Überfall auf chinesische Touristen in Luzern

Sechs Jahre für «Anker»-Räuber gefordert

Das denkmalgeschützte Hotel Anker am Pilatusplatz Luzern wird im Innern totalsaniert.

(Bild: zentral+)

Der Überfall auf zwei chinesische Touristen im Hotel Anker warf hohe Wellen. 18 Monate nach der Tat steht nun einer der beiden Täter vor Gericht. Die Anklage fordert eine sechsjährige Gefängnisstrafe.

Der Überfall geschah am letzten Betriebstag des Dreisterne-Hotels am Pilatusplatz: Zwei Montenegriner klopften um 21.50 Uhr an die Türe von Zimmer 409, worauf ihnen einer der beiden chinesischen Touristen öffnete. Beim anschliessenden Angriff wurde der Chinese so stark verletzt, dass er für immer auf einem Auge blind bleiben wird.

Einbrüche geplant

Dabei wurden die beiden Touristen rein zufällig Opfer eines Überfalls, wie sich im Verlauf der Strafuntersuchung zeigen sollte. Die beiden Täter – der 45-jähriger Angeklagte Zlatko* und sein montenegrinischer Landsmann Luka* – trafen am 21. November 2012 mit dem Bus von Serbien her kommend in Zürich ein. Zusammen mit Bekannten fuhren sie weiter nach Luzern, wo sie Häuser auskundschafteten, um Einbrüche zu begehen. Da die potentiellen Einbruchsopfer anderntags jedoch zuhause waren, entschlossen sich Zlatko und Luka kurzerhand, eine chinesische Touristengruppe auszurauben.

Dazu verkleideten sie sich als Angehörige einer Sicherheitsfirma, bewaffnet mit Klebeband, Teppichmesser und Schwämmen, um ihre Opfer fesseln und knebeln zu können. Auf einer Baustelle beschafften sie sich je einen abgebrochenen Schaufelstiel und präparierten diese zu einem spitzen Schlagstock.

Beim Uhrenkauf ausspioniert

Die im Anker übernachtende Reisegruppe aus China beobachteten sie tagsüber beim Uhrenkauf. Als am Abend auf ihr Klopfen eines der beiden Opfer die Türe öffnete, stürmten die beiden ins Zimmer und schlugen mit ihren Schlagstöcken auf die Opfer ein. Dabei gingen sie laut Anklageschrift mit beträchtlicher Brutalität vor. Der Angeklagte Zlatko attackierte sein Opfer und traf ihn mit seinem Stock mindestens achtmal an Kopf und Rücken. Ausserdem würgte er ihn so lange, bis das Opfer entkräftet war.

Sein Mittäter Luka attackierte den anderen Touristen mit Schlägen gegen den Kopf und versuchte ihn zu Boden zu drücken. Dabei rechnete er jedoch nicht mit dessen starker Gegenwehr. Der Tourist gewann die Oberhand und drückte nun seinerseits Luka zu Boden, konnte aber durch den zu Hilfe eilenden Mittäter überwältigt werden. Während Luka von unten mit dem Stock auf den Touristen einstach, schlug Zlatko von oben auf den Kopf des Opfers ein. Dabei wurde der Tourist am rechten Auge so schwer verletzt, dass er auf diesem Auge dauerhaft blind bleiben wird.

Reisegruppe überwältigte Täter

Das Opfer schaffte es dennoch, auf allen Vieren kriechend das Zimmer zu verlassen und nach Hilfe zu schreien. Herbei eilende chinesische Touristen konnten den angeklagten Zlatko an der Flucht hindern. Im Handgemenge verletzte er sich, so dass ihn die gerufene Polizei nur noch abzuführen brauchte. Sein Komplize Luka jedoch konnte entkommen. Wie Simon Kopp von der Luzerner Staatsanwaltschaft bestätigte, ist dieser bis heute zur Verhaftung ausgeschrieben.

Für versuchten bandenmässigen Raub mit Zufügen einer schweren Verletzung soll Zlatko mit sechs Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert werden. Der Angeklagte ist teilweise geständig. Allerdings will er nicht auf den verletzten Touristen eingeschlagen haben. Vielmehr sei er kurz nach Betreten des Zimmers aufgrund der Schläge eines der Opfer zu Boden gegangen und bewusstlos liegen geblieben.

Angeklagter nur teilweise geständig

Nach seiner Darstellung sei nur ein Diebstahl geplant gewesen, der jedoch eskalierte. Da er seine linke Hand bei einem Autounfall verletzt hätte, wäre er gar nicht in der Lage, jemanden zu würgen und zu schlagen. Und nicht zuletzt hätte er zum Tatzeitpunkt unter der Wirkung von Alkohol, Methadon und Medikamenten gestanden, welche seine Diabetes verstärkt hätten. Tatsächlich wurden bei den Effekten des Beschuldigten neben einer Wodkaflasche auch angstlösende Medikamente sowie ein Schlafmittel und gefässöffnende Medikamente gefunden.

Ob der Darstellung des Angeklagten oder der Staatsanwaltschaft Glauben geschenkt werden soll, wird erstinstanzlich das Kriminalgericht entscheiden.

Auswirkungen auf Tourismus blieben aus

Der Überfall löste einerseits Betroffenheit aus, aber auch Besorgnis um Luzerns Ruf als sichere Tourismusdestination. Sowohl die Verantwortlichen von Luzern Tourismus, als auch Stadtpräsident Stefan Roth und Mitarbeiter des chinesischen Generalkonsulats in Zürich, besuchten das Opfer im Spital.

«Da es sich um einen äusserst tragischen Einzelfall handelte, haben wir keine konkreten Logiernächterückgänge in unserer Ferienregion gespürt», erklärt Tourismusdirektor Marcel Perren auf Anfrage. Absagen von chinesischen Reiseveranstaltern, wie sie in Genf nach einem Raubüberfall auf einen chinesischen Geschäftsmann vorgekommen sind, seien ihm keine bekannt. Vielmehr hätte man die Logiernächte von chinesischen Gästen in der Region vergangenes Jahr erneut um 6,7 Prozent steigern können.

Zwar hätte das Thema in Gesprächen mit Reiseveranstaltern zu Beginn stark interessiert, doch Luzern werde weiterhin als sicheres Reiseland wahrgenommen. «Die Luzerner Polizei zeigt sich sehr interessiert und engagiert für touristische Anliegen. Entsprechend beurteile ich die heutige Situation als sicherer», vergleicht Perren mit damals.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von SimonWaelti
    SimonWaelti, 23.04.2014, 08:11 Uhr

    Das mit dem einheitlichen Gebrauch der Pseudonyme ist so eine Sache…

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