Massnahmen gegen Beleidigungen

Rote Karte für Eltern am Spielfeldrand

So sollte es sein: Die Kleinen spielen und die Grossen schauen friedlich zu. (Bild: zvg)

Eltern, die am Spielfeldrand rumschreien, pöbeln und sogar aufeinander losgehen: Damit soll nun Schluss sein – ab sofort müssen Zuschauer bei Innerschweizer Junioren-Fussballspielen mindestens drei Meter Abstand einhalten. Damit will man emotionale Distanz schaffen. Ob das gelingt, ist fraglich.

«Heb d’Schnore du Arschloch, sosch hau der eis a Grend!» Sätze dieser Kategorie höre ich ab und zu. Und das nicht frühmorgens im Ausgang von besoffenen Jugendlichen oder spätabends von randalierenden Fussballfans. Nein, es sind brave, angepasste Durchschnittsbürger. Mit Auto, Kindern, Frau, Häuschen und sicherem Job. Leute, die sich nichts zu Schulden kommen lassen, die niemals über die Stränge schlagen und sicher nie gegen das Gesetz verstossen würden.

Plötzlich gelten andere Regeln

Ausser am Samstagnachmittag, da ist plötzlich alles anders. Wenn der eigene Sohn auf dem Platz des örtlichen Fussballvereins steht, herrscht emotionaler Ausnahmezustand. Plötzlich gelten andere Regeln, andere Grenzen. Mehrere Male musste ich miterleben, wie sich Eltern am Spielfeldrand nicht mehr im Griff hatten. Da war zum Beispiel dieses Turnier im Juni. Der Schiedsrichter pfiff das Spiel der beiden E-Junioren-Mannschaften an und schon bald war klar, dass der junge Mann wenig Erfahrung hat und deshalb einige Male falsch pfiff.

Tausende «kleiner Stars»

Beim Innerschweizer Fussballverband IFV sind 78 Vereine angeschlossen, welche Juniorenausbildung betreiben. Im Kinderfussball sind diese Saison 234 E-Teams (9- und 10-jährige), 202 F-Teams (7- und 8-jährige) und 38 G-Teams (5- und 6-jährige) gemeldet. So sind in der Altersgruppe der 5- bis 10-Jährigen 4'400 Junioren aktiv.

Das kommt auf dieser Stufe oft vor, meist muss man froh sein, wenn sich überhaupt jemand findet, der das Spiel leitet. Und ja: Irgendwo müssen junge Schiedsrichter ihr Handwerk schliesslich lernen. Dessen sollten sich auch Eltern bewusst sein und entsprechend Verständnis haben. Das war bei diesem Spiel leider nicht so. Ein Junior aus unserem Team ging es etwas gar forsch an und foulte zwei oder dreimal einen Gegner, was der Schiedsrichter aber laufen liess. Bereits beim ersten Mal waren einige Eltern aus dem gegnerischen Lager sehr aufgebracht und beschimpften den Unparteiischen.

Angst vor Handgreiflichkeiten

Damit aber nicht genug: Weil irgendwann einer aus unserer Reihe genug hatte von den verbalen Attacken gegen den Schiri, rief er hinüber, sie sollen sich doch beruhigen. Das kam ganz schlecht an. Wir sollten doch das Maul halten und es sei doch eine Sauerei, wie unsere Jungs ihre Kinder unfair behandelten. Die Stimmung bei einigen Eltern der gegnerischen Mannschaft wurde immer aufgeheizter. Als dann unser Team auch noch in Führung ging, tickte ein Vater völlig aus. Er schrie und tobte derart, dass ich ehrlich gesagt nicht mehr sicher war, ob er bald aufs Spielfeld rennen und handgreiflich werden würde. So weit kam es zum Glück nicht.

Zunehmend aufgeheizte Stimmung

Ein anderes Mal – diesmal war es ein reguläres Meisterschaftsspiel – war unser Trainer etwas gar vorlaut. Er kritisierte einen Entscheid des Schiedsrichters, was wiederum einige Eltern der gegnerischen Mannschaft in Rage brachte. Die Stimmung heizte sich derart auf, dass wir nach dem Spiel warteten, bis das Gästeteam mit Eltern, Trainer und Junioren abreisten. Erst dann gingen wir zurück zum Clubhaus – damit wollten wir eine weitere Eskalation vermeiden.

Zum Glück sind Pöbeleien selten

Ich bin mir bewusst, dass die oben erwähnten Beispiele Ausnahmen sind. Zum Glück. Meistens geht es an Spielen der F-, E- und D-Junioren friedlich und gesittet zu und her. Sowohl Trainer, Spieler wie auch Eltern ereifern sich zwar, bleiben aber fair und überschreiten die Grenze des Anstandes nicht. Dennoch scheint es in den letzten Jahren immer öfter vorzukommen, dass Eltern und Trainer ihre Emotionen nicht mehr im Griff haben. Zwei besonders krasse Vorfälle haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt: Im Juni schlug der Vater eines B-Junioren von «Emmen United» auf dem Sportplatz Wartegg in Luzern den Trainer der eigenen Mannschaft nieder, weil dieser seinen Sohn auf die Ersatzbank setzte. Ebenfalls im Juni verprügelten in Bern Eltern eines unterlegenen Teams von C-Junioren Spieler der siegreichen Mannschaft vom FC Kickers Luzern (zentral+ berichtete).

Eltern sollen Abstand halten

Dieser Entwicklung will nun der Innerschweizer Fussballverband (IFV) nicht mehr länger zuschauen. Mit der Kampagne «Eltern weg vom Spielfeldrand» versucht man, die zunehmende Aggressivität einzudämmen. Wichtigster Punkt dabei ist, dass die Eltern ab sofort angehalten werden, mindestens drei Meter Abstand vom Spielfeld zu halten. «Damit wollen wir einen emotionalen Abstand zwischen den Eltern und dem Geschehen auf dem Platz herstellen», sagt Kampagnenleiter Peter Laeng auf Anfrage. Allerdings ist dies vorderhand nur eine Empfehlung an die Vereine. Wenn dies aber nicht umgesetzt wird, droht der IFV mit einer Verschärfung: Wenn es nicht klappt, behalte man sich vor, die Empfehlung auf die nächste Saison als Weisung umzusetzen.

«Wir wollen einen emotionalen Abstand zwischen den Eltern und dem Geschehen auf dem Platz herstellen.»

Peter Laeng, Innerschweizer Fussballverband

«Bei den G-Junioren, also den jüngsten Spielern, haben wir das seit einem Jahr bereits eingeführt und es funktioniert sehr gut», so Laeng. Er betont, dass die Kampagne nichts mit den jüngsten Vorfällen in Emmen und Bern zu tun habe. «Wir hatten schon länger vor, das einzuführen.»

Verhaltenscodex für die Zuschauer

Die Markierung des Abstands, so der IFV, kann mittels Markierungsband, einem Seil oder durch flache «Töggeli» umgesetzt werden. Wenn dies nicht möglich sei, sollen die Eltern hinter dem Tor stehen. Damit aber nicht genug: Mit einem offenen Brief an die Eltern gibt der Verband klare Verhaltensregeln vor. So sollen etwa die Kinder nicht zu sehr unter Erfolgsdruck gesetzt werden, die Eltern sollen den Schiedsrichter fair behandeln und sich nicht in das Spielgeschehen einmischen. «Bisher haben die Vereine durchs Band positiv auf unsere Kampagne reagiert», sagt Laeng.

Ob diese Massnahmen zu einer Deeskalation führen, ist offen. Hinter den Emotionen einiger Eltern steckt ein Zeitgeist, der wohl nicht nur mit guten Worten und Empfehlungen aus der Welt zu schaffen ist: Fussball hat einen enorm hohen Stellenwert in der Gesellschaft und der Druck, Erfolg zu haben, ist höher denn je. Viele Eltern wollen um jeden Preis, dass ihr Kind als Talent heraussticht, dass es möglichst eine Fussballkarriere machen kann. Koste es, was es wolle. «Auch vor 20 Jahren gab es Eltern, die sehr emotional reagierten», sagt Peter Laeng. «Aber erstens spielen heute viel mehr Kinder Fussball – und zweitens ist der Ehrgeiz der Eltern grösser geworden.»

Haben Sie auch schon aggressive Zuschauer bei Juniorspielen beobachtet? Was denken Sie darüber? Registrieren Sie sich jetzt als Community-Mitglied und nutzen Sie die Kommentarfunktion.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon