Machtkampf im Stahlkonzern

«Schmolz+Bickenbach soll als Schnäppchen übernommen werden»

Die Gründerfamilie und Viktor Vekselberg wollen die Macht: Schmolz+Bickenbach in Emmen

(Bild: Robert Müller)

Um die Stahlfirma Schmolz+Bickenbach in Emmen tobt ein Machtkampf. Die Hintergründe waren bisher nur schwer durchschaubar. Doch jetzt redet der operative Geschäftsführer Marcel Imhof Klartext: «Unsere Firma wurde schlechtgeredet, um ihren Wert zu drücken. Dann soll sie als Schnäppchen übernommen werden.» Zumindest eine sofortige Übernahme durch den Investor Viktor Vekselberg ist vorerst gescheitert.

«Wir sind der grösste Anteilseigner im Unternehmen und wollen angemessen berücksichtigt werden», sagt Christof Schramm in Düsseldorf. Schramm ist Sprecher der Nachkommen der deutschen Unternehmensgründer Schmolz und Bickenbach in Düsseldorf. Und er wird noch deutlicher: «Es ist ein Übernahmekampf um das eigene Unternehmen.» So klar haben die Hauptaktionäre – sie besitzen 40,5 Prozent des Stahlkonzerns – noch nie ihre Absichten auf den Punkt gebracht. «Die Gründerfamilien wollen mit Hilfe des Investors Viktor Vekselberg die Kontrollübernahme, sie wollen uns ihre Spielregeln aufzwingen», hält in der Schweiz Marcel Imhof dagegen. Imhof ist operativer Geschäftsführer der Schmolz+Bickenbach AG in Emmen, zu der unter anderem Swiss Steel und Steeltec gehören. Imhof steht auf der Seite des Verwaltungsrates, der sich aus schweizerischen und deutschen Mitgliedern zusammensetzt und sich den Machtansprüchen der Gründerfamilie widersetzt.

Im Geiste Patrons geblieben

Lange war nur Insidern bekannt, was die Hintergründe für den Machtkampf bei Schmolz+Bickenbach sind. Doch heute ist klar: Es sind unterschiedliche Unternehmenskulturen, die jetzt zum offenen Konflikt führen.

Alles begann 2003, als die Nachkommen der Schmolz und der Bickenbach die Mehrheit an Swiss Steel übernahmen. Im Jahre 2006 wurden alle Aktivitäten in der schweizerischen Aktiengesellschaft Schmolz+Bickenbach AG gebündelt. Doch den Wandel zur Publikumsgesellschaft haben die deutschen Familien nie wirklich vollzogen. «Im Geiste blieben sie Patrons alter Schule», sagt Marcel Imhof.

«Die Hauptaktionäre leben immer noch in der Kultur des Familienunternehmens», sagt auch der heutige Verwaltungsratspräsident Hans-Peter Zehnder von der Zehnder Group in Gränichen (AG). «Die Schmolz und die Bickenbach waren es sich gewohnt, zu schalten und walten wie sie wollten. Sie konnten alles im kleinen Kreis entscheiden. Aber das ist jetzt nicht mehr möglich. Seit alle Tätigkeiten in einer börsenkotierten Aktiengesellschaft untergebracht sind, gelten strengere Regeln.»

Klage wegen Griff in die Firmenkasse

Wie die Hauptaktionäre ticken, zeigte sich rasch. Als Michael Storm von der Gründerfamilie Verwaltungsratspräsident des Unternehmens war, führte er ein zumindest eigenwilliges Regime. So bediente er sich für seine Jagdausflüge und für seinen aufwendigen Lebensstil aus der Firmenkasse, wie kürzlich der «Tages-Anzeiger» berichtete. Der Verwaltungsrat fordert nun von Michael Storm beim Bezirksgericht Hochdorf über 11 Millionen Franken zurück.

Für den Sprecher der Gründerfamilie, Christof Schramm, ist die Publikation der Klage gegen Storm «ein Griff in die Schmutzwäschekiste». Und er schickt dazu per Mail «Zitate von Herrn Storm zur freien Verfügung». Die Kernaussage von Storm: «Die Aufwendungen im Zusammenhang mit den Jagden erfolgten mit Wissen und ausdrücklicher Genehmigung auch der Mitglieder des Verwaltungsrats.»

Verwaltungsratspräsident Hans-Peter Zehnder sagt dazu: «Gewisse Jagdausflüge haben wir genehmigt, doch wir verlangten, dass die grosse Mehrheit der Gäste einen Unternehmensbezug mitbringen muss. Das war, wie sich hinterher herausstellte, nicht der Fall. Ausserdem wurden Kosten versteckt. Wir wurden getäuscht.»

Firma mit Abzocker-Image

Wo auch immer die Wahrheit liegt, Tatsache ist, dass Michael Storm Ende 2011 als Verwaltungsratspräsident gehen musste. Und mit ihm auch der von der Familie installierte CEO Benedikt Niemeyer und der Finanzchef Axel Euchner.

Die familiennahen deutschen Manager hatten sich überrissen hohe Bezüge von bis zu weit über acht Millionen Franken pro Jahr gegönnt. «Das kommt in der Schweiz nicht gut an», sagt dazu Marcel Imhof, «unsere Firma wurde mit Abzockern gleichgesetzt, und das hat uns nicht gepasst.» Die Folge: Die Gründerfamilien verlieren in der Schmolz+Bickenbach AG an Einfluss.

Dann kam das verflixte Jahr 2012. Im zweiten Halbjahr brach das Geschäft brutal ein und die Erträge sackten ab. Bei der Schmolz+Bickenbach AG, die in den Jahren zuvor Akquisitionen mit Bankdarlehen und damit verbundene Investitionen getätigt hatte, schmolzen die Eigenmittel dahin. Heute hat die Firma fast eine Milliarde Franken Schulden.

War diese Einkaufstour ein Fehler? «Das waren keine unüberlegten Käufe», sagt Marcel Imhof dazu. «Alle Akquisitionen machen aus betrieblicher Sicht durchaus Sinn. Sie stärken unsere weltweit führende Stellung bei der Herstellung hochwertiger Stähle.»

Verbandelt mit Vekselberg

Wegen der hohen Verschuldung wittert die Gründerfamilie Morgenluft – und geht eigene Wege. Hinter dem Rücken des Verwaltungsrates geht sie auf Investorensuche. Was folgt, ist bekannt: Die Gründerfamilie verbandelt sich mit der Renova-Beteiligungsgesellschaft des russischen Oligarchen Viktor Vekselberg.

Der Oligarch, dessen Vermögen auf 15 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, will 425 Millionen Franken einschiessen. «Die Gründerfamilie», erklärt Marcel Imhof das Ziel, «will mit möglichst wenig Mitteln einen möglichst grossen Firmenanteil behalten.» Die Familie und Vekselberg haben eine entsprechende Vereinbarung getroffen, die Details sind nicht bekannt.

Der Verwaltungsrat, selber auch auf Investorensuche, rechnet mit einem geringeren Finanzbedarf von 300 Millionen Franken. «Mit der Strategie der übergrossen Finanzspritze signalisierte man, dass unsere Firma ein Sanierungsfall sei. Das entspricht aber nicht den Tatsachen», ärgert sich Marcel Imhof. «Wir haben zwar eine hohe Verschuldung, aber keine Liquiditätsprobleme.»

«Man drängt uns in eine Ecke, wo wir nicht hingehören», doppelt Marcel Imhof nach. «Unsere Firma wird schlechtgeredet, um ihren Wert zu drücken. Wir werden heute an der Börse massiv unter dem Wert gehandelt. Die Strategie ist klar: Vekselberg will uns zum Schnäppchenpreis übernehmen.»

Theoretisch neue Besitzverhältnisse

Der Sprecher von Viktor Vekselberg, Rolf Schatzmann in Zürich, bestreitet dies. «Es stimmt nicht, dass wir auf Schnäppchenjagd sind. Das zeigt allein schon die Tatsache, dass wir bereit sind, mehr Kapital zur Verfügung zu stellen als der VR für notwendig erachtet.»

Klar ist: Nach dem Einstieg würden Vekselberg rund 25 Prozent und die Gründerfamilie rund 15 Prozent der Firma besitzen. Auf die Frage, ob Vekselberg die Mehrheit oder eine Übernahme der Schmolz+Bickenbach anstrebe, sagt der Renova-Sprecher: «Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Frage obsolet, da wir ja noch gar nicht eingestiegen sind. Falls dies der Fall wäre und wenn bei der Kapitalerhöhung ein Teil der Aktionäre auf ihre Bezugsrechte verzichten würde, wäre es theoretisch möglich, dass wir zu einer Mehrheit kämen.»

Doch zumindest eine handstreichartige Übernahme durch Vekselberg ist vorerst gescheitert. Die Übernahmekommission der Schweizer Börse hat am 31. Mai 2013 entschieden, dass Vekselberg den heutigen Aktionären ein formelles Übernahmeangebot machen muss, wenn er mehr als ein Drittel der Aktien übernimmt.

Was dann passieren würde, ist offen. «Es bräuchte sicher Restrukturierungen. Über die Arbeitsplätze können wir noch keine Aussagen machen. Wie wir aber zum Beispiel bei OC Oerlikon bewiesen haben, tragen wir sehr Sorge zum Erhalt von Arbeitsplätzen.»

Der Verwaltungsrat ist nicht grundsätzlich gegen den Einstieg von Vekselberg bei Schmolz und Bickenbach. Doch er verfolgt eine andere Strategie, wie Marcel Imhof sagt: «Wir wollen im Interesse aller Aktionäre einen breiten Wettbewerb unter den Kapitalgebern, eine möglichst geringe Verwässerung (Wertverminderung für bisherige Aktionäre) und wir wollen wenn möglich industrielle Lösungen. Das heisst, wir sind an industriellen Investoren aus unserer Branche interessiert, weil so Synergien in der Geschäftstätigkeit möglich sind.»

Kampf um Verwaltungsratssitze

Der Verwaltungsrat will also, wie er sagt, «die Rechte der bisherigen Eigentümer schützen». Das sind, neben in- und ausländischen Fonds, einige tausend Kleinaktionäre unter anderem aus der Region Luzern; Schweizerinnen und Schweizer, die sich dem Unternehmen verbunden fühlen.

Die Gründerfamilie aber will die Machtprobe und geht jetzt aufs Ganze. Sie will den heutigen Verwaltungsratspräsidenten Hans-Peter Zehnder absetzen und insgesamt vier der acht Verwaltungsratssitze einnehmen, obschon sie «nur» rund 40 Prozent der Aktien besitzt.

«Wir wollen eine angemessene Vertretung», bekräftigt Familiensprecher Christof Schramm dazu, «das ist unser legitimes Recht. Denn jetzt stehen wir im Verwaltungsrat komplett aussen vor.»

Am 28. Juni, an der Aktionärsversammlung, wird der Machtkampf entschieden. Was ein «Sieg» für die deutschen Gründerfamilien mitsamt Vekselberg für die Firma, den Standort Emmen und für die Arbeitnehmer dort bedeutet, kann heute niemand abschätzen.

Klar ist nur eines: Wenn sich die Gründerfamilien durchsetzen, wächst die Chance, dass die Klage gegen den ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten Michael Storm zurückgezogen wird und dass er das aus der Firmenkasse entnommene Geld nicht zurückzahlen muss. 

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