Zuger «Perle» soll kommerziell genutzt werden

Salesianum: Wie war das noch einmal mit der öffentlichen Nutzung?

Das Salesianum (rechts) und die geplante Wohnüberbauung. Die Bauherren klären nun ab, ob verschiedene Nutzungsideen für das historische Gebäude umsetzbar sind.

(Bild: PD)

Bei der Volksabstimmung über den Bebauungsplan Salesianum 2016 war die öffentliche Nutzung des historischen Gebäudes ein grosser Streitpunkt. Nun ist klar: Es sollen vor allem Büros entstehen. Doch nicht alle früheren Kritiker stören sich daran.

Die Stadtzuger haben im Februar 2016 Ja gesagt zum angepassten Bebauungsplan Salesianum. Rechtsgültig ist die Grundlage für die Überbauung auf dem Areal aber deshalb noch nicht. Eine Beschwerde von Anwohnern beim Regierungsrat ist noch hängig und blockiert alles (siehe Kasten).

Die Alfred Müller AG hat jetzt überraschend bei der Stadt Zug ein Baugesuch für Umbau und Renovation des historischen Gebäudes eingereicht (zentralplus berichtete). Die Einsprachefrist läuft bis 17. Mai.

In einer Medienmitteilung teilte die Firma mit, sie wolle mit dem Baugesuch prüfen, «unter welchen Auflagen vorhandene Nutzungsideen umgesetzt werden können». Im Gesuch erfährt man, dass die Firma Müller im Gebäude Büros, ein öffentlich zugängliches Café sowie Ausstellungsräumlichkeiten plant.

«Ein Teil der Büroflächen kann eventuell auch als Wohnateliers genutzt werden.»
Esther Lötscher, Alfred Müller AG

Vier Fünftel Büros

Wie ist die konkrete Raumaufteilung? Laut Esther Lötscher von der Kommunikation der Alfred Müller AG beträgt die Nutzfläche des ehemaligen Institutsgebäudes, das zurzeit als Flüchtlingsunterkunft an den Kanton vermietet ist, total rund 1’550 Quadratmeter. Davon sollen 1’310 Quadratmeter zu Büroflächen umgebaut werden. «Ein Teil der Büroflächen kann eventuell auch als Wohnateliers respektive zum Wohnen genutzt werden, das ist aber noch nicht sicher», sagt Lötscher.

Das Café solle auf zirka 120 Quadratmetern entstehen. Dazu kämen 60 Quadratmeter für Ausstellungen, und die Kapelle hat weitere 65 Quadratmeter Grundfläche.

Ein einziger Nutzer ideal

«Diese Nutzungsideen haben sich im Gespräch mit verschiedenen Interessenten herauskristallisiert», sagt die Sprecherin. «Wenn wir einen Nutzer für das gesamte Salesianum finden, wäre das für uns die einfachste Lösung. Möglich sind aber auch verschiedene Mieter für die unterschiedlichen Nutzungsarten», fügt sie hinzu. Offen sei die Frage, wer die Ausstellungsräume nutzen darf.

Zu den Kosten kann sich die Sprecherin momentan nicht äussern. Frühere Kostenangaben seien obsolet. «Es handelt sich um ein neues Projekt. Die Kosten hängen auch von den Auflagen ab, welche wir mit der Baueingabe nun ausloten wollen», sagt Lötscher.

«Für uns zählt, was rund um die denkmalgeschützten Gebäude herum läuft.»
Heinz Gross, Anwohner

Reaktionen aus Zug

zentralplus hat einige Stimmen in Zug eingeholt zu den Nutzungsideen im Salesianum. Heinz Gross hat mit 33 anderen Anwohnern des Quartiers Fribach die Beschwerde gegen den Bebauungsplan Salesianum beim Regierungsrat eingereicht. Das Verfahren läuft immer noch. Zum Baugesuch sagt Gross, er habe dieses noch nicht studiert. Gross: «Was im Inneren des Salesianums passiert, ist für uns aber sowieso nicht so wichtig. Für uns zählt, was rund um die denkmalgeschützten Gebäude herum läuft.»

Die Anwohner seien der Meinung, dass der vorgesehene Bebauungsplan nicht zulässig sei, da das Salesianum im ISOS-Schutzgebiet liege, erklärt Gross. ISOS ist das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung. Mit der Schaffung der «Bauzone mit speziellen Vorschriften Salesianum» habe die Stadt Zug das Gebiet in der Bauordnung dennoch zum Baugebiet gemacht.

Für Linke stimmt die Stossrichtung

Die Linken im Zuger Stadtparlament lehnten den Bebauungsplan ab. Sie kritisierten, dass die Firma keine Ideen zur öffentlichen Nutzung präsentiert habe – und diese im Grunde wohl gar nicht wolle.

«Die Frage ist nun, ob das Café nicht einfach ein Feigenblatt ist.»
Urs Bertschi, SP-Gemeinderat

Heute tönt das anders: Für SP-Gemeinderat Urs Bertschi ist das Projekt zwar noch ein wenig «vage». Aber seine persönliche Meinung ist, dass die Stossrichtung stimmt. «Es hat mich positiv überrascht, dass die Alfred Müller AG zu erkennen gibt, dass man doch etwas machen kann punkto einer öffentlichen Nutzung.» Damals habe die Firma immer davon geredet, dass das Millionen koste und ihr dennoch wenig bringe.

Die Frage sei nun, so Bertschi weiter, ob das Café nicht einfach ein Feigenblatt sei. «Ein Raum mit einem Getränkeautomat vielleicht?», so Bertschi. «Ausserdem ist offen, wo die verschiedenen Nutzungen alle Platz haben sollen im Salesianum, es ist ja nicht so gross.»

Das Salesianum ist mit einem Zwischennutzungsvertrag an den Kanton Zug vermietet, der das Gebäude als Flüchtlingsunterkunft nutzt.

Das Salesianum ist mit einem Zwischennutzungsvertrag an den Kanton Zug vermietet, der das Gebäude als Flüchtlingsunterkunft nutzt.

(Bild: PD)

Laut CSP-Gemeinderat Ignaz Voser wurde die öffentliche Nutzung bisher immer stiefmütterlich behandelt. Auch er findet die Pläne der Alfred Müller AG deshalb einen «Schritt in die richtige Richtung». Dass man Büros im Salesianum realisieren wolle, fände er nicht negativ.

Einkehrort für Sonntagsspaziergang

Positiv findet der Gemeinderat das geplante Café und die Ausstellungsräume. «Wenn ein guter Gastronom das Café betreiben würde, wäre es sicher ein schöner Ort für einen Sonntagsspaziergang.» Voser träumt von einem Café mit Piano-Musik.

Zur Nutzung als Ausstellungsraum fügt er hinzu: «Wir konnten die Gebäude in der Planungs- und Baukommission besichtigen. Sie sind gross und offen und eignen sich gut für Ausstellungen.» Voser hat auch schon eine konkrete Idee, was man im Salesianum zeigen könnte. «Die Sammlung Kamm, die mangels Platz im Kunsthaus eingelagert ist, wäre dort sicher gut untergebracht.»

«Das Salesianum ist weder optimal erschlossen mit dem öffentlichen Verkehr noch mit dem Auto.»
Gregor R. Bruhin, SVP-Gemeinderat

SVP-Fraktionschef kritisiert Erschliessung

Für die Bürgerlichen war die öffentliche Nutzung nie zentral. Sie fanden diese Diskussion eher überflüssig, der Bauherr sollte stattdessen endlich ein positives Signal erhalten und habe schliesslich genug Geld in die Planung investiert, war der Tenor in der GGR-Debatte im Herbst 2015.

SVP-Fraktionschef Gregor R. Bruhin fragt sich sogar, ob das Salesianum für eine solche öffentliche Nutzung überhaupt attraktiv ist. «Es liegt ja etwas ausserhalb vom Stadtzentrum zwischen Zug und in Oberwil und ist weder optimal erschlossen mit dem öffentlichen Verkehr noch mit dem Auto», sagt Bruhin auf Anfrage. Er stört sich ausserdem an der heutigen öffentlichen Nutzung als Flüchtlingsunterkunft. «Es gibt sicherlich bessere Unterbringungsmöglichkeiten.»

Beschwerde hängt in Baudirektion fest

Vor mehr als einem Jahr, im Februar 2016, hat die Stadt Zug dem Bebauungsplan Salesianum mit 52 Prozent Ja-Stimmen zugestimmt. 33 Anwohner des Quartiers Fribach reichten daraufhin eine Beschwerde gegen den Bebauungsplan ein. Rekursinstanz ist die Zuger Kantonsregierung. Im Februar 2017 wurde der Schriftwechsel abgeschlossen, der Entscheid sei nun spruchreif, teilte die Baudirektion zentralplus mit.

Theoretisch hätte die Direktion nun sechs Monate Zeit, einen Antrag für einen Beschwerdeentscheid zu fassen. FDP-Baudirektor Urs Hürlimann will den Antrag jedoch seinen Regierungsratskollegen noch vor den Sommerferien vorlegen, sagte er gegenüber der «Zuger Zeitung». Falls die Beschwerde abgelehnt wird, können die Anwohner den Entscheid ans Verwaltungsgericht und bis vor Bundesgericht ziehen.

Abtasten der Möglichkeiten

FDP-Gemeinderat Roman Burkard, der selber als Architekt tätig ist, sagt auf Anfrage: «Ich wäre erstaunt gewesen, wenn ein Baugesuch für die Neubauten eingereicht worden wäre. Dafür braucht es ja zuerst Planungssicherheit.» Sprich: Der Ausgang des Beschwerdeverfahrens müsste bekannt sein. Er kenne die Eingriffstiefe des geplanten Umbaus nicht, vielleicht mache ja ein Baugesuch durchaus Sinn.

«Die Liegenschaft hat eine gewisse Brisanz», sagt Burkard. Man wolle wohl abtasten, was grundsätzlich möglich wäre, und denkmalpflegerische und feuerpolizeiliche Fragen im Voraus klären, um keine Überraschung zu erleben.

Untergräbt Beschwerde demokratischen Entscheid?

Zur Beschwerde gegen den Bebauungsplan meint SVP-Gemeinderat Gregor R. Bruhin, er finde es fragwürdig, demokratische Entscheide auf juristischem Weg umzustossen. «Das sind amerikanische Verhältnisse», so Bruhin.

Allerdings habe sich die Stadt Zug bei der Beschwerde gegen den ersten Bebauungsplan, die vom Regierungsrat abgelehnt und vom Verwaltungsgericht später klar angenommen wurde, auf juristisch wackligem Terrain bewegt. «Das System hat damals versagt», sagt der SVP-Gemeinderat, «ich hoffe, dass man aus den Fehlern gelernt hat.»

Die rechtliche Lage

Das Areal des Bebauungsplans Salesianum ist seit 1975 fürs Wohnen eingezont. Mit der Ortsplanungsrevision 2009 und der Einstufung als «Perle» wurde das Gebiet von der Wohnzone in eine Bauzone mit speziellen Vorschriften umgezont. Diese ist für öffentliche Nutzungen wie Schulen, Kultur und für Wohnen bestimmt. Das historische Institutsgebäude mit der nördlich angebauten Kapelle und dem südlich angebauten Herrenhaus steht unter Denkmalschutz.

Für Neubauten besteht in dieser Bauzone eine Bebauungsplanpflicht. 56 2,5- bis 6,5-Zimmer-Wohnungen sind geplant. Im Februar 2016 stimmte die Stadt Zug nach dem ersten Anlauf 2011 erneut Ja zum Bebauungsplan. Danach reichten Anwohner eine Beschwerde beim Regierungsrat ein.

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