Ein halbes Jahr nach dem Hotel-Brand in Luzern

«Schlüssel»-Wirtin plant Zukunft, nachdem sie «mitten im Tornado stand»

Lacht wieder: Marija Bucher ein halbes Jahr nach dem verheerenden Brand im Hotel Schlüssel.

(Bild: hae)

Nur vier Tage hatte das frisch umgebaute Restaurant «Vrenelis Gärtli» Ende April offen, ­ dann wütete der verheerende Brand im Hotel Schlüssel. Ein halbes Jahr später blickt Geschäftsführerin Marija Bucher wieder vorwärts. Auch wenn sie zehn Mitarbeiter entlassen musste.

«Ein halbes Jahr geht schnell vorbei – und dann doch wieder nicht.» Marija Bucher hat wieder eine gesunde Farbe im Gesicht, sie kann auch wieder leise lachen. Und blickt für zentralplus auf den verheerenden Brand vom 2. Mai zurück. (zentralplus berichtete)

Immer wieder Tischbuchungen

Immer noch wissen nicht alle Luzerner, dass das Hotel seit gut einem halben Jahr nicht mehr in Betrieb ist. Und voraussichtlich erst im Oktober 2019 wieder eröffnet werden soll. Der Kaminfeger gab unlängst einen Besuchstermin durch, Leute wollen immer wieder kurzfristig einen Tisch für Samstagabend buchen. «Als jemand gar einen runden Geburtstag in grosser Runde ankündigte, scherzte ich, es gäbe allerdings nur Grillwürste.»

Bleich wie ein Gespenst: Marija Bucher am Tag der Flammen.

Bleich wie ein Gespenst: Marija Bucher am Tag der Flammen.

(Bild: giw)

Marija Bucher lacht. Erneut. Lange war die 39-Jährige am Boden zerschmettert, bei Fototerminen nach dem Brand sah sie aus wie ein Gespenst. «Ich merke heute: Humor hilft mir, Distanz zu gewinnen und den Überblick zu behalten. Ich hatte keine Ahnung von Krisenmanagement, ich sah mich mitten in einem Tornado.»

Aber: Sie lernte schnell dazu. Insbesondere auch, dass man als Team mehr erreichen kann als alleine. «Ich bin dankbar für alle um mich herum, die ihren Beitrag dazu leisten, das Hotel wieder herzustellen.»

«Ich half zehn Tage, Gegenstände aus dem Chaos zu retten.»

Marija Bucher, Hoteldirektorin

Der Brand hatte für einen Schaden in Millionenhöhe gesorgt (zentralplus berichtete). Das Dach war ausgebrannt, das Inventar beschädigt und ein Grossteil der neuen Investitionen verpufft. ­«Ich stand zehn Tage vor Ort mit Mitarbeitenden der Firma Belfor und habe mitgeholfen, alle Antiquitäten und andere Gegenstände aus dem Chaos zu retten.» Es ist Bucher und den Brandschutzdienstleistern aus Gisikon gut gelungen. Und es wird möglich sein, das Hotel zum grossen Teil wieder mit den gleichen Möbeln einzurichten.

Obendrein musste Marija Bucher zehn Leute auf die Strasse stellen. Erleichtert sagt sie: «Ich konnte allen eine alternative Beschäftigung in der Branche anbieten.» Und sie hofft, dass bei der geplanten Wiedereröffnung im Oktober 2019 viele aus ihrem Team wieder bei ihr anklopfen werden.

Baubewilligung eben erhalten

Doch bis dahin gilt es noch manche Hürde zu nehmen. Dieser Tage erhielt sie die Baubewilligung. «Jetzt geht es an die Ausschreibungen der Arbeiten, und Baustart wird wohl Februar werden», sagt Marija Bucher. Ihr Lebenswerk ist zerstört und wartet. Seit dem 15. Juni wurde alles im Hotel zurückgebaut, was machbar war: Es gab viele Wasserschäden, ein provisorisches Dach wurde hochgezogen, wegen der Statik wurde das Haus eingerüstet, der ganze Schutt ist weg.

Die Geschäftsführerin des altehrwürdigen Luzerner Hotels aus dem Jahre 1545 nimmt einen kleinen Schluck Rotgipfler, ein spritziger Weisswein. Sie sitzt am Stammtisch im Geschäft ihres Mannes Stephan Bucher, der in der Neustadt seit Jahren das Haus Österreich führt, eine Weinhandlung und Comestibles-Laden.

Nachdiplomstudium in Hotelmanagement

Marija Bucher macht ausser der administrativen Tätigkeit für den zukünftigen Hotelbetrieb noch das Nachdiplomstudium in Hotelmanagement der Hotellerie Suisse. Vor ihr steht ein Laptop, in dem sie die neue Schlüssel-Strategie austüftelt und das Budget nochmals überarbeitet.

Sie sagt: «Es ist noch vieles unklar. Die Hauseigentümerin kümmert sich um alle finanziellen Belange, die das Gebäude selbst betreffen. Wir waren gut versichert. Ich muss nicht mit meinem privaten Vermögen für betriebliche Bedürfnisse aufkommen. Noch nicht.»

Zusammen mit Architekt Samuel Camenzind des Luzerner Büros Boyer + Camenzind AG entstehen immer konkretere Pläne. «Glück im Unglück: Wir versuchen alle nach unseren Möglichkeiten, diese herausfordernde Situation zu meistern. Ich bin sicher, gemeinsam werden wir es schaffen.»

«Es ist eine One-Woman-Show. Ich vermisse meine Gäste und Mitarbeiter.»

Viele fragen sie, ob ihr denn nicht langweilig sei. Sie schüttelt den Kopf: «Langweilig? Ist mir überhaupt nicht, aber ich habe viel einsame Arbeit derzeit. Es ist eine One-Woman-Show. Ich vermisse meine Gäste und Mitarbeiter.» Sie erinnert sich gerne an die letzten belebten Tage in ihrem Hotel: «In der Nacht vor dem Brand habe ich noch bis 2 Uhr in der Früh gearbeitet.» Dann habe sie zufrieden ein Taxi nach Hause genommen.

Denn seit Ende 2016 hatte die ehemalige Juristin die neue Herausforderung angenommen: Sie hat die operative Führung des Hotels übernommen, ein neues Team gebildet, eine neue Einrichtung beschafft. «Das Hotel lief fantastisch, die Krönung war die Eröffnung des zweiten Restaurants ‹Vrenelis Gärtli›» (zentralplus berichtete). Sie wagte damals selbst den Sprung ins kalte Wasser. Gern und mit Leidenschaft.

Der erweiterte Betrieb hatte zudem ideal begonnen. Sie dachte nach dem vierten Arbeitstag: «Ja, es läuft gut, die Umsätze stimmen.» In den Monaten Mai und Juni war das Hotel nach Vorausbuchungen zu 90 Prozent ausgelastet. «Also habe ich mir den nächsten Tag frei genommen.» Schliesslich arbeitete sie 80 Prozent, ein Tag der Woche gehört ihrer dreijährigen Tochter Julia.

«Ich erlebte das ganze Gebäude in tiefes Schwarz getaucht.»

Und dann erreichte Marija Bucher an ihrem freien Tag um die Mittagszeit die Hiobsbotschaft des Brandes. Sie eilte sofort ins Hotel, machte zwei Fotos: eines von einem sprunghaft verlassenen Tisch, an welchem ein Stammkunde eben noch ein Wiener Schnitzel mit einem Glas Zweigelt hatte geniessen wollen.

Hoffnungsschimmer

«Ich erlebte das ganze Gebäude in tiefes Schwarz getaucht.» Sie sah erst nur ­Rauch, Russ, verbrannte Gegenstände. «Doch über allem leuchtete mir an der Tür eines Zimmers eine Nummer entgegen: das Emailschild mit der glänzenden 401.» Dieses zweite Foto war damals ihr einziger Hoffnungsschimmer: Es war nicht alles dahin.

Hoffnungsschimmer: Die Zimmernummer leuchtete Marija Bucher entgegen. Es war doch nicht alles dahin.

Hoffnungsschimmer: Die Zimmernummer leuchtete Marija Bucher entgegen. Es war doch nicht alles dahin.

(Bild: Marija Bucher )

Die unversehrte Rezeptionsglocke nahm sie als Erinnerungsstück mit nach Hause. Es blieb noch viel anderes vom Hotel, worauf sie wieder aufbauen konnte. «Der Klang der Rezeptionsglocke, mit der zur Zeit meine Tochter spielt, weckt in mir immer wieder die Vision des Hauses, wie es nach der Wiedereröffnung aussehen sollte.»

Sage vom «Vrenelis Gärtli»

Zum Abschluss erzählt Marija Bucher die Geschichte vom «Vrenelis Gärtli». Vreneli hat laut der Sage die Götter herausgefordert, indem sie hoch am Himmel einen Garten anlegen wollte. Als sie anfing, sandten die Götter grossen Schnee. Zum Schutz nahm Vreneli einen Topf über den Kopf. Doch die Schneemassen waren zu erdrückend, und sie blieb oben am Berg mit dem Namen Vrenelis Gärtli, der überdies ausschaut wie ein Kopf mit Topf.

«Aber offenbar waren mir die Götter auch nicht wohlgesinnt.»

Weil der Park vor dem Hotel Schlüssel einst auch so hiess, wollte Marija Bucher ihr Restaurant «Vrenelis Gärtli» nennen. «Aber offenbar waren auch mir die Götter nicht wohlgesinnt.» Einen anderen Namen also für die Zukunft? Oder wie Vreneli doch lieber den Topf auf den Kopf?

Marija Bucher lacht wieder: «Ich bin weder gläubig noch abergläubisch. Also bleibe ich beim alten Namen.»

Im Vrenelis Gärtli, vier Tage vor dem Brand: Marija Bucher und Weinhändler Stephan, ihr Mann.

Im Vrenelis Gärtli, vier Tage vor dem Brand: Marija Bucher und Weinhändler Stephan, ihr Mann.

(Bild: hae)

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