Lieblose Nationalfeier in Zug?

Scheppernde Nationalhymne sorgt für Empörung

Laut zwei Zuger SVP-Gemeinderäten fehlt es bei der Zuger 1.August-Feier massiv an solchen Traditionen. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Also so geht das nicht, finden Stadtzuger SVP-Gemeinderäte. Und beziehen sich dabei auf die diesjährige 1.August-Feier der Stadt. Als Armutszeugnis sondergleichen betiteln sie die vergangene Feier, als lieblos und «total verantwortungslos». Der Zuger Stadtpräsident räumt zwar Fehler ein, relativiert aber auch.

«Wie dekadent muss ‹man› eigentlich sein, um seine eigene Geschichte, Herkunft und Identität mit einer die Schweizerische Eidgenossenschaft praktisch negierenden Bundesfeiertags-Veranstaltung dermassen zu verleugnen?», so verpacken die zwei Zuger SVP-Gemeinderäte Willi Vollenweider und Philip C. Brunner ihre Kritik.

Trychler-Gruppen, Fahnenschwinger und Trachtengruppe ein Muss?

In ihrer Interpellation beschreiben sie die offizielle Bundesfeier der Stadt Zug, welche überhaupt nicht nach ihrem Gusto durchgeführt worden war und welche laut den Politikern «bedauerlicherweise beweist, dass Zug offenbar nicht in der Lage ist, eine würdige Bundesfeier zu organisieren».

Was lief denn genau schief an diesem 1.August? Konkret vermissten die SVP-Vertreter traditionelle Elemente. Es gehöre sich für eine würdige Feier, dass Trachtengruppen, Turnvereine, Fahnenschwinger, Trychler-Gruppen oder ähnliches auftreten würden.

Zu urbanisiert, globalisiert, beliebig

Ganz besonders kritisieren Brunner und Vollenweider die Nationalhymne, welche nach der Rede von Alt-Bundesrat Kaspar Villiger «überraschend, ohne Ankündigung und in einer sehr miesen Ton-Qualität» abgespielt worden sei, völlig ohne stimmliche Begleitung. «Unsere Identität ist eben gerade nicht – wie von den Organisatoren perfid suggeriert – ‹beliebig›, ‹urbanisiert›, ‹globalisiert›, ‹banal›, ‹anonym›», empören sich die Interpellanten und stellen dem Stadtrat daraufhin Fragen.

«Ist der Stadtrat von der Idee beseelt […] unsere bisherige kulturelle und historische Identität in einem europäischen respektive angloamerikanischen Einheitsbrei aufzulösen?»

Die SVP-Gemeinderäte Philip C. Brunner und Willi Vollenweider in ihrer Interpellation

Etwa, ob der Stadtrat die Auffassung teile, dass die Bundesfeier bezwecke, prioritär den Geburtstag und die Entstehungsgeschichte des Landes würdig zu begehen? Ob der Stadtrat ebenfalls der Meinung sei, dass sich die Zuger ihrer Vergangenheit in keinster Weise schämen müssen? Oder ob der Stadtrat von der Idee beseelt sei, dass «wir» die Souveränität der Schweizerischen Eidgenossenschaft am besten aufgeben sollten, «um schlussendlich unsere bisherige kulturelle und historische Identität in einem europäischen respektive angloamerikanischen Einheitsbrei aufzulösen»?

Immerhin ein Steinstossen

Dass nicht alles rund gelaufen ist an der offiziellen 1.August-Feier bestätigt auch der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller: «Tatsächlich gab es nach der Rede einen Regiefehler und die Hymne wurde unvermittelt und unangekündigt gespielt. Da war ich selber überrascht. Das müssen wir nächstes Jahr besser inszenieren.» So dramatisch wie die Interpellanten sieht er die Lage jedoch nicht. «Ich denke, da treffen verschiedene Weltbilder aufeinander. Wir haben am 1.August immerhin ein Steinstossen organisiert, welches auch den Leuten mit einem traditionellen Weltbild behagt haben dürfte.»

Rückblickend sieht Müller aber, dass etwas mehr Tradition wohl nicht geschadet hätte. «Da hätte man bestimmt noch etwas mehr machen können, mit dem Auftritt eines Jodelchors beispielsweise.»

«Brunner und Vollenweider möchten eine Agrargesellschaft feiern, die nicht unsere Realität ist.»

Dolfi Müller, Zuger Stadtpräsident

Dennoch gibt Müller zu bedenken, dass die Stadt Zug den Nationalfeiertag schon immer städtisch interpretiert habe, «ohne dabei aber den Heimatgedanken in Frage zu stellen. Wir wollen im Prinzip ein aufgestelltes Geburtstagsfest. So wie eine offene Stadt sich eben feiert».

Die Interpellanten würden, so Müller, von einem fixen Identitätsbild ausgehen. «Identität ist jedoch nicht in Stein gemeisselt. Brunner und Vollenweider möchten eine Agrargesellschaft feiern, die nicht unsere Realität ist.»

Die offizielle Antwort des Stadtrats auf die Interpellation ist noch nicht erfolgt. 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Stefan Gisler
    Stefan Gisler, 11.08.2015, 14:25 Uhr

    Die enervierten SVPler bzw. Ex-SVPler nehmen sich heraus, bestimmen zu können, was schweizerisch, traditionell, würdig ist und kritisieren die städtische Feier. Die Schweiz ist auch Jodler und Ländler. Aber sie ist viel mehr: kulturell, gesellschaftlich, wirtschaftlich. Diese Vielfalt unserer schönen Heimat darf an einer 1.-August-Feier auch zum Zuge kommen.
    Mir geht es eher umgekehrt – an vielen 1.-August-Feiern wird frei nach dem Motto «Früher war sogar die Zukunft besser»eine reaktionäre tradierte Schweiz zelebriert, die so nie existierte. Wir waren immer mehr als eine deutschschweizerische Agranation – wir waren Händler, Trendsetter, Auswanderer, Erfinder, Philsophen, Lebens- und Überlebenskünstler, Handwerker, Bauern, Reisläufer, Pioniere, Bewahrer und vieles mehr (und das alles auch noch in weiblicher Form).
    Lassen Sie uns weiter nicht nur einige wenige Aspekte der Schweiz unter Ausschluss des anderen feiern, lassen sie uns unsere Vielfalt in Einheit feiern.

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