Kultknast mit Kult-Open-Air

Sedel Open Air zum Zweiten – mit Hasen und Pudeln

No Bunny bei ihrem Auftritt am Samstag

(Bild: mawe)

Auch am Samstag wurde wieder ausgiebig das 35-jährige Bestehen des Sedels gefeiert. Nochmals ausverkauft, nochmals fulminant und nochmals ein vollgepacktes Programm, das den Kult-Knast gebührend feierte.

Nach der Undercover-Reportage vom Freitag war zentralplus diesmal in offizieller Mission unterwegs. Nachdem man sich von den Strapazen eines Fahrradtrips zum Sedel hinauf erholt und sein Körpergewicht in Schweiss von sich strömen gelassen hatte, war man wohl im Club am besten aufgehoben, um sich ein wenig abzukühlen. Träume Versus waren dort gerade beim Soundcheck, und der lud zum Verweilen ein. Die vier Männer im besten Alter, die auch eine Zelle im Sedel ihr Eigen nennen, waren ein toller Act, um ins Open Air zu starten. Der Indierock auf Hochdeutsch war perfekt, um am frühen Abend ein bisschen mit den Beinen hin und her zu wippen; und zwischendurch stahl man sich mal schnell in den Garten, um sich Pink Spider anzuhören. Die wiederum war solide wie immer. Wunderbare Songs, auf Gitarre und Stimme reduziert, was besser nicht in den Gefängnisgarten mit Blick auf den Rotsee hätte passen können.

«Er und die restlichen Bandmitglieder, die sich auch Hasenmasken aufsetzten, rissen nun nämlich mal schnell die Hütte ab.»

Groovig und Folkig

Und weil das Ganze so schön war, konnte man fast nicht anders, als im Garten sitzen zu bleiben und sich Harrison’s Trickbag anzuhören. Das Ein-Mann-Projekt von Christian Winiker, der sich sonst als Gitarrist bei Hendrik Belden verdingt, war für eine grosse Menschen-Menge ebenfalls Anlass genug, es sich im Garten bequem zu machen. Schelmenhaft witzelte sich Winiker durch sein Konzert. Doch wenn er nicht gerade sich selbst auf die Schippe nahm, spielte er ein Set voll von groovigen Nummern bis hin zu poetischen Folk-Songs. Ein paar Covers wurden hier und dort auch eingeflochten und den jeweiligen Künstlern ein würdiges Tribut gezollt.

Routiniers auf der Bühne

Nachdem Harrison’s Trickbag seine zweite Zugabe gespielt hatte und endgültig nicht mehr auf die Bühne wollte, war es Zeit, sich wieder in den Club zu begeben. Disco Doom waren bereits auf der Bühne aber noch nicht ganz bereit. Abgebrüht und routiniert werden nochmal schnell die Instrumente angespielt und kurz danach intern gefragt «Fange mer grad ah?». Natürlich lautete die Antwort darauf «Ja» und der Noise Rock der vier Zürcher schallte durch den Sedel Club. Es war laut und leise zugleich. Schwingende Klänge wurden mit verzerrten Gitarren zusammengewirbelt und ergaben einen besonderen, grungigen Sound, über den mal murmelnd, dann wieder schreiend, gesungen wurde. Man konnte die langjähre Erfahrung heraushören, aber die Spielfreude war immer noch vorhanden, und davon nicht wenig.

«Es schien so, also ob das Anziehen der Hasenmaske und das Ausziehen der Hose – er stand in Lederjacke und Unterhose da – einen riesigen Selbstbewusstseinsschub zur Folge hatte.»

Von Hasen und Pudeln

Bei der Zugabe gab es dann nicht mehr so viel Publikum, da sich die meisten zum Vorplatz aufgemacht hatten, um sich Millencolin einzuverleiben. Die amerikanisch-klingende, aus Schweden stammende Punkrock-Band entsprach genau dem Gusto der Mehrheit der Open-Air-Gänger. Der Vorplatz war voll, und es wurde mitgesungen und rumgesprungen. Diese Euphorie konnte man gut dazu nutzen, sich No Bunny aus Arizona in einem noch nicht ganz so vollen Club anzusehen. Die Band mit Justin Champlin als Leadsänger sah beim Soundcheck noch völlig normal und ein bisschen schüchtern aus. Die vier wollten unbedingt pünktlich anfangen und gaben sich mit einem Bühnensound, der noch nicht ganz perfekt war, zufrieden, um nicht in Verzug zu geraten.

Nachdem die Band-interne Vorband Pookie & The Poodlez, bestehend aus dem Bassisten an der Gitarre und dem Gitarristen am Bass, in 12 Minuten sechs Songs rausgeprescht hatte, kam der erste Hase auf die Bühne. Es schien so, also ob das Anziehen der Hasenmaske und das Ausziehen der Hose – er stand in Lederjacke und Unterhose da – einen riesigen Selbstbewusstseinsschub zur Folge hatte. Er und die restlichen Bandmitglieder, die sich auch Hasenmasken aufsetzten, rissen nun nämlich mal schnell die Hütte ab. Ihr Garage-Rock mit offensichtlichen Ramones- und Hasil-Adkins-Einflüssen lud den Sedel nochmal zu einem gepflegten Pogo ein, und es wurde mit Freude mitgemacht. Laut, schnell und abgefahren. Nach einer letzten Bier-Dusche verschwanden die vier von der Bühne und liessen sich auch von lauten Aufforderungen nicht mehr zurückholen.

Die 35 Jahre «Fremdnutzung» des ehemaligen Gefängnisses hätte man nicht besser feiern können. Eine riesige Menge von begeisterten Menschen, erstklassige Bands, kurz: ein Open Air, wie es besser nicht hätte sein können. Auf weitere 35 Jahre Sedel, und dass es beim nächsten Jubiläum genau so gut wird.

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