Luzerner Kantonsingenieur geht in Pension

Rolf Bättig: Der Mann, der die Zentralbahn verschwinden liess

Früher brauste hier die Zentralbahn durch, heute gehört das Freigleis den Velos – Rolf Bättig war wesentlich daran beteiligt. (Bild: io)

Mehr als zehn Jahre lang landete jedes grössere Bauprojekt im Kanton Luzern auf seinem Tisch. Nun gibt Rolf Bättig sein Amt als Kantonsingenieur ab. Im Gespräch mit zentralplus blickt er auf die Meilensteine seiner Karriere zurück und verrät, wo Luzern in Sachen Mobilität vorwärtsmachen muss.

Unter seiner Leitung wurden Brücken gebaut, Tunnels gebohrt, Flussarme neugestaltet und Autobahnzubringer in Betrieb genommen. In seiner Zeit als Kantonsingenieur hat Rolf Bättig die Veränderungen im Kanton Luzern in Sachen Verkehr und Mobilität wesentlich mitgeprägt.

Das hat ihm nicht nur Freunde beschert – an seiner Haltung habe dies jedoch nie etwas geändert, sagt er kurz vor seinem Übertritt in den Ruhestand.

zentralplus: Herr Bättig, gehen wir zurück ins Jahr 2009. Was fanden Sie vor, als Sie damals die Stelle als Kantonsingenieur antraten?

Rolf Bättig: Zunächst mal muss man wissen, dass ich intern in die Position wechselte. Ich leitete zuvor schon die Abteilung Bau der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur. Ich kannte die laufenden Projekte und auch meine Mitarbeiter bereits bestens.

zentralplus: Welche Projekte standen damals im Zentrum?

Bättig: Ein zentrales Projekt war die komplette Neugestaltung des Seetalplatzes, inklusive des Hochwasserschutzes. Mir bleiben aus der damaligen Zeit aber auch mehrere Projekte im Entlebuch in Erinnerung. Etwa in Zusammenhang mit der Lammschlucht, dem Schwanderholzstutz und entlang der Kantonsstrassen im Entlebuch – überhaupt: Ich habe in meiner Zeit das halbe Entlebuch umgegraben.

24 Jahre mitgestaltet

Rolf Bättig tritt Ende Januar nach 24 Jahren Tätigkeit beim Kanton Luzern in den Ruhestand. Als Kantonsingenieur leitete er während der letzten zwölf Jahre die kantonale Dienststelle Verkehr und Infrastruktur.

In die Amtszeit von Rolf Bättig fiel die Realisierung von prägenden Grossprojekten wie die Tieflegung der Zentralbahn, der Autobahnanschluss Buchrain mit Zubringer Rontal oder die Umgestaltung des Seetalplatzes.

Per Februar wird Gregor Schwegler die Leitung der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur übernehmen. Er war bisher Mitglied der Geschäftsleitung des Ingenieur-, Planungs- und Beratungsunternehmens Basler & Hofmann.

zentralplus: Auf welches Projekt, das in Ihrer Zeit umgesetzt wurde, sind Sie rückblickend besonders stolz?

Bättig: Ein solches ist sicher die Tieferlegung der Zentralbahn. Schon rein technisch war es eine aussergewöhnliche Leistung, die dort erbracht wurde. Die Tieferlegung der Bahn hat das Gesicht der Stadt wesentlich verändert – zum Besseren, wie ich finde. Es gab aber auch kleinere Projekte mit grosser Wirkung.

zentralplus: Können Sie ein Beispiel nennen?

Bättig: Zum Beispiel die Umfahrung von Sempach Station mit der Aufhebung des Niveauübergangs. Das Tempo, mit dem sich dieser Ortsteil seither verändert hat, führt vor Augen, dass eine gute Infrastruktur ein echter Entwicklungstreiber sein kann.

zentralplus: Wie definieren Sie eigentlich die Position als Kantonsingenieur?

Bättig: Gegen innen muss man Motivator sein, gegen aussen muss man sich auch schützend vor seine Mitarbeiter stellen können, die nicht selten exponiert sind.

«Es darf nicht das Ziel sein, es allen recht machen zu wollen. Zentral ist aber, dass man alle gleich behandelt.»

Rolf Bättig, abtretender Kantonsingenieur

zentralplus: Apropos Kritik: Gerät man als Kantonsingenieur nicht zwangsläufig auch immer wieder zwischen politische Fronten? Wie gingen Sie damit um?

Bättig: Es darf nicht das Ziel sein, es allen recht machen zu wollen. Zentral ist aber, das man alle gleich behandelt. Und letztlich muss man sehen, das wir schlicht den politischen Auftrag erfüllen.

zentralplus: Die politischen Ansprüche und auch die Gesellschaft als Ganzes scheinen sich in der letzten Dekade stark verändert zu haben. So wurden zuletzt etwa wiederholt Forderungen nach mehr Flüsterbelägen und Tempo 30 auf Kantonsstrassen laut. Erhört wurden diese Begehren bisher grösstenteils nicht.

Bättig: Meine Haltung war es stets, ein Optimum zwischen Lebensraum und Materialqualität zu finden. Bei den lärmarmen Belägen muss man ganz klar sehen, dass die Qualität der Beläge bisher nicht überzeugte. Sie erreichen kurzfristig eine Wirkung, welche sich innert Jahren aber wieder deutlich abbaut. Alle sieben Jahre einen neuen Belag einbauen zu müssen, erachte ich der Lebensqualität der Anwohner nicht zuträglich.

«Wir müssen nicht immer die Vorreiter sein.»

zentralplus: Andere Kantone, etwa der Aargau, drücken beim Einbau solcher Beläge dennoch ziemlich aufs Gas.

Bättig: Das ist auch in Ordnung und für Luzern ein Gewinn. Wir müssen nicht immer die Vorreiter sein, sondern können von den Erfahrungen und Erkenntnissen profitieren, die dort nun gewonnen werden.

zentralplus: Und was halten Sie von den Tempo-30-Forderungen für Kantonsstrassen?

Bättig: Die Handhabung seitens des Kantons ist klar. In gewissen Ausnahmefällen kann dies eingeführt werden. Grundsätzlich halte ich auf den Hauptverkehrsachsen eine gewisse Strassennetzhierarchie für wichtig und richtig. Zudem gilt für mich klar: «Klarheit schafft Sicherheit.» Gleiche Situationen sollten überall gleich dargestellt werden. Alles andere führt zwangsläufig zu einem falschen Sicherheitsgefühl.

«Was mir Mühe bereitet, ist der momentane Zeitgeist: Dass man zwar sagt, was man alles nicht will, selbst aber keine Lösungsansätze bringt.»

zentralplus: Ein Strassenbauprojekt Ihrer Zeit, das enormen Widerstand erfuhr, war die Spange Nord (zentralplus berichtete). Waren Sie überrascht vom Widerstand?

Bättig: Überrascht nicht. Dass solche Projekte Widerstände hervorrufen, ist verständlich. Was mir mehr Mühe bereitet, ist der momentane Zeitgeist, in dem man zwar sagt, was man alles nicht will, selbst aber keine Lösungsansätze bringt.

zentralplus: Sie sprechen den Widerstand gegen die Reussportbrücke, das Nachfolgeprojekt zur Spange Nord, an. Die Luzerner Regierung will ja diesen Frühling bekannt geben, ob sie die Pläne dafür weiterverfolgt.

Bättig: Auch hier bin ich für eine klare Hierarchie der Strassennetze und dafür, dass der Verkehr auf die Autobahn geleitet wird, statt durch die Innenstadt rollt.

zentralplus: Die Kritik lautet ja, dass durch die Reussportbrücke genau das geschehen würde: Der Verkehr würde mitten durch dicht besiedeltes Wohngebiet führen.

Bättig: Städtebaulich hat das Projekt aber ganz klar das Potenzial, die Situation zu verbessern. Die Möglichkeiten einer besseren Anbindung des Quartiers Reussbühl und die Möglichkeiten für eine Verbesserung des Veloverkehrs würden das gesamte Gebiet meines Erachtens attraktiver machen. Sie sollten bei dieser Diskussion mit in die Waagschale geworfen werden.

«In meiner Zeit wurden mehr als zehn Brücken erneuert, die nun wieder rund 100 Jahre nutzbar sind.»

zentralplus: Wo steht der Kanton Luzern in Sachen Verkehr und Mobilität heute? Wo ist er vorbildlich?

Bättig: Was den Zustand der Infrastruktur betrifft, sind wir heute sehr gut aufgestellt. In meiner Zeit wurden beispielsweise mehr als zehn Brücken erneuert, die nun wieder rund 100 Jahre nutzbar sind. Auch das Strassennetz ist heute dicht und in gutem Zustand.

zentralplus: Wo gibt's Nachholbedarf?

Bättig: Bei den Radrouten, vor allem im Agglomerationskreis, dürfte noch ein Schritt vorwärtsgemacht werden. Hier braucht es von mehreren Seiten jedoch auch den Mut, die verschiedenen Verkehrsteilnehmer besser zu entflechten.

zentralplus: Wie sieht die unmittelbare Zukunft für Sie persönlich aus?

Bättig: Zunächst gilt es schlicht und einfach, Abstand zu gewinnen. Wenn es denn wieder möglich sein wird, stehen da einige Reisen an, die verschoben werden mussten. Zunächst will ich aber vor allem eines: meiner Familie etwas zurückgeben für all die Unterstützung, die ich von ihnen, insbesondere von meiner Frau, erfahren habe.



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