Luzerner Band wagt das Experiment

Roh und radikal: Schnellertollermeier testet ihr Publikum

Live sind sie in ihrem Element: Andi Schnellmann (ganz links), David Meier (Mitte) und Manuel Troller bei einem Auftritt am Jazzfestival Willisau. (Bild: PD)

Ihr letztes Album «X» wurde weitherum abgefeiert, ihre Konzerte sind krachende Feuerwerke. Nun macht sich das Luzerner Trio Schnellertollermeier an die Arbeit für ein neues Album. Und wagt ein Experiment: Es testet das Rohmaterial über fünf Monate hinweg am Publikum. Was dabei herauskommt, weiss nicht mal die Band selber.

Ein normales Konzert wird das nicht. Im Programmheft fungiert es unter «Konzert/Recherche». Schnellertollermeier präsentieren an acht Abenden bis im Juni einen öffentlichen Work in Progress. Das Ziel: ein neues Album, ihr viertes nach «Holz» (2008), «Zorn Einen Ehmer Üttert Stem​!​!» (2010) und ihrem furiosen «X» von 2015, das es zu exzellenter Presse und internationalem Ruhm brachte (zentral+ berichtete)

Der Gitarrist Manuel Troller ist momentan «Associated Artist», also künstlerischer Gast, in der Südpol-Wohnung. Und so kam es, dass sich das Trio nicht wie üblich in den Proberaum zurückzieht und im stillen Kämmerlein am neuen Sound feilt. Vielmehr suchen Schnellertollermeier die Konfrontation mit dem Publikum.

Ab 30 Personen wird’s eng

Wenige Stunden vor dem ersten von acht Auftritten sitzen sie in der gemütlichen Künstlerstube auf dem Sofa: Manuel Troller (Gitarre), David Meier (Schlagzeug) und Andi Schnellmann (Bass). Das Schlagzeug steht und die Gitarren-Amps heizen vor. Nur schon aufgrund der Platzverhältnisse wird das kein normales Konzert, ab 30 Personen wird es eng.

«Es passiert an Konzerten so viel aus dem Moment heraus, Improvisiertes wird später Teil der Komposition.»

Manuel Troller, Gitarre

Hier im Südpol treten sie auf: Schnellertollermeier. (Bild: jwy)

Hier im Südpol treten sie auf: Schnellertollermeier. (Bild: jwy)

Wieso bestreiten sie dieses Experiment? Wieso machen sie die Arbeit am neuen Album öffentlich? «Ich habe gemerkt, dass die Leute interessiert daran sind, wie unsere Stücke entstehen und wie wir arbeiten. Wie viel einstudiert ist und wie viel improvisiert», sagt Manuel Troller. Also machen sie den Prozess, der normalerweise im Proberaum passiert, über eine längere Zeit öffentlich. «Es ist der gleiche Prozess wie sonst, aber wir teilen ihn mit den Leuten», sagt Andi Schnellmann.

Rohfassungen aufs Publikum loslassen

Manuel Troller ist «Associated Artist»

Der Luzerner Gitarrist Manuel Troller ist neuer künstlerischer Gast – «Associated Artist» – im Südpol. Sein Ziel ist dabei, Projekte zu verwirklichen, für die man sonst nicht die Möglichkeit hat. Mit seiner Stammband Schnellertollermeier tüftelt er an neuen Songideen und «testet» sie an acht Abenden vor Publikum. Danach soll daraus das neue Album entstehen.

Das erste von acht Konzerten im Südpol: Mittwoch, 24. Februar, 20 Uhr, Künstlerwohnung Südpol. Die weiteren Daten: 23. und 30. März, 27. April, 3. Mai, 1., 15. und 25. Juni, jeweils 20 Uhr. Sie finden irgendwo im Haus statt.

Zudem tritt Manuel Troller mit dem Literaten Michael Fehr auf die Südpol-Bühne – für ein «musikalisch-literarisches Ereignis»: am 10. und 11. Juni. Daneben hat Manuel Troller noch ein paar weitere Ideen im Kopf, die er noch nicht verraten will.

Schnellertollermeier beginnen nicht bei null, Songideen und Skizzen bringen sie mit – aber anstatt das «fertige» Produkt auf die Bühne zu bringen, lassen sie die Rohfassungen aufs Publikum los. «Das Spannende ist ja, wie sich die Stücke über eine längere Zeit immer weiterentwickeln. Darum geht’s. Es passiert an Konzerten so viel aus dem Moment heraus, Improvisiertes wird später Teil der Komposition», sagt Manuel Troller.

«Wir wollen uns bewusst in Situationen begeben, bei denen der Ausgang noch unklar ist, es soll Platz für Experimente haben», sagt David Meier. Wer Schnellertollermeier schon live gesehen hat, glaubt das sofort: Ihr Instrumental-Sound zwischen Jazz, Rock und Improvisation lebt vom Moment. Von der Wucht, der Dynamik von Gegensätzen und einem stetigen Abtasten zwischen den drei Instrumenten. Darum sind sie auch so schwer einzuordnen.

«Wir haben schon länger neue Ideen im Kopf, nun ist es Zeit, diese aufzuführen», sagt Meier. Schnellertollermeier sind eine Liveband – und diese Live-Energie auf Platte zu bringen, ist die grosse Herausforderung. Beim letzten Album «X» gelang das gut – nun will man dort anknüpfen. «Wir haben unsere Soundideologie gefunden, die Rollenverteilung in der Band ist klar, da wollen wir weitermachen», sagt Schnellmann. Noch eine Spur radikaler, intensiver und minimalistischer dürfte der Sound werden, ergänzt Troller.

Mehr als eine öffentliche Probe

Bei diesem «Instant Composing», wie es Schnellmann nennt, gibt es zwar einen roten Faden, aber spontane Ideen können die Komposition vorantreiben, verändern. Darum nehmen sie alle acht Konzerte auf, um Ideen festzuhalten.

Doch das Projekt soll mehr sein als einfach eine öffentliche Probe. «An der Probe kann man ein Stück einfach mal abbrechen, wenn es nicht funktioniert. Hier spielen wir uns irgendwohin, müssen aber immer wieder einen Weg raus finden», sagt Troller. «An Konzerten herrscht eine andere Spannung und es passieren stärkere Sachen als im Proberaum.»

«Wir wollen nicht wehtun, zumindest nicht in den Ohren.»

Andi Schnellmann, Bass

Und wie nimmt die Band die Publikumsreaktionen auf? «Vielleicht beim anschliessenden Bier, aber es soll sicher keine Podiumsdiskussion werden», sagt Schnellmann. Mehr durch Reaktionen als durch Diskussionen. «Interessant werden die Rückmeldungen so oder so, egal ob wir dann etwas ändern oder nicht. Aber sie zwingen uns dazu, zu überlegen, ob unsere Ideen gut waren, das ist geil», sagt Schnellmann.

Konzerte in Irland und England

Auch neben den Auftritten im Südpol passiert bei Schnellertollermeier viel: Proben, Konzerte in der ganzen Schweiz und im März eine Tour in Irland und England. Am 25. Juni ist der letzte Auftritt im Südpol – dann will die Band bereit sein fürs Studio. Auch wenn «fertig» bei Schnellertollermeier ein sehr relativer Begriff ist.

Und so tönen Schnellertollermeier live (am Schaffhauser Jazzfestival 2015):

 

Sie hoffen, dass der eine oder andere Zuschauer mehrmals kommt und die Veränderungen über die Monate mitverfolgt. «Das Publikum, das hierherkommt, lässt sich hoffentlich darauf ein», sagt Troller. «Wir nehmen uns viele Freiheiten, vielleicht dehnen wir mal eine halbe Stunde lang eine Idee aus, um zu schauen, wie sich das anfühlt.»

Eng wird es wohl in der Stube – und laut. «Unser Sound kann sehr leise sein, aber auch sehr laut, wir gehen zwar an die Spitze, aber wir wollen nicht wehtun, zumindest nicht in den Ohren», sagt Schnellmann. «Nein, nur im Herzen», ergänzt Troller. (Lautes Lachen)

zentral+ hat schon über Schnellertollermeier berichtet:

Gitarrist Manuel Troller (rechts). (Bild: jwy)

Gitarrist Manuel Troller (rechts). (Bild: jwy)

Drummer David Meier. (Bild: jwy)

Drummer David Meier. (Bild: jwy)

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