doch die Beichte kann man gar nicht als isoliertes Phänomen betrachten. Wie die Taufe, die Erstkommunion oder auch die kirchliche Heirat ist sie ein Sakrament. Es sind sichtbare Zeichen, mittels deren die Menschen auf besondere Weise die Gnade Gottes erfahren und geniessen können; Zeichen, um mit Gott in Verbindung bleiben zu können. Mit Ausnahme der Taufe, zu welcher sich alleine die Eltern entschieden, tut man sie alle aus einer Sehnsucht heraus, aus einem guten Willen und aus einem persönlichen Entscheid heraus. Und all diese Riten sind noch immer von grosser Bedeutung.

zentral+: Und wie würde ich vorgehen, wenn ich gerne bei Ihnen einen Beichttermin hätte?

Ben: Hier in der Pfarrei St. Michael gibt es einerseits die Möglichkeit, sich telefonisch bei uns zu melden für einen Beicht- oder Seelsorgetermin. Oder aber Sie kommen unangemeldet. Am Samstag zwischen 15 Uhr und 16.30 Uhr ist jeweils ein Pfarrer in der Kirche St. Oswald. Entweder ich oder Pater Raphael aus Luzern. Immer. Auch, wenn niemand kommen sollte.

zentral+: Und wie häufig kommt es vor, dass während dieser eineinhalb Stunden gar niemand aufkreuzt?

Ben: So gut wie nie. Es kommt immer jemand. Meistens sind es mehrere Menschen.

zentral+: Und reicht diese Zeit?

Ben: Es wird nie reichen. Früher war das einfacher. Da hatte jedes Dorf seinen eigenen Priester, der war stets da und immer erreichbar. Heute ist das natürlich anders. Aber deswegen können uns die Leute auch ausserhalb dieser offiziellen Beichtzeiten erreichen und Termine abmachen.

«Früher kniete der Beichtende, befand sich also in einer Haltung der Demut. Doch nur wer bequem sitzt, kann frei erzählen.»

zentral+: Was hat sich sonst in Sachen Beichte verändert in den letzten Jahrzehnten?

Ben: Die Themen, welche die Menschen beschäftigen, sind immer dieselben. Seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden schon. Da geht es immer um zwischenmenschliche Beziehungen und um die Beziehung zu Gott, also die Gottes- und die Nächstenliebe.

Was sich jedoch leicht verändert hat, ist die Form. Früher benutzte man den Beichtstuhl, das Ganze fand im Verborgenen statt und der Beichtende kniete, befand sich also in einer Haltung der Demut. Das ist unbequem. Ich bin dafür, dass man es bequem hat. Nur wer bequem sitzt, kann frei erzählen.

Einige Menschen schätzen die Anonymität des Beichtstuhls, dieses kleinen Raums. Doch vielmehr als Anonymität braucht es doch Vertrauen. Erst wenn ich vertraue, will ich erzählen. Ich schätze es, wenn wir eine Beichte im selben Rahmen abhalten wie wir jetzt dieses Gespräch, also hier im Pfarrhaus. Mit dem Unterschied, dass ich dann die Stola trage und die Absolution erteile. Durch diese Gespräche und dieses Vertrauen habe ich mittlerweile viele Freundschaften gewonnen.

Früher war es Usus, dass der Beichtende kniete. Heute ist die Sache etwas entspannter.

Früher war es Usus, dass der Beichtende kniete. Heute ist die Sache etwas entspannter.

 

zentral+: Ähnlich einem Arzt behalten Sie die Informationen, die Sie erhalten, für sich. Was, wenn Ihnen jemand einen Mord gesteht. Gibt es da Grenzen?

Ben: Ich unterstehe in jedem Fall dem Beichtgeheimnis. Das ist eine grosse, schwierige Aufgabe. Doch ich bin überzeugt: Wenn jemand ein guter Christ ist, ist das Evangelium sein Massstab. Klar gibt es Verfehlungen, sogar grosse, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Christ die Welt zerstören will. Nehmen wir das Beispiel des Mörders. Wenn er zur Beichte kommt, zeigt er bereits Reue für seine Tat. Die Beichte ist kein Gericht. Ich verurteile nicht, sondern höre zu und lasse den Beichtenden von der Barmherzigkeit Gottes berühren. Ich zeige Verständnis und erteile die Absolution. Es ist nicht gut, wenn Menschen ihre Taten ihr Leben lang mit sich mitschleppen. Gott ist barmherzig.

zentral+: Ist es nicht etwas gar einfach zu sagen, gut, ich habe Mist gebaut, nun geh ich beichten, und dann bin ich von meinen Sünden reingewaschen?

Ben: Nein, überhaupt nicht. Was es unbedingt braucht beim Beichten, ist, wie bereits erwähnt, einerseits die Reue und andererseits der Wille, dass man sich bessern will. Es kommt oft vor, dass Leute weinen, wenn sie beichten. Da sind häufig sehr viele Emotionen. Manchmal unterbrechen sie die Beichte, weil sie noch nicht bereit sind, über Dinge zu reden. Es braucht viel Mut, jemandem Angesicht zu Angesicht von seinen Ungereimtheiten zu erzählen.

zentral+: Wie halten Sie es selber mit dem Beichten?

Ben: Ich wohne nicht im Pfarrhaus, sondern in einem Missionshaus, also einer Gemeinschaft. Es ist Usus, dass wir abends jeweils auf den Tag zurückblicken, um zu sehen, was wir gut und was wir falsch gemacht haben. Das weniger Gute legen wir in Gottes Hände. Ausserdem habe ich selber jemanden, der mir die Beichte abnimmt.

«Nur ein Vollkommener braucht keinen Gott.»

zentral+: Ist es als Geistlicher überhaupt nötig, zu beichten, wenn Sie doch jeden Abend intensiv Ihren Tag reflektieren?

Ben: Selbstverständlich. Ich bin zwar jemand, der sich sehr selten ärgert. Aber ich lebe beispielsweise in einer anderen Kultur als meiner ursprünglichen. Da kann es sein, dass ich aus Versehen jemanden mit meinen Worten verletze. Ich habe noch nicht genug der Gnade Gottes. Und nur ein Vollkommener braucht keinen Gott. Jemand, der keine Sehnsüchte hat. Aber auch die grossen Heiligen gingen beichten. Und selbst Papst Franziskus geht zur Beichte. Auch er hat dafür seinen geistlichen Begleiter, den er regelmässig trifft.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Pater Lingen
    Pater Lingen, 10.01.2016, 20:57 Uhr

    Ben Kintchimon: «Das Beichten darf keine Pflicht sein.»
    Katholische Kirche: «Nach Erlangung des Vernunftgebrauches sind die Gläubigen beiderlei Geschlechts verpflichtet, jedes Jahre wenigstens einmal alle ihre Sünden aufrichtig zu beichten» (Gesetzbuch der katholischen Kirche (CIC), Kanon 906, zit. nach H. Jone).

    Ben Kintchimon: «Die Beichte ist kein Gericht.»
    Katholische Kirche: «Wer sagt, die sakramentale Lossprechung des Priesters sei kein richterlicher Akt, … der sei ausgeschlossen» (Konzil von Trient, zit. nach Neuner-Roos 580).

    Ergo: Ben Kintchimon ist kein Katholik. Wahrscheinlich wurde er auch nur nach dem «Novus Ordo» «geweiht», d.h. er besitzt auch keine sakramentale Priesterweihe. Insofern kann er auch gar nicht gültig lossprechen.

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