Heiri Michel baut weiter an der Lindenstrasse

Sein neuster Coup: Eine ganzjährige Outdoor-Küche

Setzt auf Scouting wie im Fussball: Gastro-Unternehmer Heiri Michel.

(Bild: jwy)

Die Lindenstrasse zwischen Luzern und Reussbühl wird wieder zum Streetfood-Mekka. Der Kopf hinter der Belebung dieser Strasse ist Heiri Michel. Er will den Ortsteil auch abseits des Festivals zu einer Ausgehmeile machen – und hat dazu noch viele Ideen.

Heiri Michel steht mitten auf «seiner» Lindenstrasse. Er packt mit an, gibt Ratschläge, weiss Rat. Einige Stunden, bevor der Street-Food-Market «Streat» wieder losgeht und tausende Leute einfallen (siehe Box). Die Lindenstrasse ist eine seltsame Gegend: eingeklemmt zwischen Bahn, Strasse und Hang – etwas verloren in der Peripherie zwischen den In-Quartieren Basel-/Bernstrasse und Luzern Nord.

2008 wurde die Lindenstrasse durch das TV schlagartig fast so bekannt wie die gleichnamige deutsche TV-Serie. Das SRF strahlte einen eindrücklichen Dok-Film von Ruedi Leuthold und Beat Bieri über die Strasse aus.

Seither hat sich viel getan: Investor Ueli Breitschmid hat die halbe Strasse aufgekauft, Häuser renoviert und neu belebt – ihm schwebt eine «Neustadt en miniature» vor. Inzwischen gehören ihm 60 Prozent der Fläche und 17 Liegenschaften (zentralplus berichtete).

Heiri Michel, Mitbegründer von Sinnvoll Gastro, ist der eigentliche Macher hinter dem Geldgeber. Er betreibt hier das Gartenhaus 1313, das Gleis 13 und die Sommerbar Container 13. Aber auch Richtung Mega-Entwicklungsgebiet Luzern Nord hat Michel seine Fühler ausgestreckt. Gleich bei der Shedhalle in Reussbühl ist eine neue Beiz geplant (zentralplus berichtete).

Wir wollten vom kreativen Kopf wissen: Ist die Lindenstrasse zum Hotspot und zur Ausgehmeile geworden, wie ihm das vorschwebt? Und was sind die neusten Pläne? Heiri Michel treibt noch schnell eine Zigi auf und wir setzen uns auf die Terrasse des Gartenhaus 1313.

zentralplus: Wir erwischen sie mitten in den Vorbereitungen. Haben Sie alles im Griff?

Heiri Michel: Ja, wir haben das völlig im Griff. Ich habe noch ein kleines Baugeschäft, wir machen die meisten Arbeiten selber. Wir haben halt nicht viel Zeit und müssen schnell aufbauen und wieder abräumen. Entsprechend braucht es mehr Leute. Parallel erledigen wir noch Arbeiten am Container 13, der am Freitag wieder eröffnet. (Das Handy klingelt, Michels Rat ist gefragt.)

«Es gibt nichts Besseres als eine Outdoor-Küche mitten in der Stadt.»

zentralplus: Hat sich die Sommerbar Container 13 etabliert?

Michel: Es gibt ein neues Konzept: Wir machen da eine Outdoor-Küche, die wir nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr betreiben – im Winter mit Fondue und solchen Sachen. Wir kochen Menüs und die Leute sollen dabei zuschauen können. Dafür stellen wir einen Container mehr auf und bauen eine permanente Überdachung. Ich finde: Es gibt nichts Besseres als eine Outdoor-Küche mitten in der Stadt. Das hat fast niemand, und hier ist es möglich.

Das Restaurant Gartenhaus in der Lindenstrasse.

Das Restaurant Gartenhaus in der Lindenstrasse.

(Bild: jwy)

zentralplus: Gibt es weitere Veränderungen?

Michel: Hier auf der Terrasse des Gartenhauses haben wir eben die Bewilligung erhalten, ein Treibhaus aufzustellen. Ich finde: Gartenhaus gleich Treibhaus. Auch da war die Stadt kulant, sie haben uns dafür eine Sondergenehmigung gegeben.

zentralplus: Was planen Sie da? Gemüse?

Michel: Wir können natürlich nicht alles da produzieren, aber die Leute sollen einen Eindruck bekommen. Sie können es anschauen und etwas über Kräuter erfahren. Vielleicht gibt’s sogar ein Aquarium, wobei das etwas grenzwertig wäre. Solche Sachen sind wichtig, aber es sind Investitionen. Im Moment gibst du nur Geld aus. Der Return kommt dann irgendeinmal.

Festival «Streat»

Der Street-Food-Market «Streat» findet in der Lindenstrasse zum vierten Mal statt: Freitag 9. Juni, 17 bis 23 Uhr, Samstag 10. Juni, 12 bis 23 Uhr (hier mehr dazu). Neben rund 30 Foodständen gibt es Degustationen, Musik und Diskussionen. Die Veranstalter empfehlen zu Fuss oder mit dem Velo anzureisen, Parkplätze sind Mangelware.

zentralplus: Wird am «Streat» etwas anders als in den vorigen Jahren?

Michel: Wir probieren noch regionaler zu werden. Wir wollen noch mehr Leute von Luzern dazu bringen, hierher zu kommen. Es ist doch schön, wenn man die Leute kennt und zum Beispiel am Markt wieder trifft. Das ist etwas anders, als einfach Burger anzukarren. Für uns ist das «Streat» eine gute Marketingmaschine, aber fürs Geld musst du das nicht machen. Am Anfang hat uns das richtig Geld gekostet. Jetzt kommen wir mit einem blauen Auge davon. Aber viele Leute, die das erste Mal hier sind, kommen wieder in die Lindenstrasse.

zentralplus: Am Freitag und Samstag werden wohl wieder tausende Leute hier aufkreuzen. Wie sieht es sonst mit der Belebung aus, läuft es wunschgemäss?

Michel: Vor einem Jahr sagte ein Polizist des Postens Reussbühl: «Seit ihr hier permanent am Schaffen seid, haben wir viel weniger Einsätze.» Man spürt die Belebung durch die Leute, die wir hierher bringen, also. Es hat zwar immer noch Platz für alle, aber man kann halt nicht mehr einfach auf der Strasse dealen, weil es Kunden hat, die das nicht so toll finden. Die Entwicklung der Lindenstrasse ist eine lange Geschichte. Wir probieren eins ums andere attraktiver zu machen und schauen, dass es eine gute Durchmischung gibt.

zentralplus: Sie wollen die Lindenstrasse aufmischen und zu einer Ausgehmeile machen. Sind sie zufrieden?

Michel: Ja, wir sind sehr zufrieden. Wir haben zwei, drei Fehler gemacht. Etwa müssen wir die Bar Gleis 13 breiter aufstellen. Was ich schade finde: In den offiziellen Führern und Kalendern ist das «Streat» mit keinem Wort erwähnt, obwohl es jetzt zum vierten Mal stattfindet. Schade ist auch, dass es hier keinen Mobility-Standort gibt – und auch keinen Fahrradverleih. Viele Leute fragen danach, diese Velos würden hier benutzt werden.

zentralplus: Woran liegt’s denn?

Michel: Für viele hört die Stadt am Kreuzstutz auf. Aber mit dem neuen Stadtteil, der am Seetalplatz entsteht, wird das hier immer wichtiger. Heute haben wir etwa eine schlechte Anbindung an den Veloweg an der Reuss entlang. Aber wir haben mit dem Tiefbauamt schon viel erreicht, etwa Veloparkplätze auf beiden Seiten der Lindenstrasse. Und die Stadtgärtnerei hat Blumen gepflanzt, jetzt müsste man noch mit Bäumen was machen. Ich mag mich erinnern: Eltern hatten ihre Töchter lange zum Coiffeur gebracht und dann gewartet, weil sie Angst hatten. Das ist jetzt anders, jeder traut sich hierhin.

Packt mit an: Heiri Michel inmitten der Vorbereitungen auf der Lindenstrasse.

Packt mit an: Heiri Michel inmitten der Vorbereitungen auf der Lindenstrasse.

(Bild: jwy)

zentralplus: Die Ausgeh-Lokale an der Baselstrasse beklagen sich, dass die Leute nur in der Neustadt verkehren. Sie jammern nicht.

Michel: Du kannst nicht einfach da sein und auf die Leute warten – mach etwas! Wir hatten mal die Idee, dass jeder, der mit dem Bus kommt und sein Billett zeigt, ein Getränk gratis bekommt. Wir wollen es fördern, dass die Leute mit dem Velo oder mit dem ÖV kommen. Doch die VBL tat sich schwer damit, obwohl sie sicher Freude haben, dass sie heute mit 30 bis 40 Extrabussen fahren können (lacht).

zentralplus: Es gibt Extrabusse?

Michel: Ja, im ersten Jahr waren alle überrascht, weil die Busse so voll waren (lacht). Wir hatten es vorher noch gesagt, aber wir wurden belächelt. Wir sagten uns: Wenn 2000 Leute kommen, ist gut. Dann waren es aber 5400.

«Wenn du Geld verdienen willst, musst du nicht im Gastgewerbe arbeiten.»

zentralplus: Das Velofahren scheint Ihnen ein Anliegen …

Michel: … ja, völlig!

zentralplus: Sie könnten auch auf mehr Parkplätze pochen.

Michel: Vielleicht ist es egoistisch, aber wir haben hier im Ganzen nur etwa 30 Auto-Parkplätze. Ich bin auch mit dem Velo unterwegs, und die Leute, die mit Velos kommen, sind salopp gesagt mehr darauf ausgerichtet, was wir bieten. Die schätzen ein Treibhaus mehr als einer, der mit dem Mercedes kommt. Zudem kommen die Velofahrer bewusster, sie nehmen extra den Weg auf sich.

zentralplus: Ganz in der Nähe wurde der Reusszopf aufgewertet, und mit dem Nordpol kam eine neue Sommerbar dazu. Ist das eine Konkurrenz?

Michel: Nein, gar nicht. Es ist eh alles im Wandel und jeder, der es gut macht, ist gut fürs Gastgewerbe. Das wäre kleinlich, wenn man das als Konkurrenz sieht.

zentralplus: Ihr nächstes Projekt kommt in Reussbühl gleich bei der Shedhalle (zentralplus berichtete). Ist die Beiz auf gutem Weg?

Michel: Wir warten auf die Bewilligung, die sollte nächstens kommen. Wir machen etwas Einfaches und Gutes. Es ist ein Fingerzeig, dass wir an den Seetalplatz glauben. Es ziehen viele Leute dorthin, und es gibt neue Arbeitsplätze. Nur Restaurants hat’s immer weniger.

zentralplus: Macht die Gastronomie immer noch Freude?

Michel: Wenn du Geld verdienen willst, musst du nicht im Gastgewerbe arbeiten. Es ist spannend, aber eine Challenge. Im Grossen und Ganzen macht es immer noch grossen Spass. Ich sage immer: Es ist ein Privileg, wenn die Leute ihre Freizeit bei dir verbringen und dafür zahlen. Die Gegenleistung ist guter Food, gute Getränke und flotter Service – dann stimmt es für alle.

zentralplus ist Medienpartner des «Streat».

Offener Brief: Heiri Michel über Unisex-Toiletten

Heiri Michel hält sich mit seiner Meinung nicht zurück – auch was die Konkurrenz betrifft. Das Restaurant Anker der Remimag-Gruppe hat kürzlich mit einem Unisex-WC eine Riesendebatte losgetreten. Selbst der Luzerner Regierungsrat hat sich dazu geäussert: Eine Gesetzesänderung ist aufgegleist (zentralplus berichtet).

Heiri Michel schreibt dazu:

Liebe Remimag, mit amüsiertem Schmunzeln und grossem Interesse beobachten wir von Anfang an das rechtlich-politische Gezerre um eure Unisex-Toilette im Hotel Anker. Der Sturm im Wasserglas, sagen wir dazu – oder hier vielleicht treffender: Das ist doch Pipikack.

Alles ist im Umbruch. Das Gefüge der traditionellen Familie wackelt seit langem, Männer heiraten Männer, Frauen lieben Frauen. Ja, und?! Noch vor ein paar Jahren wollten da einige gleich sterben vor Entrüstung. Heute weiss jede/r, dass man keineswegs um seine sexuelle Ausrichtung bangen muss, gibt man einem schwulen Mann oder einer frauenliebenden Frau die Hand. Selbiges wird bestimmt auch nicht an eurem stillen Örtchen passieren, da sei jeder des Gegenteils versichert.

Doch darum geht es nur sekundär. Vielmehr freut es uns, dass sich endlich mal jemand dieser alten Zöpfe annimmt und etwas ändert. Alles wird unkomplizierter, moderner. Warum nicht auch der normale Gang auf die Toilette?

Hausmänner haben nämlich arge Probleme, wenn sie dem Nachwuchs die Windel wechseln wollen, befinden sich doch sämtliche Wickeltische ausschliesslich auf Damentoiletten. Selbes Phänomen ist bei Behindertentoiletten anzutreffen. Oft ist das Damen-WC auch ein Behinderten-WC, und die Benutzenden ergo samt und sonders weiblich? Mitnichten. Gibt es doch auch Behinderte männlichen Geschlechts, denken wir nur mal an Stephen Hawking, Samuel Koch oder Heinz Frei. Müssen die sich aus Gendergründen das dringende Bedürfnis verklemmen? Wohl kaum.

Und deshalb sagen wir euch hier einmal: Danke. Dass ihr frischen Wind in die alten WC-Anlagen bringt. Danke, dass ihr den Schritt gewagt habt. Wir finden das richtig und wichtig. Oder wie wir bei uns zu sagen pflegen: sinnvoll.

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