Zuger Bossard Arena für einmal Handball-Tempel

Schweizer Nati gewinnt – und kann trotzdem nicht jubeln

Die Schweizer Handball-Nati gewinnt gegen Norwegen.

Die Schweiz fährt nicht an die Handball-Weltmeisterschaft. Trotzdem stehen die Fans hinter der Nationalmannschaft und feuerten sie beim letzten Qualifikationsspiel in der Zuger Bossard Arena frenetisch an. Am Ende können sich jedoch nur die Verlierer als Sieger fühlen.

Diesen Dienstagabend finden sich die Handball-Fans in der Bossard Arena in Zug ein. Es geht um die WM-Qualifikation. Die Schweizer Männer müssen, nach der Niederlage letzten Samstag, mit sieben Toren Vorsprung gewinnen. Und das gegen den amtierenden Vize-Weltmeister Norwegen. Den lässigsten Abend hatte da wohl eine Doppelbürgerin – wie die Autorin dieses Textes. Da muss man nicht mal viel von Handball verstehen.

Familie Steiger hingegen versteht viel von diesem Sport. Während die drei Kinder mit Schweizerkreuzen dekoriert sind, gibt die Mutter zu, dass sie eigentlich der Handball-Fan sei. «Mein Bruder spielte Handball, so habe ich mich auch dafür interessiert. Selber spielen tu ich aber nicht», verrät sie. Die Chancen für die Schweiz schätzt sie vor dem Spiel noch intakt ein.

Rot-blau-weisse Flaggen klar in der Minderheit

Die Bossard Arena ist mit 3450 Zuschauern zwar nur gut halb voll. Doch auch wenn die Halle ausverkauft wäre, könnten die Fans nicht lauter sein. Unermüdlich feuern sie ihre Handballer mit ihrem Fan-Klatschen und Rufen an. Und an einem Handballspiel ist das offenbar ein strenger Job. Denn die Tore fallen oft. Nach den ersten zwei Spielminuten führen die Norweger bereits. Da jubelt das norwegische Herz. Aber als Vize-Weltmeister sollte die Schweiz ja eigentlich nur ein besserer Sparringpartner sein.

Handball kann ein hochemotionaler Sport sein.

Handball kann ein hochemotionaler Sport sein.

Doch das erste Tor der Norweger macht eine Tatsache sehr deutlich: Die norwegischen Fans sind in der Minderheit. Und das ist sehr wohlwollend ausgedrückt. Mit viel gutem Willen finden sich ganz vereinzelt die rot-blau-weissen Flaggen. Und wenn die Norweger ein Tor erzielen, hört man eigentlich nichts. Höchstens, wie die Schweizer Zuschauer grad mal Luft holen, weil sie nicht gefragt sind.

Beim Handball geht’s zur Sache

Wie wahnsinnig dynamisch und schnell dieses Spiel ist, hat man seit dem Schul-Handball irgendwie verdrängt. Nach knapp vier Minuten sind bereits fünf Tore gefallen. Es steht drei zu zwei für die Schweiz. Und so hält sich das Torverhältnis durch das ganze Spiel. Mal sind die Schweizer ein paar Tore vorn, dann holen die Norweger wieder auf. Die Schweizer Fans jubeln übrigens bei einem abgewehrten Angriff der Norweger ebenso laut wie bei einem Tor der eigenen Mannschaft. Die Schweizer Handballer erfahren hundertprozentige Unterstützung.

Obwohl ein paar Strafen verhängt werden, macht das Spiel einen sympathischen, fairen Eindruck. Trotzdem: Beim Handball geht’s zur Sache. Und zwar so, dass das Trikot eines norwegischen Spielers ziemlich zerrissen wird. Das Zuschauen macht allen Besuchern in der Bossard Arena total Spass und die Energie, die von den Zuschauern auf die Spieler übergeht und umgekehrt, ist eindeutig zu spüren. Da wird gejubelt, geschrien, geschimpft und gekämpft.

Lou und Simo Häller sind wahre Fans der Schweizer Handballnati.

Halbzeit: Es steht 16 zu 15 für die Norweger. Kjell Kolden schwingt zuversichtlich seine norwegische Fahne. «Die Schweizer spielen besser, als ich erwartet hätte. Der Goalie steht wirklich gut», lobt er die Schweizer. Der in Bern lebende Norweger ist aber überzeugt, dass seine Landsmänner den Sieg nach Hause tragen. Das befürchten auch Lou (10) und Simo (8) Häller aus dem Aargau, die beide selbst Handballer sind. «Mir gefallen die spannenden Angriffe», beurteilt Lou das bisherige Spiel. «Unsere Spiele sind auch so spannend», ist sein Bruder überzeugt. Den Schweizern räumen sie aber höchstens ein Unentschieden ein. Das würde allerdings nicht für eine WM-Qualifikation reichen.

Schweiz gewinnt mit 33 zu 30 

Ja, das Publikum gibt alles. Sogar die Mädchen, die bei Bedarf den Boden trocken wischen, werden angefeuert. Wenn «We will rock you» von Queen aus den Boxen dröhnt, singen die Zuschauer begeistert mit. Und in der zweiten Hälfte des Matches führen die Schweizer tatsächlich praktisch die ganze Spieldauer. Und gewinnen am Ende sogar! Mit 33 zu 30. Die in Birmensdorf lebende Norwegerin Hilde Faske ist etwas enttäuscht: «Klar, wir sind an der Weltmeisterschaft. Aber ich hätte schon erwartet, dass wir heute gewinnen», meint sie schmunzelnd. Selber spiele sie zwar nicht Handball, aber «Norwegen ist eine Handball-Nation», betont sie.

 

Ähnlich, aber umgekehrt, geht es Selina Stähli. Die Lysserin spielt, wie ihre Freundin Cindy Friston, selbst Handball und hätte sich natürlich gewünscht, dass die Schweizer Handballer an der WM mitmachen. «Aber es ist trotzdem schön, dass sie heute gewonnen haben», findet sie. Erwartet hat sie eine Qualifikation nicht. «Während des Spiels dachte ich manchmal, dass es für die sieben Tore Unterschied reichen könnte, aber das klappte dann halt nicht», bedauert Cindy Friston. Die Weltmeisterschaft werden sich die beiden aber trotzdem anschauen.

Auf beiden Seiten Freude und Enttäuschung also. Nur ich kann mich als doppelte Gewinnerin fühlen. So eine Doppelbürgerschaft hat durchaus seine Vorteile.

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