Zuger Regierung tut nichts gegen «Titelmühlen»

Schein-Unis: Machen Sie den Doktor in nur einem Jahr!

In sogenannten Titelmühlen ist es für Studenten ein Leichtes, sich einen Master- oder Doktortitel zu «erarbeiten».

(Bild: fotolia.de/ wia)

Immer wieder suchen Schein-Universitäten Zuflucht in Zug, weil ihnen in anderen Kantonen das Leben schwer gemacht wird. Der Kanton lässt sie gewähren, denn rechtlich sei nichts zu machen. Andere Kantone sind da weniger zimperlich. Auch der vormalige Rektor der Universität Luzern sieht Handlungsbedarf.

Was würde sich das Ego gut fühlen, stünde da vor dem eigenen Namen an der Türklingel noch ein «Ph. D. in Managing IT Resources and Change Management». So unerreichbar, wie es klingen mag, ist das gar nicht. So ein Titel liesse sich beispielsweise an der «Academy of Business Management Switzerland – the open University of Switzerland» machen. Die Webseite der Schule verspricht in ihrem Video, dass man jede Ausbildung innert eines Jahres unter Dach und Fach bringen könne.

Dass das Video nur 45 Sekunden dauert und ausserdem ziemlich lausig gemacht ist, können Wunschdoktoren ja ausser Acht lassen. Kosten tut die ganze Geschichte läppische 14’900 Euro. Und hat man keinen Mastertitel, ist das laut Webseite der Hochschule auch nicht allzu wild. Solange man sieben Jahre Managementerfahrung vorweist, gekoppelt mit irgendeinem Universitäts- oder einem gleichwertigen Diplom, kann man den Master überspringen und sich gleich an den Doktor heranmachen. Das finden viele gut. Bereits über 155’000 Menschen aus aller Welt gefällt die ABMS-Facebookseite.

Klingt nach ominöser Titelschmiede irgendwo auf den Bahamas? Falsch. Für den schnellen Universitätsabschluss muss man nicht weit gehen. Die Academy of Business Management Switzerland, kurz ABMS, welche diesen Titel vergibt, hat in Zug ihren Sitz. Wir klicken uns durch die Webseite der Schule und entdecken einiges Spannendes. So wird explizit erwähnt, dass es zwar keine offizielle Rangliste der Universitäten in der Schweiz gäbe, dass aber im «Universitäten-Handbuch der Schweiz» die ABMS als «eine der Top-Universitäten mit Fernstudiengang in der Schweiz anerkannt» sei.

Dem ist nicht so, wie das folgende Schreiben des Kantons bezeugt. Darin schreibt der Kanton: «Die Institution darf sowohl unterrichten als auch private Diplome im eigenen Namen vergeben. Dennoch werden diese Diplome vom Schweizer Staat nicht anerkannt.»

«Die Institution darf sowohl unterrichten als auch private Diplome im eigenen Namen vergeben. Dennoch werden diese Diplome vom Schweizer Staat nicht angesehen.»

«Die Institution darf sowohl unterrichten als auch private Diplome im eigenen Namen vergeben. Dennoch werden diese Diplome vom Schweizer Staat nicht angesehen.»

(Bild: Kanton Zug)

Warum unternimmt der Kanton Zug nichts gegen diese Schulen?

Beim Kanton Zug ist man sich der Situation bewusst. Der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss erklärt: «Die Antwort ist einfach. Wir haben im Moment schlichtweg andere Prioritäten. Diese Titelmühlen widersetzen sich nicht einer bestimmten Strafnorm, mittels der man die Missstände festmachen könnte. Ausserdem ist der Notstand nicht riesig.»

Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass es den meisten Studenten primär darum geht, sich ohne grossen Aufwand ein «Dr.» vor den Namen zu stellen. Schleiss meint dazu: «Wenn jemand ein Studium macht, muss der künftige Student eigenverantwortlich dafür besorgt sein, dass er sich nicht bei einem unseriösen Anbieter einschreibt. Es gilt: Trau, schau, wem.»

Zug: Sicherer Hafen für Titelmühlen

Die ABMS ist nicht die einzige sogenannte Titelmühle, die der Kanton Zug beherbergt. Sucht man in den Tiefen des Netzes, tauchen Begriffe wie «Freie Universität Zug» und «Freie Universität Cham» auf. Im Handelsregister findet man diese Unternehmen nicht und im Eintrag zu «Titelmühlen» auf Wikipedia wird vermutet, dass die beiden Firmen Ableger der «Freien Universität Teufen» seien. Letztere war in früheren Jahren bereits mehrmals in den Schlagzeilen, weil sie mit falschen Doktortiteln geschäftete. Ein Blick ins Handelsregister verweist darauf, dass sich die Firma in Liquidation befindet.

Am Ende der Nullerjahre war auch die «Free Swiss University of St. George’s» kurzfristig in Zug beheimatet. Der Grund: Die Schule floh aus dem baselländischen Liestal, weil damals seitens des Kantons Druck ausgeübt wurde auf die zwielichtige Ausbildungsstätte. Zehn Monate später zog diese jedoch unauffällig nach Liestal zurück, wo sie heute noch existiert. Nur trägt sie jetzt den Namen «Swiss Academy of Management».

«Wenn die Firmen sich juristisch nichts zuschulden kommen lassen, wird es schwierig, etwas dagegen zu unternehmen.»

Stephan Schleiss, Zuger Bildungsdirektor

Es dürfte dem Zuger Image kaum dienlich sein, dass der Name des Kantons im Zusammenhang mit Scheinuniversitäten immer wieder fällt. Darauf angesprochen, erklärt Regierungsrat Schleiss nach langer Denkpause: «Natürlich ist es immer imageschädigend, wenn unseriöse Firmen im eigenen Kanton geschäften. Aber wenn sie sich juristisch nichts zuschulden kommen lassen, wird es schwierig, etwas dagegen zu unternehmen. Eingriffe in die Handels- und Gewerbefreiheit sind schwerwiegende Grundrechtseingriffe.»

Andere Kantone unternehmen etwas

Dennoch. Die Hände des Kantons sind offenbar nicht gänzlich gebunden, wie das Beispiel aus Baselland zeigt. Auch das Tessin wehrte sich letzthin gegen das Treiben einer Titelmühle. Die «I.S.S.E.A SA – Scuola universitaria privata a distanza» hat ihren Sitz kürzlich von Agno nach – ja wohin wohl – Zug verlegt, genauer gesagt an die Baarerstrasse 82, nachdem die Tessiner Bildungsdirektion gerichtlich gegen das Unternehmen vorgegangen war. Dies, indem sie sich auf einen kantonalen Hochschul-Gesetzesartikel stützte, der festhält, dass sich strafbar mache, wer ohne Akkreditierung eine Universität führe oder einen entsprechenden Titel trage. Auch der Kanton Zug könnte ein entsprechendes Gesetz einführen.

«Es ist selbst dann nicht einfach, gegen eine solche Schule vorzugehen, wenn eine kantonale gesetzliche Grundlage vorliegt. Soweit ich weiss, wurde im Tessiner Fall gegen das Urteil Berufung eingelegt», sagt Regierungsrat Stephan Schleiss. Die Schaffung einer eigenen kantonalen Strafnorm wurde im Kanton Zug lediglich andiskutiert. Wir haben aber nicht vor, gesetzgeberisch tätig zu werden, da ab 2023 sowieso das Bundesrecht greift.»

Schleiss spricht vom eidgenössischen Hochschulförderungsgesetz, welches Anfang 2015 umgesetzt wurde, dessen Einführungsphase jedoch erst Ende 2022 abgeschlossen sein wird.

«Diese Unternehmen wissen wohl genau, wie sie das Gesetz ausreizen können.»

Lukas Fürrer, Generalsekretär der Zuger Bildungsdirektion

Lukas Fürrer, Generalsekretär der Zuger Bildungsdirektion, erklärt: «Begriffe wie Fachhochschule, Universität, Pädagogische Hochschule oder davon abgeleitete Bezeichnungen, auch in anderen Sprachen, dürfen dann nur noch mit der entsprechenden Zulassung so genannt werden. Bei vorsätzlicher Missachtung müssen die Kantone Bussen von 200’000 Franken aussprechen, bei Fahrlässigkeit bis zu 100’000 Franken.»

Das laxe Vorgehen des Kantons Zug ärgert den früheren Rektor der Universität Luzern, Paul Richli. «Das Hochschulförderungsgesetz braucht meines Erachtens keine kantonalen Vollzugsbestimmungen und ist schon heute anwendbar. Der Kanton Zug kann sehr wohl etwas dagegen tun, dass sich eine Akademie «University» nennt. Diese Bezeichnung ist für Bildungsinstituitionen verboten, die nicht akkreditiert sind», sagt Richli.

Viele Anfragen aus Afrika und Asien

Fürrer bezweifelt jedoch, dass sich die Situation mit dem Gesetz bessern wird: «Diese Unternehmen wissen wohl genau, wie sie das Gesetz ausreizen können. Dasselbe mit dem Titelschutz. Solange sich jemand nur ‹Doktor› nennt und nicht ‹Dipl. Ing. ETH›, ist es schwierig, dagegen vorzugehen.»

«Der Kanton Zug ist nicht die Aufsichtsinstanz für solche Fälle.»

Lukas Fürrer, Generalsekretär der Zuger Bildungsdirektion

Fürrer hat insbesondere mit potenziellen Studenten zu tun, die bei ihm bezüglich Anerkennung anfragen. «Im Moment geht es insbesondere um die ABMS, die kürzlich in den Medien war. Ich erhalte vor allem Anfragen aus afrikanischen oder asiatischen Ländern, die wissen wollen, ob deren Abschlüsse anerkannt sind.» Erst letzte Woche habe sich jemand allerdings auch nach dem Vorgehen erkundigt, wie Forderungen gegenüber einer solchen Firma geltend gemacht werden können.

Auf der Facebookseite der ABMS die meistgestellte Frage: Darf ich mich Dr. nennen, wenn ich bei Ihnen studiere? (Quelle: Facebook)

Auf der Facebookseite der ABMS die meistgestellte Frage: Darf ich mich Dr. nennen, wenn ich bei Ihnen studiere? (Quelle: Facebook)

Der Generalsekretär gibt zu bedenken: «Ich weiss natürlich nie genau, wer hinter den Anfragen steckt. Gut möglich, dass auch einmal eine betroffene Firma wissen will, welche Auskünfte wir erteilen. Das darf sie auch.» Weshalb er jeweils nur formal Antwort gebe. Doch auch Fürrer betont: «Der Kanton Zug ist nicht die Aufsichtsinstanz für solche Fälle.»

Da der Kanton Zug nicht aktiv gegen Schein-Universitäten vorgeht, kommt schnell der Verdacht auf, dass er diese einfach gewähren lässt, um von deren Steuereinnahmen zu profitieren. Stephan Schleiss erwidert: «Das ist ganz und gar nicht so. Ich kenne zwar die absoluten Zahlen nicht, kann mir aber nicht vorstellen, dass diese Firmen substanziell Steuern abwerfen.»

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