Luzerner Autorin gibt Einblicke in die Mini-Welten

Schrebergärten: Zwischen heiler Welt und geklautem Gemüse

Schrebergärten sind oft Orte, an denen sich Urbanität und Natur treffen. So auch in der Gartenzelle auf dem Allmendareal.

 

(Bild: Gabi Vogt)

Sie liegen oft dort, wo man sie nicht erwartet. Bei der Minigolf-Anlage, zwischen Strasse und Parkplatz oder direkt neben einem Bahnhof. Doch erfüllen Schrebergärten längst nicht mehr reine «Bünzli»-Klischees. Auch bei Jungen wird die Gartenform immer beliebter. Einblicke gibt das neue Buch «Flachs Sugo Tandem».

Wie kleine Dörfer aus rechteckigen Gärten und Miniature-Holzhäuschen prägen Schrebergärten unsere Landschaft. Oft lassen nur die in den Himmel ragenden Bohnenstangen oder hoch oben wehende Fahnen verschiedener Länder die grünen Welten erahnen.

Dabei sind die Gärtchen und die Personen dahinter des Öfteren mit Vorurteilen und Klischees behaftet. Bieder, bünzlig, langweilig sollen sie sein. Doch Schrebergärten liegen im Trend und werden längst nicht nur von passionierten Pensionierten, sondern auch von Jungen bewirtschaftet.

Dies zeigt auch das im Mai erschienene Buch zu Luzerner Schrebergärten. In «Flachs Sugo Tandem – Geschichten aus dem Schrebergarten» porträtieren Stephanie Elmer und Gabi Vogt insgesamt 14 Gärten und ihre Gärtnerinnen (siehe Box).

Darunter auch die drei Luzerner Lea, Katrin und Martin. Sie wohnen allesamt in der Stadt, haben aber seit einigen Jahren einen eigenen Schrebergarten. Dieser liegt auf dem Areal zwischen Wald und den Hochhäusern beim Fussballstadion auf der Allmend. Dort, wo sich Urbanität mit Natur verweben. «Ohne den Garten wäre es schwierig, in der Stadt zu leben», erzählt Katrin im Buch. Sie ist im Luzerner Hinterland aufgewachsen.

Ganz natürlich soll er sein, der Garten

Das Interesse an der Natur und ihren Zusammenhängen ist bei allen dreien erst in den letzten Jahren gewachsen. Vor einigen Jahren haben sie sich vom Kinofilm «Tomorrow» inspirieren lassen. Darin werden alternative Lebensformen porträtiert, unter anderem ein Gemüsebauer, der sein Land ohne Einsatz von Chemikalien und Kunstdünger bewirtschaftet. Dank Mischkultur erzielt er jedoch auf kleinerer Fläche genauso viel Ertrag wie «normale» Bauern.

Damals begannen Lea, Katrin und Martin sich über Misch- und Permakulturen zu informieren. Über Nährstoffe im Boden und darüber welche Böden verschiedene Pflanzen benötigen. Strikt ohne Einsatz von Chemikalien und Kunstdünger versuchen sie, möglichst vieles zu pflanzen.

Darunter Zwiebeln, Bohnen, Salat, Tomaten oder Auberginen. Ziel wäre es, das System im Schrebergarten vollständig in sich zu schliessen, sodass er autark ist und selber produzieren kann, was er benötigt. «Wir haben beispielsweise noch zu wenig eigenen Kompost, als dass es für den Garten reichen würde», erklärt Martin.

Eine Schrebergärtnerin unter vielen Schrebergärtnern

Auch Helga besitzt in Reussbühl einen Schrebergarten. Dort ist sie meist mit einem Hut anzutreffen. Einer ist rosa, einer ist blau. Rosa heisst: Man darf mit seinem Anliegen zu ihr kommen, blau hingegen bedeutet, dass sie selber im Garten arbeiten muss und nicht gestört werden will.

«Die Welt der Schrebergärten war damals noch eine Männerwelt.»

Helga, Arealspräsidentin des Familiengärtnervereins Reussbühl-Littau

Mittlerweile sind die Farben von der Sonne ausgebleicht. Helga ist seit vielen Jahren auf dem Areal eingemietet. Seit zehn Jahren ist sie sogar Arealspräsidentin. «Die Welt der Schrebergärten war damals noch eine Männerwelt.» Sie selbst war darin eine «Exotin, deren Gartenkünste und Gartenordnung unter strenger Beobachtung standen», erzählt sie im Buch.

Nicht alle Pflanzen stehen in Reih und Glied

Doch beirren liess sie sich nicht. Auch nicht, als sie ein Schreiben vom Arealvorstand erhielt, der sie aufforderte, dem Unkraut in ihrem Garten doch mit etwas mehr Strenge entgegenzuwirken. «Ich mag es, wenn der Garten wild ist, wenn alles nebeneinander wächst statt strikte getrennt. Ich mag das Willkürliche, Überraschungen.»

So finden sich Erdbeeren neben Lauch, Studentenblumen neben Kartoffeln und Tomaten neben Peterli. «Meine Gartenkollegen finden, ich müsste da strenger sein. Aber das ist mir egal. Mir gefällt es so», meint sie.

Sie erzählt vom Sommer, in dem es keine Bohnen gab, weil alles von den Schnecken weggefressen wurde. Weil sie diese jedoch nicht töten oder vergiften wollte, hat sie alle gesammelt und in den Wald getragen. Als die Schnecken wieder zurückkamen, griff sie zu neuen Mitteln: Gläser, gefüllt mit Bier. «Man lernt nie aus. Versucht und scheitert oft», so Helga. Doch Dank diesen Rückschlägen sei der Garten ein guter Lehrmeister. 

Von Streit, Neid und dummem Gerede

Nicht nur über den Garten, auch über Menschen lerne man so einiges in den Schrebergärten. Mit «frischen Setzlingen, einem heissen Kafi im Glas, einem kühlen Bierli» habe ihr schon so manch Mitgärtner über eine Lebens- oder Liebeskrise hinweggeholfen.

«Manchmal wird auch Gemüse gestohlen.»

Helga Stalder

In diesem klitzekleinen Weltmodell, auf dem viele verschiedene Menschen nebeneinander leben, komme es auch zu Streit, Neid und dummem Gerede. «Manchmal wird auch Gemüse gestohlen», so Stalder. In solchen Situationen muss sie in ihre Rolle als Arealchefin schlüpfen. Grundsätzlich überwiegen jedoch die kollegialen Momente. Denn schliesslich sei bei allen Generationen und Nationen das gleiche Ziel: die schönsten und grössten Tomaten zu ernten.

Sugo machen – der wichtigste Gartentag

Bei Stefano steht nicht nur das Gärtnern, sondern auch das Rundherum beim Schrebergarten im Zentrum. Stefano, der einst aus Italien in die Schweiz kam, um zu arbeiten, wollte schnellstmöglich wieder zurück. Doch lernte er hier seine Frau kennen, gründete eine Familie und mietete sich einen Schrebergarten.

Seit rund zwanzig Jahren hegt und pflegt er mittlerweile seinen Garten und behielt damit ein Stück italienische Heimat. «Komme ich hierher, ist es, wie wenn ich nach Italien gehen würde», erzählt er im Buch. Jede freie Minute wird im Garten verbracht. Jetzt, wo er pensioniert ist, sowieso.

Immer im Herbst macht er hier mit den anderen Italienern Sugo, der für ein ganzes Jahr reicht. Dafür werden rund 200 Kilogramm Tomaten eingekocht und schon um sechs Uhr früh Vorbereitungen getroffen. «Gesprochen wird nicht viel. Manchmal Italienisch, manchmal Deutsch. Dann und wann wird gelacht», so schreibt Stephanie Elmer in ihrem Buch. Der Tomatenduft vermische sich dabei mit dem Kaffeegeruch aus der Mokkamaschine.

Stephanie Elmer portraitiert in ihrem Buch «Flachs Sugo Tandem – Geschichten aus dem Schrebergarten» 14 Luzerner Gärtnerinnen und Gärtner.

Stephanie Elmer portraitiert in ihrem Buch «Flachs Sugo Tandem – Geschichten aus dem Schrebergarten» 14 Luzerner Gärtnerinnen und Gärtner.

(Bild: sah)

Flachs Sugo Tandem – Geschichten aus dem Schrebergarten

Gesammelt wurden die insgesamt 14 Geschichten von Stephanie Elmer. Die 35-Jährige hat zwar keinen Schrebergarten, jedoch einen eigenen grossen Garten, in dem sie gemeinsam mit ihrem Mann Gemüse anpflanzt. In Ebikon hat die zweifache Mutter ein eigenes Zuhause aufgebaut. «Mit Hund», ergänzt sie lachend bei einer vormittaglichen Kaffeerunde.

Elmer ist fasziniert vom Schrebergarten und dem, was diese Form des nebeneinander Gärtnerns mit sich bringt. «Der Schrebergarten ist wie eine eigene geschlossene Welt. Man sieht sie immer wieder, aber setzt sich nie wirklich damit auseinander», so Elmer.

Ein Spaziergang durch die Gartenwelten

Das Buch «Flachs Sugo Tandem» soll ein Spaziergang durch diese kleinen Welten sein, auf dem man die Menschen hinter den Gärten kennenlernt. Die Menschen im Zentrum, der Garten als Kulisse. «Am meisten beeindruckte mich, dass der Schrebergarten oftmals ein ganzes Leben begleitet.» 

Trotz schöner Kulissen, seien die Gärten nicht zu idealisieren, so Elmer: «Auf kleinem Raum sind viele Menschen. Da ‹menschelt› es und es kommt zu Konflikten.» Trotzdem sei der Garten bei allen abgebildeten Personen ein wichtiger Teil ihres Lebens, in den viel Zeit, Sorgfalt und Mühe investiert wird.

Das Buch «Flachs Sugo Tandem – Geschichten aus dem Schrebergarten» erschien Ende Mai beim Bieler Clandestin Verlag und ist unter anderem in der Hirschmatt-Buchhandlung erhältlich. Für einige Wochen sind ausserdem einige Bilder aus dem Buch im Rahmen des «Kunst im Säli» im Neubad ausgestellt.

 

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