Luzern erstarrt im Hofknicks

Schämt euch: Der belgische König kommt und Luzern ist voller «Dräksak»

Ein fast perfekter Wasserturm. Wenn nur diese «Dräksak» nicht wären.

(Bild: bas)

Ihre Majestät König Philippe von Belgien ist in Luzern. Wegen dem dualen Bildungssystem. Er interessiert sich nicht für Wasserturm, Löwendenkmal und Konsorte. Und obendrauf ist Luzern zugepflastert mit «Dräksak». Kann es noch schlimmer kommen?

Ihre Majestät König Philippe von Belgien ist in Luzern, und die Stadt scheint im Hofknicks zu erstarren: Im Hotel Radisson, wo der König diesen Freitag ankommt, kommt man nur mit Akkreditierung an Fotos, den Lehrlingen wurden Benimmregeln aufgebrummt (nicht ansprechen, keine Selfies!) und nur die höchsten Verantwortlichen geben dezidiert Auskunft – wenn überhaupt. Man ist bedacht, sich keinen Fauxpas zu leisten, das Postkartenimage der Stadt nicht zu besudeln. Schliesslich interessiert sich nicht alle Tage ein royaler Erdenbürger für Luzern. It’s all about the image, oder?

Nicht die Leuchtenstadt interessiert …

Nicht ganz. Denn der König ist – obwohl das kaum nachzuvollziehen ist und es unserem stolzen Leuchtenstadt-Herzen einen jähen Schmerz zufügt – NICHT wegen der markanten Kappellbrücke, dem mondänen KKL oder dem PR-Gag des Hotels Monopol gekommen. Wirklich. Das Löwendenkmal, unseren Stadt-König, besucht er nicht mal. Das Interesse der Majestät gilt vor allem einem gesamtschweizerischen Leuchtturm: dem dualen Bildungssystem. Das zumindest ist den diversen Medienberichten zu entnehmen und aus dem Programm Ihrer Majestät zu lesen: Ein Besuch in der KV-Schule in Luzern ist geplant.

… und das ist gut so. Echt!

Und jetzt halten Sie sich fest: Das ist ausnahmsweise ganz gut so! Denn just an dem vom König auserwählten Freitag ist die Stadt voller leuchtgelber «Dräksak». Stellen Sie sich vor, der König mit einem Selfiestick auf der Seebrücke, die Sonne scheint ihm ins Gesicht, ein Lüftchen weht gerade im Moment des Abdrückens die Haare noch ein wenig zurück, im Hintergrund der Wasserturm – und auf dem rechten Bildrand leuchtet zwischen den weissen Zelten des Luzerner Fests fies ein gelber «Dräksak» hervor. Würden Sie so ein Foto an den Kühlschrank hängen? Eben.

Todesqualen für Luzern Tourismus

Hoffentlich schafft es zumindest die KV-Berufsschule im Dreilinden, Luzern ein wenig ins rechte Bild zu rücken. Die angehenden Fachfrauen stehen schnatternd in Grüppchen. Fröhlich schwenken sie kleine belgische und Schweizerfähnchen. Sogar die sonst so cool rauchenden angehenden Kaufmänner haben solche Fähnchen. Ihr Auftrag: Sie sollen dem König zujubeln, wenn er mit seiner Entourage, darunter hochrangige Politiker aus Belgien, Bundesrat Johann Schneider Ammann und Vertreter aus der Wirtschaft, über den Platz schreitet. Dafür gab es im Vorfeld eine Stunde Königs-Kunde, für den Besuch eine Stunde schulfrei und eben haufenweise Fähnchen.

«So ein König ist heutzutage halt nicht mehr dasselbe wie früher.»
KV-Schülerin

Immerhin ein Hoffnungsschimmer

Die ersten Schüler stehen schon vor der Absperrung. Und es werden immer mehr. Dicht gedrängt harren sie in der sengenden Hitze aus oder quetschen sich vor die Scheiben des Schulhauses vis-à-vis. Sogar die Balkone der Nachbarhäuser füllen sich, je näher die Ankunft des Königs rückt. Das Fernsehen ist bereit, die Kameras auch. Luzern, glänze zumindest vor der KV-Schule etwas für uns! Und tatsächlich.

Der König (in der Mitte, weisses Haar) schüttelt Hände von glücklichen Zeitgenossen.

Der König (in der Mitte, weisses Haar) schüttelt Hände von glücklichen Zeitgenossen.

(Bild: bas)

Jubel brandet auf, als die ersten Menschen mit Krawatten und Sakko den Pausenplatz überqueren. «Welcher ist jetzt der Chef von Nestlé?», fragt eine junge Frau ihre Kollegin. Egal. Klatschen, jubeln, Fähnchen schwingen. Und dann endlich. Der König. Er. Ist. Da. Noch mehr Jubel, noch mehr Klatschen, noch mehr Fähnchen. Einige Auserwählte in der vordersten Reihe haben sogar das Glück, persönlich von seiner Majestät begrüsst zu werden. Mit Händeschütteln und allem. Natürlich fängt das die Kamera auf. Gut so. Und es ist geschafft: Die KV-Lehrlinge vom Dreilinden-Haus haben die «Dräksak» weggejubelt. Mindestens.

Lieber Bieber als Belgier

Obwohl, bei genauerem Hinsehen interessieren die sich gar nicht so für den König. «Also, wenn jetzt zum Beispiel Justin Bieber käme, wären wir sicher mehr aufgeregt», sagt eine junge Frau. Sie überlegt eine Weile und kommt dann zum Schluss: «So ein König ist heutzutage halt nicht mehr dasselbe wie früher.» Zum Glück sind die Kameras schon mit dem König im Gebäude verschwunden.

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